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Mode

Echte Superhelden ficken das Verbrechen

Hier haben wir einen Haufen erwachsener Männer und Frauen, die Kostüme tragen und in ihrer Freizeit dem Verbrechen den Kampf angesagt haben.
Jamie Clifton
London, GB

Hier haben wir einen Haufen erwachsener Männer und Frauen, die Kostüme tragen, Verbrechen bekämpfen und die Gleichgültigkeit unserer Gesellschaft mit ihrem guten Willen in den Arsch ficken. Sie versuchen, etwas zu bewirken, indem sie auf der Suche nach irgendwelchen Schwachköpfen, die der Gemeinschaft Schaden zufügen wollen, kostümiert durch die Nachbarschaft patrouillieren. Sie gründe Projekte wie diese „Wasser für Afrika“-Spendenaktion und organisieren weitreichende Maßnahmen für Obdachlose, um ihnen wieder auf die Beine zu helfen. Also, auch wenn es echt unglaublich leicht wäre, den Typen eins reinzuwürgen, weil sie scheinbar 30 Jahre zurück sind, Lycra tragen und sich die Brust auspolstern, leisten sie doch jeden Tag weitaus mehr Gutes als ich in meinem ganzen Leben, also will ich mich auch nicht darüber lustig machen.

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Fotograf Peter Tangen hat vor ein paar Jahren all diese verkleideten, verbrechensbekämpfenden Zivilisten um sich versammelt, Aufnahmen von ihnen gemacht und darüber hinaus den Namen „The Real Life Super Hero Project“ geprägt, um sie alle zu einer großen Gruppe zu zusammenzuführen. Ich verstehe ja den Teil mit der Gemeinschaft, der man helfen möchte, aber das mit den Kostümen irritiert mich immer noch ein bisschen. Peter erklärte die Outfits als eine Möglichkeit der Identifizierung, der Wiedererkennung, damit die Gemeinde sich auch daran erinnern kann, wer ihnen geholfen hat und ihn oder sie erneut finden könnte, wenn Hilfe gebraucht wird. Ich glaubte ihm, war aber immer noch der Meinung, das seien ein paar Comicbuchfanatiker, die sich genauso gern verkleiden, wie sie helfen wollen, also habe ich mit einigen der „echten“ Superhelden gesprochen, um dem auf den Grund zu gehen.

PHANTOM ZERO

VICE: Bist du aus eigenem Antrieb zum Superhelden geworden oder weil du vom „The Real Life Super Hero Project“ gehört hast und mitmachen wolltest?
Phantom Zero: Ich gehörte schon zur Geek-Kultur, aber als „echter“ Superheld angefangen habe ich, weil ich neugierig war, wer die sind und worum es denen geht. Damals habe ich nach ungewöhnlichen Wegen gesucht, gute Taten zu verrichten und schon bevor Phantom Zero existierte, war ich ein rechtschaffener Bürger—ich war immer sehr mitfühlend und besorgt um Menschen in schwierigen Situationen—aber ich hatte auch schon immer eine Vorliebe für Kostüme und vor über fünf Jahren wurden diese beiden Dinge eins. Ich habe mich also vorgestellt und eine ganze Menge über ehrenamtliche Arbeit und die altruistisches Verhalten, sei es von Verkleideten oder nicht, gelernt.

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Dein Kostüm hat klare Gothic-Elemente und viktorianische Bezüge. Was hat es damit auf sich?
Na ja, ich bin Fan dieser viktorianischen Ästhetik, der und von Schauerliteratur und ich wollte ein simples Farbschema, zum Beispiel Schwarz. Ein Großteil meiner Bekleidung ist schwarz und mein Kostüm war zusammengestückelt aus vielen bereits existierenden Kleidungsstücken, wie mein langer Wollmantel. Ich musste bei andere Elementen improvisieren, der behelfsmäßige Umhang und die Kapuze aus überflüssigen Klamotten, die ich besaß, und dann habe ich das Ganze mit ein bisschen weiß und rot aufgemotzt. Mein Kostüm hat sich mit der Zeit entwickelt, näher hin zu dieser viktorianischen Ästhetik, die ich liebe, aber alle Teile davon waren relativ günstig, denn es ist eben eher improvisiert und fake-viktorianisch, kein echter Kram. Keine meiner Masken hat mich mehr als $5 gekostet.

Wo wir schon von der Maske reden, dein Kostüm fällt definitiv unter die besonders einschüchternden bei den RLSH, wieso?
Bevor sich das Comicbuchgenre zu seiner heute bekannten Form entwickelt hat, gab es in der Literatur der viktorianischen Zeit Charaktere mit einem wirklich gruseligen Auftreten. Horror und das Mystische dieser Genres haben das Superheldentum geprägt, und ich stand schon immer darauf und wollte ein Bild kreieren, das theatralisch und mystisch zugleich war. Manche der „echten“ Superhelden haben bestimmte „Uniformen“ für öffentliche Auftritte und missions- oder strassenspezifische Outfits. Üblicherweise trage ich erstere Uniform zu Interviews oder Fotoshootings und letztere für die Blutspendenaktionen, Obdachlosenhilfe und unauffällige Missionen, die ein bisschen mehr Anstand verlangen.

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Cool. Superhelden müssen sich für die Arbeit also auch mal legerer kleiden. Wer hätte das gedacht? Was bedeutet dein Kostüm symbolisch für dich?
Ich denke, die offensichtlichste Symbolik liegt in meiner Totenschädelmaske, womit üblicherweise der Tod assoziiert wird, aber für mich hat sie mehrere symbolische Bedeutungen. Ein großer Teil meines Bedürfnisses danach, anderen zu helfen, kommt von meinem Wunsch, meinen verstorbenen Vater zu ehren, also ist es genauso sehr eine Maske der Trauer wie auch ein Memento Mori, sie erinnert mich daran, dass ich nur dieses eine Leben zu leben habe und dass ich es jeden Tag voll auskosten sollte. Wie auch immer, ich muss gestehen, ich trage sie auch mit Genuss und Freude. Die meisten heben sich das für Maskenbälle und Halloween auf, es ist ein schön, dass ich diesen Luxus viele Male im Jahr erlebe. Ein weiteres wichtiges symbolisches Element ist die Farbe Rot. Wir beide, meine Verlobte Nyx und ich, haben Rot zu unseren Kostümen hinzugefügt, haben ein ähnliches Farbschema als Symbol unserer Liebe gewählt, unserer Leidenschaft für das, was wir hier tun. Es steht auch symbolisch für Blut, denn wir beide spenden regelmäßig Blut, was wir mit Leben gleichsetzen.

MR. XTREME

VICE: Also, wie wichtig ist dein Kostüm für das, was du tust?
Mr. Xtreme: Mein Kostüm ist mir aus vielerlei Gründen sehr wichtig. Es hebt sich von der Masse ab und zieht Aufmerksamkeit auf die Dinge, zu denen wir eine entschiedene Meinung haben, lässt Empörung aufkeimen und lässt Leute ausflippen. Wir wollen mehr Menschen dazu bringen, darüber nachzudenken, wonach wir da draußen streben. Ich trage das Kostüm, weil es gut sichtbar ist und schließlich ist es eines unserer Hauptziele, eine visuelle Abschreckung für Verbrechen zu sein. Die Idee ist, dass die Bösewichte uns patrouillieren sehen und in unserer Gegenwart kein Verbrechen begehen. Das Kostüm ist sozusagen eine Art aktiver Protest. Wir drücken unseren Ärger und unsere Empörung über die Welt aus, indem wir uns in der Art uns zu kleiden unterscheiden und unsere Kostüme lassen uns selbst im Teamumfeld individuell auftreten. Mein Kostüm bietet auch einen guten Schutz, falls es da draußen einmal brenzlig sollten.

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Ja, es sieht aus, als wärst du ziemlich gut gepolstert. Haben der Aspekt eines Kostüms und die Aussicht darauf, Menschen zu helfen, schon einen Reiz auf dich ausgeübt, bevor du damit begonnen hast?
Ja, das Kostüm hat mich immer gereizt. Wie einige andere in dieser Szene stehe ich auf Comics und fiktive Superhelden, aber ich habe mich auch schon, seit ich klein war, ehrenamtlich engagiert—Kirchengruppen, Bürgerwehren, politische Gruppen und hier und da mal eine gute Tat. Der Gemeinschaft zu dienen, reizte mich schon, bevor ich mir irgendeine Art von Uniform anzog. Auch wenn mich mit meiner aktuellen Gruppe „The Xtreme Justice League“ sehr aktiv bin, gibt es noch andere ehrenamtliche Tätigkeiten außerhalb meines RLSH-Lebens.

Cool. Hast du dich unwohl gefühlt, als du das Kostüm zum ersten Mal getragen hast?
Als ich zum ersten Mal im Kostüm patrouillierte, war ich nervös. Ja, und das werde ich sogar heute noch manchmal. Es hat viele positive, aber auch einige negativen Seiten. Während unserer Patrouillen gibt es immer wieder Polizeikontakt, wir wurden verhaftet und es gab Gangmitglieder, die damit drohten, uns anzugreifen. Aber wir akzeptieren diese Dinge als Teil des Jobs.

Woher komme die Einflüsse zu deinem Kostüm?
Teenage Mutant Ninja Turtles, Power Rangers, SWAT und Punk und Hardcore.

Großartig. Gute Antwort.

GEIST

VICE: Hallo Geist. Was hat zunächst dafür gesorgt, dass du einen Anzug überstreifen und deinen Beitrag leisten wolltest?
Geist: Ich habe zahlreiche Gründe, weshalb ich ein „echter“ Superheld werden wolle, und sie alle sind Teile eines Puzzles. Als ich noch ein Kind war, war ich einem ungelösten Gewaltverbrechen ausgesetzt: Zwei Menschen, die ich kannte, waren brutal getötet worden und es schien so falsch, dass ein Doppelmord über Jahre unbestraft bleiben sollte. Als der Mörder 20 Jahre später gestand, war es dann jemand, den ich recht gut kannte, und der seine Opfer ganz willkürlich gewählt hatte. Es hätte auch meine Familie sein können. Er sagte, dass er „nur herausfinden wollte, wie es sich anfühlt, jemanden zu töten. Es war egal, wen.“

Wow, das ist ein guter Grund, Superheld zu werden. Was waren die anderen Gründe?
Na ja, ich war arm und hungrig und gut vertraut mit der Hoffnungslosigkeit und der Negativität, die daraus entsteht, und ich wollte diese negative Spirale stoppen und die Menschen wissen lassen, dass es immer noch Hoffnung gibt. Es gibt eine Chance, dass die Dinge sich bessern und es gibt Gründe, daran zu glauben und Menschen, die sich darum kümmern. 2007, als ich von dem kleinen Kreis der Personen erfuhr, die ihre originellen Masken aufziehen und sich wie Verbrechensbekämpfer verhalten, verkleidete Aktivisten, „echte“ Superhelden, da wusste ich, dass das meine Antwort für so viele Dinge war.

Cool, OK, jetzt Mode. Was ist mit deinem Kostüm los? Erkenne ich da einen Hauch Steampunk?
In meinem Kopf war das Konzept zunächst, mich von den Pulp-Detektiven inspirieren zu lassen.
Die hatten keine Superkräfte oder setzten sie kaum ein, und ich habe ja zweifelsohne auch keine, also habe ich mich an The Green Hornet, Doc Savage oder The Shadow orientiert. Indem ich Teile meiner recht wertvollen Comicbuchsammlung verkaufte, kam ich an etwas Geld. Damit wollte ich nach Minneapolis, um mir ein Kostüm zu kaufen. Auf dem Weg dahin kam ich an einem Western-Shop vorbei, der diese erstaunlich großen, schwarzen Cowboy-Hüte verkaufte. Ich interessiere mich nicht für Cowboy-Filme, aber Cowboys sind Ikonen der amerikanischen Kultur, also entschied ich mich, meine Pläne zu ändern und den Cowboy-Look zu tragen und kaufte einen Trenchcoat, der genug Taschen besaß, um die Ausrüstung, die ich mir vorgestellt hatte, zu transportieren. Dazu gab es dann noch ein paar schimmernde Klamotten-Highlights, um dem Superhelden-Flair gerecht zu werden, eine handbemalte Brille für meine Maske und ich kaufte ein Paar punkige Straßenstiefel. Außerdem ist fast jeder Teil des Anzugs ausgefeilt und bietet Platz für ein potentiell nützliches Gerät, das unsichtbar bleibt. Alles, was ich bei mir habe, ist in meinem Staat legal, aber einige der anderen „echten“ Superhelden waren ziemlich beeindruckt davon, was ich da in Sekundenschnelle alles rausgeholt habe. Voll bestückt wiegt der Mantel allein 7 Kilo.

Woah. Glaubst du, dieser Cowboy-Aspekt verleiht dem, was du zu tun versuchst, noch mehr Nachdruck?
Ja, es drückt einfach unmittelbar etwas aus und man weiß, dass da einige Werte und ein bisschen eigenbrötlerische Rechtschaffenheit dahinterstecken. Ein Cowboy will das Richtige tun, egal, was andere sagen oder denken. John Wayne oder Gary Cooper kämpfen allein gegen unüberwindbare Kräfte, um die Unschuldigen zu beschützen, obwohl sie eigentlich zur Vernunft kommen und nach Hause gehen sollten. Eine kleine Veränderung gab es dann zufällig noch, als ich meinen Hut hinter meinem Autositz verstaute, um ihn nach Bedarf jederzeit dabei zu haben. Der Hut wurde dann aber an einer Seite der Krempe zerquetscht und war daraufhin auf seltsame Weise verbogen. Ich wollte gerade versuchen, es wieder zu glätten, als ich merkte, dass es irgendwie wie bei den Musketieren aussah, also habe ich die versehentliche Optik beibehalten.

Gute Idee. Ich habe festgestellt, dass manche der anderen RLSH keine Masken tragen. Ist dir Anonymität wichtig oder wolltest du bloß eine coole Maske haben?
Nein, es ist ausschlaggebend, dass ich anonym bleibe und man mein anderes Ich nicht als Geist erkennt. Das könnte meine jahrzehntelange professionelle Karriere ruinieren. Hinzu kommt, dass manche der Anti-Graffiti-Aktionen für verschiedene Gangs der Region, in der ich arbeite, einen Angriff bedeuten und laut Gang-Kodex ist es ein Verstoß, der eine tödliche Reaktion rechtfertigt, wenn man die Gangs aufspürt und die Graffitis zerstört. Ich brauche keine Schießereien in der Nähe meines Zuhauses und die mir nahestehenden Menschen sollen sich nicht in irgendeiner Art von Gefahr befinden. Außerdem, für das bisschen Gute, das ich damit erreiche, brauche ich keine persönliche Auszeichnung. Für mich würde das die Motivation und den Zweck dessen, was ich mache, schmälern. Durch meine Verkleidung kann ich jeder sein—dein Nachbar, Bruder oder Postbote. Es ist vielleicht einfacher für die Leute, sich vorzustellen, sie selbst täten etwas selbstlos Gutes, wenn Geist anonym bleibt und nicht mit bestimmten Personen verknüpft ist. Auf diese Weise bin ich etwas mehr Ikone und nicht nur ein Typ mit einem eher komplizierten aber nicht alltäglichen Zivilleben.