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Ein Spa-Besuch mit einem Vermittler für europäische Faschisten

Ein Jobbik-Berater erklärt, warum Ungarn ein Paradies für französische Nationalisten ist.
Ferenc Almassy in Badehose
Alle Fotos vom Autoren

Alle Fotos: Autor Pierre Sautreuil, sofern nicht anders angegeben

Durch ein Wahlprogramm, das vom Kampf gegen Korruption, Zionismus, Homosexualität, die EU und die Roma-Bevölkerung geprägt ist, hat die ungarische Rechtsextremen-Partei Jobbik bei den Parlamentswahlen im April 20,4 Prozent der Stimmen für sich gewinnen können. Am 12. Oktober finden in Ungarn Kommunalwahlen statt und es sieht leider so aus, als würde Jobbik immer beliebter werden. Die Partei versucht, sich als die Affenkönige in Europas Dschungel der Rechtsextremen zu etablieren.

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Der 26-jährige Ferenc Almassy (sein Name wurde auf seinen Wunsch hin geändert) lebt seit vier Jahren in Ungarn. Er ist Halb-Franzose und Halb-Ungar—dadurch eignet er sich perfekt für den Job als ‚Mr. France‘. Er war das ganze vergangene Jahr damit beschäftigt, Beziehungen zwischen Jobbik und französischen Nationalisten aufzubauen und sie zu vertiefen. In und um Budapest gibt es mehr als 100 Spas. Deshalb dachte ich, dass es ganz gut passen würde, Ferenc in der Budapester Lukacs-Therme zu treffen. Dort wollte ich mir erklären lassen, wie er dazu kam, für die Interessen einer solch extremen Partei zu kämpfen.

VICE: Warum bist du von Frankreich nach Ungarn gezogen?
Ferenc Almassy: Paris hat mich in den Wahnsinn getrieben. Ungarn tut mir einfach viel besser und dazu ist es ein Land, in dem man keine Bedingungen erfüllen muss, um eine Chance auf einen Job zu bekommen. Vor meinem Umzug war ich hier jeder Jahr einen Monat lang zu Besuch. Mit 22 habe ich mich in eine Ungarin verliebt, die mich dann auch davon überzeugt hat, herzuziehen.

Hat Politik dich schon immer interessiert?
Ich habe mich nie einer bestimmten französischen Bewegung zugeordnet. Eine Zeitlang war ich Anarchist, wie wohl jeder andere wütende Teenager auch. Während meiner Arbeit auf dem Bau habe ich ein Ausmaß an Korruption gesehen, das ich nie für möglich gehalten hätte. Das hat meinen Hass auf den globalisierten Kapitalismus nur noch weiter verstärkt. Ich habe viel Zeit im Internet verbracht und hatte auch meine islamophobischen, meine xenophobischen und meine rassistischen Phasen. Schließlich habe ich mich mit den Rassentheorien beschäftigt, also der wissenschaftlichen Untersuchung der menschlichen Rassen. Ich glaube, dass ich dadurch auch aufgehört habe, Rassist zu sein.

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Warum hast du dich Jobbik angeschlossen?
Jobbik ist eine in Europa einzigartige Bewegung. Sie lehnt die liberale Welt sowohl wirtschaftlich als auch politisch und moralisch ab. So etwas gibt es in Frankreich nicht. Soweit ich weiß, vertritt keine Partei in Europa so einen intelligenten, ideologisch starken und vor allem realistischen Standpunkt. In Frankreich würde so eine Bewegung vielleicht ungefähr 20 Anhänger finden. Hier ist Jobbik die zweitstärkste politische Kraft und wir können trotzdem noch Reden halten, bei denen Marine Le Pen [Vorsitzende von Frankreichs größter rechtsextremen Partei Front National] vor Angst heulen würde.

Eine Jobbik-Kundgebung im Oktober 2012 in Budapest. Foto: Orlovic | Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Kannst du uns erklärten, was dein Job als Berater bei Jobbik alles umfasst?
Letztes Jahr habe ich als Dolmetscher angefangen, als Marton Gyöngyösi—Jobbiks Nummer Zwei—von einem Franzosen besucht wurde. Gyöngyösi ist für die internationalen Angelegenheiten zuständig und ich habe mir so sein Vertrauen erarbeitet. Er sagte mir, dass er es gut finden würde, wenn ein französisch-ungarischer Mitarbeiter die Geschehnisse in Frankreich „im Blick behält.“
Ich durchforste den französischen Pressespiegel und schaue, ob dort etwas über Jobbik geschrieben wird. Dazu erkläre ich ihnen bestimmte französische Gesellschaftsphänomene, die für einen Ungar nur schwer zu verstehen sind.

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Verstehe. Und du suchst auch noch nach frankophonen, ungarischen Nationalisten, die deine Sache unterstützen.
Diese Sache ist mir sehr wichtig. Ich nutze dafür die sozialen Netzwerke und treffe mich bei jedem Frankreichbesuch mit Gleichgesinnten. Ich hab das Milieu der französischen Nationalisten immer genau im Blick, will dabei aber keine offiziellen Bündnisse eingehen. Ich bin auch immer auf der Suche nach jungen Talenten. Die Welt ist ein Dorf—jeder kennt jeden. Wenn jemand ein paar Tage in Budapest verbringen will, dann kann er gerne bei mir übernachten. Ich zeige ihm die Stadt und stelle ihn den wichtigen Leuten von Jobbik vor. Ich werde hier keine Namen nennen, aber insgesamt war ich schon Gastgeber für gut 50 Mitglieder der großartigen französischen Nationalisten-Familie.

Mit welchen französischen Bewegungen würde Jobbik gerne zusammenarbeiten?
Das Problem in Frankreich ist folgendes: Die Parteien, die uns interessieren, wollen nicht mit uns in Verbindung gebracht werden. Und die, die das wollen, sind für uns keine ernstzunehmenden Partner. Seit Marine Le Pen das Sagen hat, will die Front National nichts mehr mit uns zu tun haben. Es gibt noch andere Gruppierungen, zum Beispiel Bloc Identitaire. Mit denen haben wir aber nichts am Hut.

Wie kam es zum Zerwürfnis zwischen Front National und Jobbik?
In Ungarn darfst du Dinge sagen, die in Frankreich verboten sind. Hier können wir uns offen als Anti-Zionisten darstellen, uns gegen Immigration aussprechen, die Demokratie anprangern und Ungarn als christliches Land deklarieren. Die Front National ist säkular, nicht offen anti-zionistisch und für geregelte Immigration.

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Jobbik ist für Remigration—Immigranten und deren Nachkommen werden wieder zurück in ihr Heimatland geschickt. Bevor Marine Le Pen zur Vorsitzenden der Front National gewählt wurde, hatte Jobbik dort den Ruf als junge Bewegung, die aber von der alten Garde geschätzt wird. Heutzutage verfolgen sie den Kurs einer Art Entdämonisierung: Sie müssen beweisen, dass sie sich geändert haben, deswegen auch der Abstand zu Jobbik. Das ist verständlich, aber auch sehr schade.

Wie siehst du die Entwicklung der nationalistischen Bewegung in Frankreich?
Seit der Dieudonné-Affäre und dem Tod von Clément Méric denkt in Frankreich jeder Nationalist, dass es dort ziemlich scheiße geworden ist. Wir werden immer heftiger stigmatisiert und das wird immer schwerer zu ertragen, macht uns gleichzeitig aber auch stärker. Viele wollen jedoch nichtmehr weiterkämpfen. Ich wurde sogar schon von ein paar Leuten kontaktiert, denen ich beim Umzug von Frankreich nach Ungarn helfen soll.

Kannst du mir das genauer erläutern?
Seit vier Jahren habe ich nun schon diese verrückte Idee vom Aufbau einer Gemeinschaft von französischen Nationalisten in Ungarn. Am Anfang wurde mir noch gesagt, dass das nie klappen würde, aber jetzt zeigen die Leute Interesse. Diese Leute trauern dem alten Frankreich hinterher und sehen dort für sich und ihre Kinder keine Zukunft mehr. Die Organisation würde französischen Nationalisten beim Umzug nach Frankreich helfen. Ungarn hat im Bezug auf Gemeinden eine sehr flexible Politik. Wenn sie mehr als 1000 Mitglieder hat, dann wird diese Gemeinde in Ungarn als französische Minderheit angesehen. Im Moment muss ich jedoch noch den gesetzlichen Rahmen des ganzen Unterfangens durchplanen.

Wie genau sieht deine Vorstellung dieser französischen Minderheit Ungarns aus?
Ich sehe Dörfer, deren Wirtschaft auf Handwerk, genossenschaftlicher Landwirtschaft und Energie-Autonomie basiert. Die ungarischen Bevölkerungszahlen gehen zurück und viele Dorfbewohner zieht es in die Hauptstadt. Es wäre toll, wenn sich die französischen Patrioten in diesen Dörfern niederlassen könnten. Natürlich ist auch Ungarn kein Paradies, aber für diese Menschen ist alles besser als Frankreich. Acht Leute, darunter auch eine junge Familie, ziehen jetzt als Teil dieses Projekts nach Ungarn. Einige haben sogar schon ihr Haus in Frankreich verkauft.

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