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Steueroasen: Ein Klassiker seit dem alten Rom

Die Geschichte von Steueroasen ist auf dem Höhepunkt angelangt und die Wirkung ist verheerend: ein historisches Level an Ungleichheit, bei dem die Armen zur Kasse gebeten werden und die Last ganzer Nationen schultern sollen.

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Foto: Images Money|Flickr|CC BY-SA 2.0

Steueroasen—eine erschreckende Erscheinung unserer Tage, die sich einmal quer durch unser modernes Finanzwesen gefressen hat und nun täglich Millionen von braven Bürgern überall auf der Welt in die Armut treibt? Oder vielmehr ein Trick, der so alt ist wie Geld an sich und mit dem sich seit je her die Eliten ihre Machtposition sicherten?

Während sich schon im alten Rom die Reichen ihre Wege suchten, um ihr Vermögen vor dem Zugriff der Behörden zu schützen, sind Steueroasen in der Form, wie wir sie heute kennen—also Länder oder Regionen, die den Wohlhabenden der Welt ein Rundum-Sorglos-Paket in puncto Steuer bieten und als Extra noch absolute Diskretion dazulegen—ein relativ junges Phänomen und vor dem 19. Jahrhundert nicht wirklich existent.

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Knapp 100 Jahre später ist diese Entwicklung offensichtlich auf dem Höhepunkt angelangt und die Wirkung ist verheerend: ein historisches Level an Ungleichheit, bei dem die Armen zur Kasse gebeten werden und die Last ganzer Nationen schultern sollen.

Schon die alten Römer hassten das Finanzamt

Um das stets angespannte Verhältnis zwischen Bürgern und Behörden in puncto Steuern zu verstehen, lohnt sich der Blick ins Römische Reich, wo die Steuereintreiber bekanntermaßen—ja, guckt mal in die Bibel, oder zumindest mal wieder Life of Brian—in etwa so verhasst waren, wie es heute wohl nur Anwälte oder das Finanzamt schaffen.

Die Untertanen Cäsars unternahmen so ziemlich alles, was ging, um ihr Geld zu verstecken und so mancher vergrub seine Wertsachen einfach schnell, während der Steuereintreiber schon vor der Tür stand. Doch dann merkte die Regierung wohl auf einmal, wie gut man das Verhältnis zu so manchen Bürgern bestimmen kann, indem man ein bisschen damit spielt, wie diese jeweils besteuert werden.

"Das antike Rom war meisterhaft im Umgang mit Steuerfreigebieten, einem frühen Vorläufer dessen, was wir heute als Sonderwirtschaftszonen kennen", erklärt die Offshore-Firma Sovereign Management and Legal Ltd mit stolzem Blick auf die lange Tradition ihres umstrittenen Geschäftsmodells und fügt an, dass "Rom seine Steuerpolitik oft nutzte, um Freunde zu belohnen und Feinde zu bestrafen. Städte, die sich der Verwaltungsmacht gegenüber loyal zeigten, erhielten zahlreiche Steuererleichterungen." Dafür mussten dann eben andere Orte die Zeche zahlen.

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Was sie dabei aber geflissentlich verschweigen, ist der Umstand, dass die hohe Steuerbelastung für einen kleinen Teil der Bevölkerung, der so mancher Verzweifelte um jeden Preis entgehen wollte, mittlerweile oft als Grund für den Untergang des Römischen Reichs angeführt wird.

Die Steueroase der Nazis

Ein paar Jahrhunderte später schuf der Untergang eines ganz anderen Weltreichs die Grundlage für eine der größten Steueroasen der Welt. Nach dem Sturz Napoleons wurde Europa 1815 auf dem Wiener Kongress neu geordnet. Dabei wurde einem kleinen Land die "immerwährende Neutralität" zugesprochen, womit zugleich der erste moderne Offshore-Finanzplatz geboren war. Die Rede ist von der Schweiz.

Seitdem hat der idyllische Alpenstaat sich nicht nur aus allen Kriegen herausgehalten, sondern wurde auch zu einem der beliebtesten Orte, an denen du dein Geld verstecken kannst; sicher verwahrt und gut behütet durch ein Bankgeheimnis, das seinem Namen alle Ehre macht.

Im 19. Jahrhundert wurde der Schweiz bewusst, dass ohne richtige Anbindung ans Meer—also ohne Handelsflotte oder Marine—Neutralität ihr großer Trumpf ist, um wirtschaftlich zu wachsen. Der Plan ging auf und das kleine Land, das seine hochwertigen Finanzdienstleistungen seit jeher mit "äußerster Diskretion" abwickelt, sah vor allem in Zeiten des Ersten Weltkriegs einen "massiven Geldfluss in Richtung Schweizer Banken", wie es der Financial Secrecy Index (FSI) beschreibt.

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"Dabei ging es nicht nur um eine sichere Aufbewahrung in der Schweiz, auch die Besteuerung in anderen Ländern hatte ihren Anteil an der Entwicklung", erklärt der FSI. "Während die Regierungen Europas die Steuern erhöhten, um die Rüstungsausgaben schultern zu können, waren viele reiche Europäer nicht wirklich gewillt, ihren Teil an den Kosten des Krieges zu tragen, und schafften ihr Geld einfach in die Schweiz."

Ein weiterer Weltkrieg später bescherte den Schweizer Banken einen weiteren großen Schwung, diesmal in Form der geraubten Reichtümer der Nazis—Geld, Kunstschätze und selbst das Gold, das man ermordeten Juden aus den Zähnen gebrochen hatte. Die Banker stellten keine Fragen, sondern verwahrten alles diskret und ungeachtet der allgemeinen Stimmung gegenüber Hitler und seinem Regime. Ganz professionell eben und stets mit der bekannten Diskretion, die seitdem Konzerne und Kriminelle gleichermaßen dazu animiert, ihr Geld in Offshore-Strukturen zu parken.

Warum in der Ferne schweifen?

Was aber, wenn man sich zu Hause am wohlsten fühlt und auch sein Geld gerne um sich weiß? Kein Problem, denn Deutschland steht in der Liste der weltweit schlimmsten Schattenfinanzplätze aktuell auf Platz 8—und damit deutlich vor Panama, das es nur auf Platz 13 geschafft hat. Der frühere Steuerfahnder Reinhard Kilmer sagte dem Spiegel gegenüber dazu "Die große Steuerhinterziehung findet nicht im Ausland statt, sondern hier bei uns".

Die Grundlage dafür ist gar nicht so weit entfernt von dem, was sich schon im alten Rom abgespielt hat. Denn Besteuerung ist in Deutschland eine lokale Angelegenheit und so gibt es zahlreiche Städte und Regionen, in denen es sich in dieser Hinsicht ziemlich entspannt leben lässt. So manche Provinzregierung hält eine laxe Anwendung der Gesetze noch immer für ein Mittel zur Standortförderung.

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Andernorts ist man allein schon aufgrund der Infrastruktur gar nicht in der Lage, eine ernsthafte Kontrolle durchzuführen. "Das Steuergeheimnis wirkt mit dem Föderalismus wunderbar zusammen", erklärte Markus Meinzer von der NGO Tax Justice Network die Problematik. Meistens reicht schon eine einfache Landesgrenze, um die Behörden zu überfordern; Bund und Länder haben bis heute nicht einmal eine gemeinsame Steuersoftware.

Mit ein bisschen Trickserei kann man also auch hierzulande ganz einfach im Dunkeln agieren, denn so richtige Angst vor dem Steuerprüfer brauchst du nicht zu haben, wenn du deinen Wohnort mit Bedacht wählst. In Bayern musst du als Kleinstbetrieb—und davon gibt es dort über eine Million—statistisch gesehen nur alle 250 Jahre überhaupt mit einer Kontrolle rechnen. Und auch im Norden lebt es sich als Millionär sorgenfrei, denn 2011 lag die Prüfquote für Einkommensmillionäre in Hamburg bei schlappen 4%. Bei Verjährungsfristen von vier bis zehn Jahren für Steuervergehen, scheint es hierzulande also recht entspannt abzugehen.

Steueroasen greifen um sich

Aber so ganz kann man sich dem Ruf der Ferne natürlich nur schwer verschließen. So steigerte sich schon Al Capones Partner Meyer Landski mit der Zeit immer weiter hinein in die komplizierten Wege, auf die er das Geld des berühmten Mafioso schickte. Anfangs schob er es einfach in die Schweiz, später kamen dann Kuba und die Bahamas ins Spiel, beschreibt es Steuerexperte Nicholas Shaxson.

Dieses exotische Flair und den Reiz einer Investition in der Ferne übt Deutschland übrigens auch aus—zumindest für manch andere Ecke der Welt ist es schließlich "Übersee". Vor allem deutsche Supermärkte und die Grundstücke, auf denen diese stehen, scheinen eine sichere und lukrative Investitionsanlage zu sein. Aber die Entwicklung hierzulande ist kein Vergleich zu dem Tempo, mit dem seit den 50er Jahren eine regelrechte Flut an Steueroasen und Briefkastenfirmen über die kleinen Staaten am anderen Ende der Welt gekommen ist.

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Steueroasen sind eine feste Größe der modernen Wirtschaft geworden und "strecken ihre Fühler nach so ziemlich allem aus, was geht", so Shaxson.

Auch wenn die große Sorglosigkeit allem Anschein nach vorbei ist. Diesen April veröffentlichten mehr als 400 Journalisten aus der ganzen Welt das wohl größte Datenleck der Geschichte: Vertrauliche Unterlagen von Mossack Fonessca, dem viertgrößten Offshore-Dienstleister der Welt, die Verstrickungen von Staatsoberhäuptern und Politikern aus 143 Ländern offenlegen.

Die als #PanamaPapers bekannten Unterlagen, deckten ein geheimes Netz aus Briefkastenfirmen und Offshore-Finanzplätzen auf, das einzig und allein dazu dienen sollte, den Wohlstand der Reichen und Mächtigen zu sichern. Wer etwas zu verbergen hatte, der hatte hier die Lösung für seine Probleme.

Der Aufschrei der geprellten Bevölkerung war groß, Islands Premierminister sah sich zum Rücktritt gezwungen und auch Großbritanniens Regierungschef David Cameron musste sich unangenehmen Fragen zu den Geschäften seines Vaters stellen, während die russische Regierung jedwede Kritik an ihrem Staatsoberhaupt einfach als lächerlichen Versuch einer diskreditierenden Propaganda abtat—nicht wirklich überraschend. Und hierzulande? Auch wenn Angela Merkel in dieser Hinsicht wohl sauber geblieben ist und sich auch sonst keine bekannten deutschen Politiker auf der langen Liste fanden, so hatten allein deutsche Banken nahezu 1.200 Briefkastenfirmen in Übersee gegründet.

Dieser Artikel wurde durch Sony Pictures 'Money Monster' möglich gemacht. 'Money Monster' läuft jetzt im Kino.