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Dieser Typ nimmt Pferdegeräusche für Hollywood auf

Raptoren sind eigentlich Schildkröten, Nazguls eigentlich geile Pferde und der Zug im Film ,Snowpiercer' das Sound-Werk eines Österreichers. Wir haben uns mit ihm über seinen Job und das Quietschen von Luftballons unterhalten.
Alle Fotos von David Osternacher

Wer glaubt, dass die komplexe Geräuschkulisse eines Filmes Zufall ist und beim Dreh einfach nur mitaufgenommen wird, war vermutlich schon länger nicht mehr in der Natur und hat noch nie eine Folge Togetherness gesehen.

Wenn es darum geht, möglichst natürliche, klare Klänge im Film zu haben, die dem Zuschauer im Idealfall nicht einmal extra auffallen, ist das das Werk eines Sound-Designers. Dabei geht es natürlich um mehr als das Halten eines Mikrofons und das Drücken des Aufnahmeknopfes—sonst würde es auch kaum einen Oscar für Sound Editing geben. Abgesehen von Wetter, Uhr- und sogar Jahreszeiten braucht man auch ziemlich viel Mixtalent und Geduld, um den perfekten Sound hinzukriegen.

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Ein Pferd lässt sich eben nicht sagen, wann es den ultimativen Brunftschrei loslassen soll—genauso wenig, wie sich Schildkröten zum Sex-Schnauben zwingen lassen. Trotzdem müssen Sound-Designer genau das tun: nämlich ihnen die Geräusche zu entlocken, damit daraus die Nazguls aus Herr der Ringe oder die Saurier aus Jurassic Park werden.

Dass nicht gleich jeder Schildkrötensex mit Dinosauriersprache oder geile Pferde mit Nazguls verbindet, ist natürlich logisch. Die Ironie hinter den meisten Geräuschen ist, dass reale Sounds am Drehort auf Film oft zu unrealistisch rüberkommen. David Osternacher ist so ein Klangerzeuger und entwirft Sounds für Computerspiele, Filme und Werbungen. Seine Tonaufnahmen zu den verschiedensten Themengebieten umfassen unter anderem Klangarchive von Pferden, Zügen und mittelalterlichen Waffen. Er hat uns einige Fragen über seinen Berufsalltag beantwortet.

VICE: Wie bist du zu diesem Job gekommen?
David Osternacher: In meinem Studiengang an der FH Hagenberg gab es eine Lehrveranstaltung zum Thema Sound. In einer einführenden Vorlesung wurde uns demonstriert, dass man aus einfachem Rauschen durch rhythmisch geschicktes Drehen am Lautstärkeregler relativ überzeugend reale Geräusche, zum Beispiel Meeresbrandung, erzeugen kann. Da habe ich Feuer gefangen und mich für den Rest der Studienzeit stark auf den Bereich Sound Design konzentriert. Am Ende des Studiums habe ich ein Praktikum bei Dynamedion in Mainz absolviert, einem der größten Computerspiel-Sound Studios in Europa. Dort bin ich auch heute noch freier Mitarbeiter und kann zu vielen großen Spieleproduktionen beitragen. Ebenfalls in Mainz bin ich zum Team der BOOM Library gestoßen, einem Klangarchiv für Medienproduktionen und Schwesterfirma von Dynamedion.

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Wie muss man sich das vorstellen, passiert deine Arbeit mehr draußen beim Aufnahmen oder drinnen beim Mischen?
Bei Spieleproduktionen ist die Zeit oft zu knapp, um alle Arten von Tönen, die im Spiel vorkommen, selbst aufzunehmen. In solchen Fällen kommen Sound Libraries wie jene von BOOM ins Spiel. BOOM produziert Kollektionen von Tönen zu bestimmten Themen, zum Beispiel Autos, Pferde, Züge oder Schusswaffen. Auch wenn ein Spiel nur eine Handvoll Soundeffekte benötigt, teilen sich diese manchmal über diverse solcher Kategorien auf, was den Planungsaufwand für eigene Aufnahmen überproportional erhöht. Daraus entsteht Bedarf nach hochqualitativen Archivaufnahmen, die nach Gusto im eigenen Studio zusammengemischt, verfremdet und in Projekte eingefügt werden können. Genau so ist die Idee zur BOOM Library entstanden. Im Gegensatz zu Spiele- oder Werbeproduktionen kann ich bei Library-Aufträgen viel Zeit unterwegs verbringen. Allerdings passieren solche Außenaufnahmen unangenehmerweise meist im Winter und außerdem nachts, aufgrund der Lärmbelästigung tagsüber durch Fauna, Straßen- und Flugverkehr.

Bei diesem sogenannten „Bodydrop" wird ein mit Erde gefüllter Sack in einen zugefrorenen See geworfen, um das Fallen eines menschlichen Körpers zu simulieren.

Wann kamen dann die Pferde ins Spiel?
Eines meiner ersten und bis dato schwierigsten Library Projekte war die BOOM Kollektion „Horses". Anders als in Film und Fernsehen wiehern die meisten Pferde nämlich nur äußerst selten, was zur Geduldsprobe werden kann, wenn die Halter ihre Tiere nicht sehr gut kennen und beeinflussen können. Darüber hinaus hat die Produktion relativ lange gedauert, da aus akustischen Gründen ein großer Teil im Winter aufgenommen werden musste, aber auch während der Deck-Saison im Frühling/Sommer. Man muss wissen, Hengste unmittelbar vor der Paarung dürfen in keiner respektablen Pferde-Kollektion fehlen, spätestens seit solche markerschütternden Wieherer kreativ als Nazgul Schreie in der Herr der Ringe Trilogie verwendet wurden.

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Wie und wo kommen deine Aufnahmen zustande?
Jeder größeren Aufnahme-Session geht eine Planungsphase voraus, in der recherchiert und diskutiert wird, welche Geräusche genau gebraucht werden, wann und wo man die Aufnahmen machen kann, ob Requisiten oder zusätzliches Personal benötigt werden, und so weiter. Nicht selten kommen dabei auch Kartendienste mit Satellitenfotos ins Spiel, um beispielsweise die beste Stelle für vorbeifahrende Züge zu finden, ohne drei Wochen lang die Gleise abzuschreiten. Wenn man seine „Location" gefunden hat, hängt der weitere Verlauf meist vom Thema der Aufnahmen ab. Um Züge aufzunehmen, muss ich mich ein paar Stunden mit meinen Mikrofonen auf die Lauer legen, wie immer nachts und im Winter. Tiere kann man mitunter manipulieren um auf das gewünschte Ergebnis zu kommen, aber oft sind sie entweder zu schlau oder zu stur dafür. Auch hier braucht es also vor allem Geduld. Mechanische Objekte wie Autos oder Waffen sind da berechenbarer, dafür ist der Material- und Personalaufwand bedeutend höher. Ein Kraftfahrzeug muss zum Beispiel aus mehreren Innen- und Außenperspektiven aufgenommen werden, um für ein Klangarchiv wirklich nützlich zu sein. Für eine solche Kollektion braucht man also nicht nur diverse Auto und Fahrer, sondern auch mehrere Tonleute, Mikrofone und Recorder.

In der Serie Togetherness hat der Hauptdarsteller denselben Job wie du. Er ist allerdings extrem frustriert mit Regisseuren, die seine Arbeit nicht wertschätzen und Geräusche beliebig austauschen. Ist das auch bei dir ein Problem?
Generell ist Audio in den meisten Filmen und Computerspielen das letzte Glied der Produktionskette, wird also als letztes angepasst. Dadurch muss man oft sehr schnell in letzter Minute Änderungen im visuellen oder technischen Bereich reagieren, und dabei den einen oder anderen Kompromiss eingehen. Abgesehen davon hält sich meine Frustration sehr in Grenzen—ich bin mir bewusst, dass ich es mit meinem Job ziemlich gut getroffen habe.

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Machen zum Beispiel Pferde eigentlich wirklich immer die besten Pferde-Sounds? Oder muss man viel nachbearbeiten, damit ein Sound so typisch klingt, wie wir uns das vorstellen?
Auch in den großen Hollywood-Produktionshäusern wird heute noch mit den berühmten Kokosnüssen gearbeitet, um Pferdehufe nachzustellen. Das hat aber wohl vor allem logistische Gründe, und gerade beim Wiehern gibt es keinen vollwertigen Ersatz für eine gute Original-Aufnahme. Es gibt aber viele andere Beispiele, wo unsere Vorstellung rein von der Unterhaltungsindustrie geprägt ist. Wenn zum Beispiel eine Filmfigur nervös mit der Pistole fuchtelt, und sie auf den Gegner richtet, gibt es immer ein bedrohliches metallisches Klackern. Dieses Geräusch existiert so nicht, typische Pistolen haben keine derart lockeren Teile. Dramaturgisch erfüllt der Sound aber voll und ganz seinen Zweck. Lässt man ihn weg, verliert die Szene viel von ihrer Dringlichkeit, und das fällt den meisten Menschen zumindest unbewusst auf.

Mit hohlen Kokosnusshälften werden Hufgeräusche von Pferden imitiert.

Hast du ein empfindlicheres Ohr, wenn du dir Filme ansiehst? Fällt dir schlechtes oder falsches Ton-Design auf?
Manchmal fällt es mir tatsächlich schwer, das kritische Hören im Kino abzustellen, und mich nicht von Details im Klangbild ablenken zu lassen. Je intensiver man sich mit einem Thema auseinandersetzt, desto mehr erkennt man natürlich Schwächen darin, und manche Sachen die mir früher gut gefallen haben, sehe und höre ich heute nicht mehr so gerne. Auf der anderen Seite lernt man besonders gute Arbeiten viel mehr zu schätzen, das ist in meinen Augen ein guter Tausch.

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Gibt es akustische Unterschiede zwischen den verschiedenen Pferde- und Vogelrassen? Inwiefern kannst du so etwas berücksichtigen?
Das führt uns wieder zu deiner vorherigen Frage. Für Ornithologen ist es deutlich mühsamer als für Soundexperten, sich Filme und Serien anzusehen. Bei Vogelarten gibt es so viele subtile und weniger subtile Unterschiede, dazu fehlt dem typischen Sound Designer schlicht die Ausbildung. Deswegen, und durch die weite Verbreitung von Sound Libraries aus aller Welt, sind in Film und Fernsehen regelmäßig südamerikanische Vögel im Schwarzwald zu hören, wie mir diverse leidgeprüfte Vogelexperten versichert haben. Das Thema wird ja auch in der von dir erwähnten Serie Togetherness angeschnitten. In dem Fall hat der Sound-Designer seine Hausaufgaben gemacht, der Regisseur stellt jedoch bewusst die Ästhetik des Klangs über den Realismus, indem er Wolfsgeheul statt dem geograpisch korrekten Kojoten verlangt.
Es gibt natürlich auch Produktionen, die großen Wert auf solche Details legen und nur Hintergrundgeräusche benutzen, die tatsächlich am fiktiven Ort des Geschehens aufgenommen wurden. Für ein 2. Weltkrieg-Spiel in die Normandie zu fahren, um Vogelgezwitscher aufzunehmen, ist aber leider im Normalfall nicht budgetiert. Hierfür gibt es Spezialisten wie Gordon Hempton, die Umgebungsgeräusche in aller Welt sammeln, und in mühsamer Kleinarbeit jeden Vogel und jedes Insekt protokollieren und recherchieren, um die Kollektionen dann an große und kleine Produktionshäuser zu lizenzieren.

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Bekommst du im Voraus Filmmaterial und editierst dazu die Töne oder machst du provisorisch einfach Geräuschaufnahmen aller Art und verschickst sie in die Welt?
Beides. Mein Hauptgeschäft ist Auftrags Sound Design und Game Audio Integration. Das heißt, ein Kunde hat zum Beispiel ein Spiel oder einen Werbespot der vertont werden muss. Spiele sind hier ein Sonderfall. Im Gegensatz zu Film oder TV, wo für einen linearen Bildablauf Ton erzeugt werden muss, sind Computerspiele ein interaktives Medium. Das heißt, wir können nie im Vorhinein wissen, in welcher Kombination unsere Klänge zu hören sein werden, da der Spieler selbst den Ablauf bestimmt. Je nachdem, auf welchem Untergrund die Spielfigur gerade auftritt, müssen andere Schritt-Sounds abgespielt werden, und auch nur dann wenn der Spieler gerade einen weiteren Schritt macht.
Was die Library Projekte angeht, machen wir tatsächlich Geräuschaufnahmen zu einem bestimmten Thema, und verschicken sie sozusagen in die Welt. Eine Ausnahme war hier die „Trains"-Library, ein Auftragsprojekt für den Film Snowpiercer, der zur Gänze in einem Zug spielt. Dieser Zug und andere Kulissen generell werden bei Dreharbeiten natürlich nicht dauernd realistisch bewegt. Darum muss man auch beim Sound tricksen und eigene Aufnahmen bereitstellen. Tatsächlich wird in Filmen fast jedes Geräusch, abgesehen vom Dialog, nachträglich vertont, da es am Set meist nicht möglich ist saubere Aufnahmen zu machen, selbst wenn sich der Zug oder das Auto wirklich bewegt.

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Wie sieht denn so eine Anfrage aus? „Wir brauchen dringend das Wiehern eines weiblichen Ponys?"
Genauso kann das aussehen, ja. Im Normalfall werden allerdings eher keine einzelnen Sounds bestellt. Der typische Kunde hat ein kleines oder großes Projekt, das komplett vertont werden muss. Da Sound Design kein alltägliches Thema ist, muss oft erst gemeinsam mit dem Kunden eine Liste erarbeitet werden. Zumindest bei Games, da durch die Interaktivität alles in Einzelsounds verpackt werden muss. Bei Video Projekten ist das strukturell einfacher, aber trotzdem empfiehlt es sich, in der Anfangsphase Stilfindungs- und generelle Beratungsgespräche zu führen, um nicht spät im Projekt zu merken das man alles falsch angegangen ist.

Was waren deine weirdesten Anfragen? Hast du auch schon welche abgelehnt?
Aufträge aus Fernost können für unser kulturelles Empfinden manchmal etwas schräg erscheinen, aber in der Spielebranche ist man ja einiges gewohnt. Ein außergewöhnliches Projekt für mich war eine interaktive Surround Sound Installation für ein Dänisches Museum, zum Thema Dinosaurier. Dafür habe ich auch mein liebstes Feedback bis dato bekommen: einer der Dino-Schreie war „too unrealistic for our paleontologists".

Für welche Filme/Spiele designst du Sounds?
Für Snowpiercer haben wir, wie bereits erwähnt, mit BOOM eine ganze Library produziert. BOOM-Soundeffekte werden mittlerweile von vielen großen Produktionshäusern verwendet. Dadurch kommen unsere Sounds in verschiedenen Blockbuster-Filmen oder Filmtrailern vor, wie zum Beispiel Guardians oft the Galaxy, Thor oder The Hobbit.

Am Ende des langen Stabes ist eine Blechdose befestigt, mit der Wasser in brennendes Öl gegossen wird.

Durch Dynamedion konnte ich an vielen bekannten Produktionen arbeiten, wie zum Beispiel den Spieleserien Sacred, Risen und Anno, oder dem großen US-Amerikanischen Projekt The Elder Scrolls Online . Zur Zeit betreue ich für Dynamedion mehrere Projekte vor Ort in Deutschland, aber leider ist das alles noch streng geheim. Ab und an verschlägt es mich auch in die Heimat nach Österreich. Durch Lukas Hasitschka von Sound42 habe ich zur Zeit die Gelegenheit, Sounds für Legacy Quest zu produzieren, das neue Mobile Game des Wiener Studios Socialspiel.

Hast du so etwas wie einen Lieblings-Sound?
Sollte man meinen, aber eigentlich habe ich keinen Lieblings-Sound. Es gibt gewisse Aufnahmen, über die ich mich immer wieder freue, wenn sie mir bei der Arbeit unterkommen. Bunt gemischte Sachen wie flatternder Stoff oder Barfuß-Schritte, die irgendeine besonders schöne Klangcharakteristik haben. Viel tiefer in meiner Psyche verankert sind allerdings Sounds, die ich hasse, wie zum Beispiel das Quietschen eines Luftballons zwischen den Händen. Aber auch so etwas wird mitunter bei mir bestellt, zu meinem großen Leidwesen.

Wie groß ist der Tondesigner-Markt? Gibt es irgendwo eine Hochburg?
Eine Hochburg ist definitiv das medien- und technologieaffine Kalifornien. Wo überproportional viele Filme, Spiele und Serien produziert werden, scharen sich natürlich auch die potentiellen Zulieferer. Insgesamt ist der Markt aber vergleichsweise überschaubar, und auch noch recht jung. Die großen Pioniere wie Walter Murch (Apocalypse Now) und Ben Burtt (Star Wars) sind immer noch aktiv, und sogar gelegentlich in den Foren gängiger Branchenwebsites anzutreffen. Aber obwohl es wenige Sound Designer gibt, ist die Konkurrenz stark, denn es gibt auch entsprechend wenige Jobs in einem so stark spezialisierten Bereich.

Philipp auf Twitter: @Phimiki