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Sex

Eine Chronologie von echtem Sex im Film

Wir haben uns mit einigen der sündhaftesten Aufnahmen der Filmgeschichte auseinandergesetzt—von der Masturbation im französischen Gefängnis bis hin zu einem Mutter-Sohn-Blowjob in einem amerikanischen Vorort.

‚Love' von Gaspar Noé | Foto: Benoît Debie

Wie du wahrscheinlich bereits mitbekommen hast, kommen in Gaspar Noés neuestem Machwerk Love, das am 1. Jänner in die österreichischen Kinos kommt, eine ganze Menge an nicht gestellten Sexszenen vor. Viele Leute, die sich selbst nicht im Geringsten als prüde bezeichnen würden, haben den Film bereits als einen Porno abgeschrieben, der einfach nur als Art-House-Kost verkauft wird. Was diese Kritiker allerdings wohl nicht ganz verstehen, ist die Tatsache, dass explizit dargestellter Sex zwar im amerikanischen Film durchaus etwas Besonderes ist, bei europäischen Filmfestivals aber gar nicht mal so ungewöhnlich ist.

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Vielleicht kann man von einer voreingenommenen Auswahl sprechen, aber es scheint so, als hätten in den letzten Jahren ungewöhnlich viele hoch angesehene Filme offen dargestellte Sexszenen enthalten—beispielsweise Nymphomaniac, Starlet oder Stranger by the Lake. Der Löwenanteil dieser Filme wurde natürlich in Europa produziert und nie großartig vermarktet. Wenn überhaupt, dann hat der Ruf von Nymphomaniac und jetzt auch Love als gewollte Nischenfilme den Marketing-Teams eher die Möglichkeit gegeben, die subversiven Inhalte auf zweideutige oder definitiv nicht jugendfreie Poster zu drucken.

Love ist dabei wohl der aktuellste Vertreter dieser Filme, aber garantiert nicht der erste. Um dich schon mal auf Noés provokatorisches 3D-Machwerk einzustimmen, haben wir uns mit einigen der sündhaftesten Sexszenen der Filmgeschichte auseinandergesetzt und sie zusammengefasst.



Ein frühes Beispiel ist der französische Kurzfilm Ein Liebeslied (Originaltitel: Un chant d'amour) aus dem Jahr 1950. Aufsehen erregte damals die voyeuristische Handlung, denn in Jean Genets Film geht es um einen Gefängniswärter, den es sexuell erregt, als er einem Häftling beim Masturbieren zusieht. Nach einer Auseinandersetzung mit besagtem Häftling muss der dann die Waffe des Aufsehers in den Mund nehmen. Genets Machwerk wurde nicht nur aufgrund der expliziten Darstellung von Selbstbefriedigung, sondern auch wegen der offen homosexuellen Untertöne verboten—für viele war vor allem der zweitgenannte Aspekt am problematischsten. Genet sollte zum Teil auch aufgrund dieser Kontroverse nie wieder Regie führen.

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Im Laufe der darauffolgenden Jahrzehnte schlugen mehrere andere europäische Filme in die gleiche Kerbe, egal ob nun aus Dänemark (Gift, 1966), Deutschland (Das Stundenhotel von St. Pauli, 1970) oder Schweden (They Call Us Misfits, 1968). Letztgenannter Streifen wurde dabei fast zensiert, aber dann schritt der Bildungsminister ein. Skandinavien dominierte eine Zeit lang den Markt und viele der damals erschienenen kontroversen Filme (besondere Erwähnung findet hierbei die siebenteilige Zodiac-Reihe) wurden im Grunde ganz normal aufgefasst: Sie wurden in großen Zeitungen rezensiert und nur ganz selten zensiert oder gar ganz verboten. 1970 verfilmte Jens Jørgen Thorsen Henry Millers Buch Stille Tage in Clichy und sparte dabei genau wie das Original nicht an Hardcore-Sexszenen. Bei seinem nächsten Projekt wäre er schließlich fast vom dänischen Filminstitut unterstützt worden, aber dann protestierte Papst Paul VI. gegen den blasphemischen religiösen Inhalt.

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In den USA war man hingegen nicht so offen. Dort war es John Waters, der nicht gestellten Oralsex auf die Leinwand brachte. Sein Film Pink Flamingos machte dabei nicht nur Divine zu einem Kultstar für mehrere Generationen, sondern wurde auch in normalweise offeneren Ländern wie Australien, Norwegen oder Kanada verboten. Als man Waters Machwerk in den USA anlässlich des 25. Geburtstags 1997 neu veröffentlichte, erhielt der Film die Einstufung „nicht jugendfrei". Abgesehen von der Hundescheiße-Szene war es wohl nicht akzeptabel, dass in Nahaufnahme gezeigt wird, wie Divine einen richtigen Blowjob gibt. Wer hätte das gedacht.

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Die wohl angesehenste Darstellung von echtem Sex ist wahrscheinlich Im Reich der Sinne, ein japanischer Film, den man als französische Produktion ausgab, um die japanischen Zensurvorschriften zu umgehen. Der Regisseur Nagisa Ōshima wurde in seiner Karriere wohl gleichviel mit Lob und Kritik überschüttet, aber bei keinem seiner anderen Filme war es so extrem wie hier. So stieß die freizügige Natur von Im Reich der Sinne bei den Zensurbehörden von beispielsweise den USA, England, Kanada, Portugal oder Japan nicht gerade auf Gegenliebe. Und trotzdem ist der Film heute in der Criterion Collection zu finden—auf der Website ist allerdings ein Disclaimer zu lesen: „WARUNG: DIESER FILM ENTHÄLT EXPLIZITE SEXUELLE DARSTELLUNGEN."


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Keinen so guten Ruf genießt Caligula, der einem aus den falschen Gründen im Gedächtnis hängen bleibt. Dabei ist der Film die wohl teuerste Produktion (17,5 Millionen Dollar im Jahr 1979) unserer Liste und enthält eine ausschweifende Orgie sowie mehrere explizite Sexszenen. Ein Jahr später warfen Al Pacino und William Friedkin mit Cruising ihren Hut in den Ring—Pacino spielt dabei einen Undercover-Polizisten, der eine Reihe von Morden in New Yorks Schwulenclub-Szene untersucht. Ein Großteil der eigentlichen Action spielt sich dabei im Hintergrund ab, kann aber trotzdem gut erkannt werden. Dem Ansehen, das sich Friedkin mit seinen prämierten Werken Brennpunkt Brooklyn und Der Exorzist erarbeitet hatte, tat Cruising allerdings nicht wirklich gut.

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Keiner dieser Regisseure machte jedoch eine solch fragwürdige Entscheidung wie Vincent Gallo, dessen kontroverser Film The Brown Bunny in einer Szene seinen Höhepunkt findet, in der Gallo als Hauptdarsteller von Chloë Sevigny oral befriedigt wird. Bei den Filmfestspielen von Cannes wurde der Film 2003 uraufgeführt auch auch gleich heftig in die Mangel genommen. Dieser Umstand führte zu einem heftigen öffentlichen Streit zwischen Gallo und dem Kritiker Roger Ebert, der das Lieblingsprojekt des Filmemachers als den schlechtesten Film bezeichnete, der jemals in Cannes gezeigt wurde. Daraufhin beleidigte Gallo Ebert als „fette Sau", was Ebert mit einem leicht veränderten Zitat von Winston Churchill konterte. Schließlich behauptete Gallo, Eberts Darm mit einem Fluch belegt zu haben, und Ebert meinte, dass er durch seine eigene Darmspiegelung besser unterhalten wurde als durch The Brown Bunny. Dieser Punkt geht eindeutig an Ebert.


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Der Film wurde zwar nicht von jedem Zuschauer so schlecht aufgenommen (später fand Ebert eine kürzere und neu geschnittene Version von The Brown Bunny sogar ganz gut), wird aber trotzdem auch weiterhin durch die eine explizite Szene definiert. Und genau das ist vielleicht das beste Argument gegen die freizügige Darstellung von Sex in Filmen: Das Ganze kann schnell ablenken und zum Schubladendenken führen. Die wahre Herausforderung liegt dann wohl darin, das Vermächtnis eines Films nicht von diesem Aspekt bestimmen zu lassen.

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Bei der Frage, ob expliziter Sex nun dem Kino gut tut, ist es wie so oft im Leben: Das kommt ganz darauf an. Bei aktuellen Beispielen schlägt sich dabei Starlet am besten, denn Sean Bakers einfach gehaltene Geschichte von einer Porno-Darstellerin profitiert von den clever geschnittenen Aufnahmen der Titelheldin bei der Arbeit (allerdings kommen hier Body-Doubles zum Einsatz). Wenn das Ganze funktioniert, dann sind solche Szenen für Handlung nicht von großer Bedeutung, für die allgemeine Stimmung jedoch unerlässlich. Die Frage der Schockwirkung oder der Ausbeutung kommt dann gar nicht erst auf. In anderen Worten heißt das: Der Sex dient der Erzählung und nicht dem Regisseur.