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Eine Führerin des Satanic Temples hat ihre Abtreibung gebloggt

Jex Blackmore, Leiterin des Satanic Temple in Detroit, hat über ihre Abtreibung geschrieben, um Einblicke in ein Thema zu liefern, über das ansonsten geschwiegen wird.

Jex Blackmore vom Satanic Temple. Foto mit freundlicher Genehmigung von Jex Blackmore

Dieser Artikel ist zuerst auf Broadly erschienen.

„Die Entscheidung anstatt einem, zwei Menschen zu werden, ist eine riesige. Manchmal ist es dafür der richtige Zeitpunkt und manchmal ist es das nicht. Dies ist einer der Fälle, wo es nicht passt", schreibt Jex Blackmore, die Leiterin der Detroiter Abteilung des Satanic Temple. Blackmore hat am 26. November (genau zu Thanksgiving) eine Abtreibung durchgeführt und den Prozess detailliert—von der ungeplanten Schwangerschaft bis zur Genesung—auf „Unmother" beschrieben. Blackmore und der Satanic Temple sind entschiedene Verfechter reproduktiver Frauenrechte und setzen sich für die Trennung von Kirche und Staat ein.

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Sie hatten sich strategisch für die URL crisispregnancymichigan.com entschieden, in der Hoffnung, dass schwangere Frauen, die auf der Suche nach Informationen zu einer Abtreibung auf ihrer Webseite landen, anstatt auf der Seite eines Crisis Pregnancy Center (CPC), die bekannt dafür sind, sich als Gesundheitszentren für Frauen auszugeben. In Wirklichkeit steckt hinter CPC eine religiöse Interessengruppe, die jungen Schwangeren voreingenommene Informationen aufdrückt, um sie von einer Abtreibung abzuhalten.

Blackmores „Crisis Pregnancy"-Seite enthüllt hingegen, wie es wirklich ist, zum ersten Mal abzutreiben. Auf ihrem Blog erklärt sie die aktuellen und bevorstehenden Abtreibungsgesetze des Bundesstaats Michigan, die Kosten einer Abtreibung (800 Dollar, also ca. 730 Euro), wie eine eingeleitete Fehlgeburt abläuft und wie es einer danach ergeht. Broadly hat sich mit ihr telefonisch unterhalten, um mehr über das Projekt zu erfahren.

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BROADLY: Wie geht's dir? Laut deinem Blog sind seit deiner eingeleiteten Fehlgeburt jetzt 11 Tage vergangen?
Jex Blackmore: Richtig. Vor zwei Tagen war der erste Tag, an dem ich mich etwas besser gefühlt habe. Jetzt fühle ich mich mehr wie ich selbst. Ich muss morgen zur Untersuchung, um sicherzugehen, dass innerlich alles in Ordnung ist. Danach schreibe ich dann den letzten Eintrag.

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Du gehörst zum Satanic Temple und setzt dich schon lange für die reproduktiven Rechte der Frau ein. Auf deinem Blog erwähnst du kurz den Augenblick, als dir aufging, dass du von einer Aktivistin zu einer Frau wurdest, die selbst eine Abtreibung brauchte. Wie hat sich dieser Übergang angefühlt?
Es war wirklich surreal, denn ich habe mich so sehr auf reproduktive Frauenrechte konzentriert und über die Informationen nachgedacht, die Frauen zugänglich gemacht werden, wenn sie eine Abtreibung brauchen. Anfangs habe ich nicht geglaubt, dass ich schwanger bin. Ich hatte mich für diese „Anderen", für diese fremde Frau, die eine Abtreibung braucht, eingesetzt, und dann war ich plötzlich selbst diese Frau.

Wann hast du dich dazu entschieden, darüber zu bloggen?
Nachdem ich erfuhr, dass ich schwanger war, hat es ein paar Tage gedauert, bis ich es wirklich realisiert hatte. Aber es war sehr offensichtlich, dass ich schwanger war, denn ich hatte meine Tage nicht gekriegt und mein ganzer Körper schmerzte. Es gibt online nur sehr wenige Informationen über die Gefühle, die ich als Schwangere auf dem Weg zu einer Abtreibung durchgemacht habe. Niemand spricht darüber, wie es wirklich ist, eine Abtreibung vorzunehmen. Ich stellte fest, dass es so gut wie keine Infos und Ressourcen über die Wochen vor dem Eingriff gibt. Also dachte ich, dass ich diese Lücke vielleicht schließen könnte, indem ich darüber schreibe.

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Ja, wenn man schwanger ist und vorhat, ein Kind zur Welt zu bringen, dann gibt es eine Fülle von Informationen dazu. Es gibt dafür eine ganze Industrie, aber niemand sagt einem, wie man am besten abtreibt.
Als ich in die Klinik gegangen bin, um mir den Vorgang erklären zu lassen, habe ich erfahren, dass so viel mehr dazugehört, als ich je erwartet hätte. Aber für die Leute in der Klinik ist es irgendwie Routine. Sie reden zum Beispiel schön, wie schmerzhaft es sein kann, oder wie lange man braucht, um sich zu erholen. Ich denke manchmal, dass es in der Bewegung der Abtreibungsbefürworter eine unterbewusste Tendenz gibt, die harten Details zu beschönigen. Ich denke, viele haben Angst, zur Hysterie ums Thema Abtreibung beizutragen. In Wirklichkeit sind die Schmerzen nicht allzu schlimm, aber wir sprechen einfach nicht darüber, was alles zu einer Abtreibung gehört—körperlich zumindest.

Wie waren die Schmerzen, nachdem du die Fehlgeburt eingeleitet hast?
Nun, im Grunde wird der Geburtsvorgang eingeleitet. Du bekommst Wehen. Die Erfahrung ist für jede Frau ein bisschen anders, aber ich kenne mehrere Frauen, die mir gesagt haben, ihre Erfahrung hätte meiner geähnelt. Die Schmerzen fühlen sich anfangs an wie normale Menstruationskrämpfe, aber dann werden sie intensiver, tiefer. Es ist auf jeden Fall aushaltbar, aber etwa eine Stunde, bevor Schwangerschaftsgewebe herauskam, hatte ich einen quälenden Schmerz. Es war wirklich intensiv, aber es ist so schnell verschwunden, wie es kam. Es gab kein langsames Abflauen der Schmerzen. Es hat einmal richtig wehgetan und dann war es vorbei.

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Michigan ist ein Bundesstaat, in dem es für Frauen, die eine Abtreibung wünschen, ganz schön viele gesetzliche Einschränkungen gibt. Kannst du mir erzählen, was du tun musstest, bevor du abtreiben konntest?
Es gibt eine gesetzlich vorgeschriebene 24-stündige Wartefrist. Ich musste eine Klinik kontaktieren und dann musste ich die Unterlagen zur informierten Einwilligung entweder abholen oder ausdrucken. Ich musste bestätigen, dass ich alles gelesen hatte. Dieses Material wurde vom Bundesstaat verfasst, nicht von Medizinern, und es enthält irreführende Informationen. Wenn ich das Material für eine Kürettage oder irgendeinen anderen Eingriff als den tatsächlich geplanten ausgefüllt hätte, dann hätten sie mich abgewiesen.

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In Michigan müssen Krankenversicherungen auch nicht für Abtreibungen zahlen [das ist Teil des Abortion Insurance Opt-Out Act]. Damit musste ich mich nicht plagen, aber viele Frauen müssen das. Viele Krankenversicherung in Michigan decken Abtreibungen nicht ab, also muss man dafür eine zusätzliche Versicherung kaufen. Es ist wirklich eine zusätzliche Belastung für Frauen, diese Versicherung im Vorfeld kaufen zu müssen, falls sie irgendwann einmal eine Abtreibung brauchen sollten.

Zusätzlich sind Abtreibungskliniken so vielen Regelungen unterworfen, dass es in gewissen Countys in Michigan kaum welche gibt. Ich habe einfach Glück, dass ich in der Nähe von Detroit lebe, wo es eine Handvoll Adressen gibt. Wir arbeiten sogar schon an einem Forschungsprojekt, das Informationen zu den Abtreibungskliniken im Bundesstaat liefern soll. Im Moment gibt es weniger als 50 Kliniken in ganz Michigan, die Abtreibungen durchführen. Zum Vergleich: Es gibt etwas mehr als 100 „Crisis Pregnancy Centers" in Michigan.

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Niemand spricht darüber, wie es wirklich ist, eine Abtreibung vorzunehmen. Ich stellte fest, dass es so gut wie keine Infos und Ressourcen über die Wochen vor dem Eingriff gibt.

Arbeitet der Satanic Temple noch an irgendwelchen neuen Projekten, die mit reproduktiven Rechten zu tun haben?
Wir hoffen, dass dieses Projekt hier weiter wächst und Frauen auf eine Quelle für ordentliche Informationen umleiten kann. Wir sammeln seit einiger Zeit Informationen über sichere Kliniken, denen Frauen vertrauen können. So lässt sich zum Beispiel vermeiden, dass sie versehentlich bei einem CPC landen. Wir haben auch Infos von CPCs gesammelt, die wir scannen und auf die Seite hochladen, damit die Leute sehen können, was sie für Propaganda verbreiten. Wir arbeiten auch an einem Ratgeber für Frauen, damit sie sich in dem System besser zurechtfinden und wissen, womit sie gesetzlich rechnen müssen. In Michigan müssen Mädchen unter 18 zum Beispiel die Zustimmung ihrer Eltern einholen—für Jüngere ist es also ein ganz anderer Prozess.

Mir war bis vor Kurzem gar nicht klar, wie hinterhältig diese CPCs sind. Haben diese Zentren mit ihrer Strategie denn Erfolg?
Sie sind relativ erfolgreich. Ich weiß, dass ihre Websites unheimlich irreführend sind—eine bestimmte bietet zum Beispiel eine Wegbeschreibung von jedem Uni-Campus in der Region zu dieser Klinik. Du weißt schon, wie sie werben: „Bist du schwanger? Hast du Angst? Wir können helfen." Es wird nicht erwähnt, dass sie dir keine Informationen zu Abtreibungen geben. Das Klinikpersonal ist nicht einmal medizinisch ausgebildet. Das sind einfach ehrenamtliche Kirchenmitglieder oder so. Das wird alles versteckt.

Es gibt im Umkreis von ein paar Kilometern um die Klinik, zu der ich gegangen bin, mehrere CPCs. Ich hatte sogar eine Rezension von meiner Klinik gelesen, in der die Person schrieb, sie sei versehentlich bei einem CPC gelandet, bevor sie die Klinik gefunden hätte. Sie musste sich dort Propagandavideos ansehen, bis ihr klar wurde, dass sie am falschen Ort war. CPCs ähneln tatsächlichen Kliniken sehr. Das war nur eine Rezension, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass andere Frauen auf dieselbe Art in die Falle gehen.

Hast du auf dein Projekt irgendwelche Reaktionen bekommen, die dich überrascht haben?
Was mich bei diesem Projekt wirklich erstaunt hat, war die Menge an positiven Reaktionen, die ich von anderen Frauen bekommen habe, die vorher noch nie über ihre Erfahrungen gesprochen hatten. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass Frauen die Möglichkeit haben, ihre Abtreibungsgeschichten anonym zu teilen. Ich habe vor, in den nächsten Tagen auf der Website einen Bereich dafür einzurichten. Ich weiß, dass es das Projekt #ShoutYourAbortion gibt, das dem hier sehr ähnelt, aber ich finde, dass der gesamte Prozess, der im Vorfeld der Abtreibung passiert, ein Teil des Dialogs sein sollte.