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Ein einziges Mal sollten wir Gwyneth Paltrow und Chris Martin nicht verspotten

„Bewusstes Entkuppeln“ hört sich zwar extrem witzig an, tut aber trotzdem verdammt weh.

Foto von Hilary Weeks via Goop

Wenige Minuten, nachdem sich die Nachricht von ihrer Trennung im Internet verbreitet hatte, gingen die Scherze los. Hat sie sich endlich ein Coldplay-Album angehört? Wer würde das Sorgerecht für Beyoncé und Jay Z bekommen? Dann, als herauskam, dass Gwyneth Paltrow und Chris Martin ihre Scheidung auf Paltrows eigener Lifestyle-Website Goop bekanntgaben und den Vorgang als „bewusstes Entkuppeln“ beschrieben, ging die Häme erst so richtig los. Natürlich ging sie los. Es geht hier schließlich um eine Schauspielerin, die Goop auch dazu nutzt, einen Privatlehrer für ihre Kinder zu suchen, der ihnen an Wochenenden Altgriechisch, Japanisch, Philosophie, Tennis, Segeln und Schach beibringen soll, was den Kindern auf ihrer Privatschule niederträchtigerweise verwehrt wurde. Die Kinder waren zum Zeitpunkt der Annonce fünf und sieben Jahre alt. Er hingegen ist der Frontmann einer Band, die Millionen mit abgeschmackten, zu Tränen nötigenden Songs einsackt und der bereits live im Radio als Wichser beschimpft worden ist. Von Bono. Man muss sich nur mal vorstellen, wie demütigend sich das anfühlen muss, von Bono als Wichser beschimpft zu werden. „Bewusstes Entkuppeln“ hört sich nicht nur extrem witzig an, besonders wenn man sich vorstellt, was wohl das Gegenteil wäre, unbewusstes Entkuppeln: sich so zu betrinken, dass man sich nicht mehr daran erinnern kann, wie man eine 11-jährige Beziehung beendet. Nein, Gwyneth musste natürlich noch einen 2000-Wort-Aufsatz von zwei ihrer Gurus über die spirituellen Aspekte einer gesunden Trennung veröffentlichen. Dieser Aufsatz auf Goop enthält einige unerwartete Weisheiten über Insekten und ihre Exoskelette im Vergleich zu den Endoskeletten von uns Säugetieren. (Und dass es eine Zeit vor Millionen von Jahren gab, als die Flügel eine Libelle eine Spannweite von einem Meter hatten, was zu einer russischen Theorie führte, dass die Entstehung von Insekten ein gescheiterter Versuch der Natur war, eine höhere Bewusstseinsform zu erschaffen.) Aber neben all diesem biologischen Anthropologiegewäsch ist es wichtiger, dass zwei sehr berühmte Menschen, die zwei sehr menschliche Kindern haben, versuchen, weiterhin eine Familie zu sein; dass der Riss zwischen ihnen eher eine Naht ist.

Die Vorstellung einer gescheiterten Ehe, wie die Beziehung nun wohl genannt werden muss, ist jedoch so alt und grausam, dass ich die schönen neuen Worte „Bewusstes Entkuppeln“ bevorzuge. Wieso wird eine zehnjährige Ehe, die zwei Kinder hervorgebracht hat, als etwas bezeichnet, das „gescheitert“ ist? Früher starben Menschen mit 47, und heute ist es eben so, dass sie eine zweite Ehe eingehen. Wie Gwyneths Lifestyle-Seite neben all dem spirituellen Quatsch hervorhebt, hat sich der Zyklus des Leben verändert.    Menschen versagen nicht, Maschinen versagen. Eine Ehe ist keine Maschine, es gibt keinen großen Hauptgewinn, es gibt kein Scheitern. Kann man sich anmaßen zu sagen, die Ehe von Leonard und Virginia Woolf war vom Scheitern gekennzeichnet? Sie stand auf Frauen, sie hatten keine Kinder oder Geschlechtsverkehr. Eines Tages schrieb sie ihm einen Zettel, füllte ihre Taschen mit Steinen und sprang in einen Fluss. Trotz allem sind die Briefe, die sie sich über Jahre hinweg schrieben, die zärtlichsten Dinge, die ich jemals gelesen habe. „Du bescherst mir das größte Glück. Ich glaube nicht, dass zwei Menschen glücklicher sein könnten, als wir es waren“, schrieb sie ihm und das war nur ihr Abschiedsbrief. Ich verstehe, weshalb sich die Menschen im Moment über Goop amüsieren. Eine positive Einstellung ist sehr hilfreich im Leben, aber manchmal, nur manchmal, möchte man die perfekte, blonde Schauspielerin am Boden sehen und sie sagen hören, dass ihre Gefühle zersplittert sind wie eine Flasche Wein auf dem Boden. Dass ihre Zukunft grau ist. Dass ihr Gehirn schmerzt. Und dennoch hört sich „Bewusstes Entkuppeln“ tausendmal besser an als all die Dinge, die ich in meinem Leben vollbracht habe. Eine Liebesbeziehung zu der Person zu beenden, mit der man Kinder in die Welt gesetzt hat, ist ein Herzschmerz, den ich mir nicht im Entferntesten vorstellen kann. Man kann ihn nicht aus der Welt trinken oder sich mit einer anderen Person vergnügen, so dass er verschwindet.

Er wird immer da sein. Ein Gefühl, das man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünscht, obwohl man das auch nicht mehr tun muss, denn die Person, die man am meisten geliebt hat, hat nun diese Rolle übernommen. Wenn es Paltrow und Martin also schaffen sollten, sich „bewusst zu entkuppeln“, dann sollen sie uns das bitte allen beibringen. Ich zumindest will von ihnen lernen. Die wütende Stille kann sonst ein Loch ein dein Herz brennen.