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Dieser Arzt bietet Qualitätskontrollen für illegale Drogen an

Wir haben mit Dr. X über sein ungewöhnliches Engagement und seine Meinung zur Legalisierung von Drogen gesprochen.

Es ist ein großes Problem, dass es für illegale Drogen im Grunde keine Qualitätskontrolle gibt. In ​einem ​Bericht von Energy Control aus dem Jahr 2013 wird gesagt, dass 38 Prozent der als Ecstasy verkauften Pillen überhaupt kein MDMA enthalten. Nur ungefähr acht Prozent von dem, was als Kokain bezeichnet wird, ist auch wirklich rein—der Rest ist mit Zusätzen wie Phenacetin, Levamisol oder Koffein versehen. 17 Prozent des „Kokains" enthielt überhaupt gar kein Kokain. Das ist quasi so, als würdest du für ein Filet Mignon bezahlen und nur eine Scheibe Roastbeef bekommen. Allerdings wirst du hier nicht nur über den Tisch gezogen. Nicht zu wissen, was deine Drogen enthalten, ist auch richtig gefährlich. Ein Beispiel hierfür ist etwa in den USA der aktuelle Anstieg von Heroin-Überdosen, das insgeheim mit Fentanyl ​gest​reckt war.

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In Österreich, dem Land der Seeligen, gehst du einfach zu ​CheckIt. Seit 1997 bietet der Verein ein Service zum Überprüfen von Drogen an—und ist damit vielen anderen Ländern voraus: Spanien zum Beispiel. Hier kommt ​Dr. Fernando Caudevilla ins Spiel. Wenn du ihn in seiner Madrider Praxis antriffst, dann ist Dr. Caudevilla einfach nur ein spanischer Familienarzt. Im Internet wird er allerdings zu Dr. X: ein umfassender Drogenberater, der auch schon als der ​„Roger Ebert der illegalen Drogen" bezeichnet wurde. In Deep-Web-Foren gibt er praktische Ratschläge zum Konsum von verbotenen Drogen und in einem spanischen Labor testet er Stichproben auf ihre Reinheit, die er aus der ganzen Welt zugeschickt bekommt.

Im Zuge eines ​Artikels über den Kauf von Drogen bei Silk Road hatten wir bereits im Januar mit Dr. Caudevilla/Dr. X gesprochen. Dieses mal wollten wir aber ein bisschen genauer wissen, wie er überhaupt dazu gekommen ist. Es war an der Zeit für ein erneutes Gespräch.

VICE: Tagsüber bist du also Familienarzt und nachts ein Drogenprüfer?
Dr. Fernando Caudevilla: Ja, manchmal mache ich aber auch das tagsüber. [lacht] Ich arbeite mit einer NGO namens ​Energy Control zusammen und bin bei Programmen zur Überprüfung von Drogen beteiligt. Auf Partys oder bei Raves sind wir mit Farbtests unterwegs, die dir sagen können, ob du da wirklich eine Droge in der Hand hältst oder nicht. Im Labor steht uns ein weiteres Verfahren zur Verfügung, mit dem wir die Substanzen und deren Zusammenstellung analysieren können.

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Du kannst mir also sagen, ob mein Kokain mit Chemikalien gepanscht oder mein Heroin mit Fentanyl gestreckt wurde. Wie kamst du dazu?
Ich bin dem Team von Energy Control beigetreten, weil ich mich im Grunde persönlich und beruflich für Drogen interessiere. Privat experimentiere ich gerne mit einigen Drogen herum—ich konsumiere sie jedoch vernünftig und mit all meinem Wissen als Arzt. Im Beruf setze ich mich aber ebenfalls mit ihnen auseinander, weil es auch zu meinen Aufgaben gehört, Drogenkonsumenten zu helfen.

Bekommst du wirklich Drogen aus der ganzen Welt zugeschickt?
Ja.

Das ist doch nicht legal?
In Spanien ist die Analyse von Drogen nicht verboten—das sind nur der Verkauf oder der Konsum. Wir sehen das Ganze als eine Art der Prävention. Bei Energy Control geben wir den Leuten nicht nur Bescheid, aus was sich ihre Drogen zusammensetzen. Wir nutzen die Gelegenheit auch dazu, mit den Konsumenten zu reden und ihnen genaue und objektive Infos über die Drogen zu geben. Sie fühlen sich bei uns nicht verurteilt. Wir sagen ihnen nicht, dass sie keine Drogen konsumieren sollen. Wir akzeptieren einfach, dass sie etwas nehmen, und versuchen dann, sie soweit zu informieren, dass dieser Konsum weniger riskant und nicht so gesundheitsschädigend ist.

Es geht also um Schadensbegrenzung.
Genau. So gesehen ist die Analyse der Drogen nur eine Strategie, die wir anwenden. Uns ist nicht so wichtig zu sagen, welcher Stoff gut und welcher schlecht ist. Wir wollen vor allem die Möglichkeit haben, mit den Konsumenten in Kontakt zu treten.

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Wie oft bekommst du Drogen zugeschickt, die nicht rein oder nicht das sind, was sie eigentlich sein sollten?
Das kommt ganz auf die Droge an und wo sie herkommt. Wenn du auf eine private Party gehst und die Person kennst, die das Zeug verkauft, dann ist das nicht wirklich problematisch. Wenn du dir deinen Stoff allerdings im Club bei einem Fremden kaufst, dann ist es schon wahrscheinlicher, dass da getrickst wurde. Da kommen oft verschreibungspflichtige Medikamente ins Spiel. Wenn du denkst, du kaufst Ecstasy, dann bekommst du eigentlich die Medizin deiner Großmutter untergejubelt.

Das ist dann sicher eine Riesenenttäuschung.
Dazu kann es auch noch richtig gefährlich werden. Manchmal können diese Medikamente noch viel schädlicher sein als Ecstasy.

Du bist auch in vielen Deep-Web-Foren unter dem Pseudonym Dr. X bekannt und beantwortest dort Fragen, die die User zu ihrem Drogenkonsum haben. Wieso hast du damit angefangen?
Das Ganze hat vor eineinhalb Jahren begonnen und inzwischen habe ich schon über tausend verschiedene Fragen beantwortet und 30.000 Seitenaufrufe gehabt. Wie schon erwähnt, wollen die Leute etwas über ihre Drogen wissen, aber Gesundheitsexperten sagen immer nur, dass Drogen etwas Schlechtes sind. Das bringt allerdings nichts. Die Leute wollen erfahren, wie bestimmte Mittel wirken, welche Risiken sie bergen, ob man Drogen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten kombinieren kann oder ob das Ganze mit bestimmten Gesundheitsproblemen gefährlich werden kann. All das kann ich beantworten, was ich auch fast jeden Tag mache.

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Das finde ich toll. Aber wie findest du die Zeit dafür? Immerhin bist du ja auch noch Arzt.
Ja, ich arbeite auch noch Vollzeit als Arzt. Aber ich bin ja nur ein oder zwei Stunden pro Tag online. Manchmal beantworte ich drei Fragen, manchmal fünf und manchmal gar keine. Ich finde das Ganze aber auch selbst sehr interessant.

Muss man dir für deinen Rat etwas bezahlen?
Nein. Ich mach das alles freiwillig, sowohl die Laboranalysen als auch die Online-Sprechstunde. Bei einer Spende sage ich jedoch nicht Nein und ein paar Leute waren schon richtig großzügig.

Nehmt ihr alle Drogenproben an, die man euch zuschickt?
Unser Programm hat sich zuerst nur auf Spanien beschränkt—für Spanier ist es auch kostenlos. Inzwischen nehmen wir aber Stichproben aus der ganzen Welt entgegen. Da wird das Ganze jedoch ein bisschen komplizierter. Hier müssen wir einen kleinen Betrag für unseren Analyse-Service verlangen. Wenn du dich mit Energy Control in Verbindung setzt, dann zeigen wir dir, wie du uns die Drogen zur Überprüfung schicken kannst.

Mit der Erweiterung des Deep Webs und Online Shops wie Silk Road kaufen in letzter Zeit immer mehr Leute ihre Drogen im Internet. Glaubst du, dass so das Ganze sicherer ist?

Es ist einfach nur anders. Es handelt sich hier immer noch um illegale Märkte, weshalb es keine Möglichkeit gibt, sie zu regulieren. Aber Shops wie Silk Road haben auch viele interessante Aspekte: Man kann zum Beispiel zu den gekauften Produkten Feedback geben—so sind die guten Verkäufer einfacher zu finden. Allgemein gesprochen, ist es besser als das, was bisher da gewesen war. Aber natürlich ist auch das nicht die perfekte Lösung.

Bist du für die Legalisierung?
Absolut. Meine Antwort lautet ohne Zweifel Ja. Wir müssen jedoch erst herausfinden, welche Art der Legalisierung die richtige ist. Nehmen wir mal Äpfel, Tabak und Antibiotika her—das sind zwar drei legale Dinge, aber jedes auf seine eigene Art und Weise. Einen Apfel zu kaufen ist etwas Anderes, als Alkohol oder verschreibungspflichtige Medikamente zu kaufen. Wir müssen darüber diskutieren, welchen rechtlichen Status wir den Drogen geben sollten. Wenn sie jedoch gefährlich sind, dann ist das der Hauptgrund für eine Legalisierung. Wenn etwas nicht legal ist, dann kann man es auch nicht regulieren.

Das ist ein gutes Argument. Wie sollten deiner Meinung nach die Leute dann an den Drogenkonsum herangehen?
Drogenkonsum ist menschlich. Man wird immer Drogen nehmen, egal ob nun legale oder illegale. Beide haben ihre negativen Seiten. Ich glaube jedoch, dass man die Leute besser an Drogen heranführen kann, als wir das bisher getan haben. Mit meiner Tätigkeit versuche ich, das zu beweisen. Wir können auf verschiedenen Wegen an den Drogenkonsum herangehen und eine gute Beziehung zwischen den Leuten und Drogen aufbauen.