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Jeden Tag 4/20

Nein, man kann immer noch nicht an einer Cannabis-Überdosis sterben

Vor Kurzem rauchte die 31-jährige Mutter dreier Kinder Gemma Moss einen halben Joint, um besser einzuschlafen—und wachte nie wieder auf.

Was wir wissen: Vor Kurzem rauchte die 31-jährige Mutter dreier Kinder Gemma Moss einen halben Joint, um besser einzuschlafen—und wachte nie wieder auf. Ein tragischer Tod, der sofort für aufgekratzte Boulevard-Schlagzeilen sorgte, in denen sie als „die erste britische Frau, die von Cannabis tödlich vergiftet wurde“ bezeichnet wurde.

Als wäre gerade irgendein unglaublicher Rekord aufgestellt worden.

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Die Schlagzeilen hätten eigentlich noch viel weiter gehen und aus der armen Frau Toss gleich „die erste Person der Geschichte, die an einer Marihuana-Überdosis stirbt!“ machen können. Angesichts der Tatsache, dass Menschen diese Pflanze in der ein oder anderen Form schon seit 10.000 Jahren zu sich nehmen, wäre das tatsächlich eine ziemlich sensationelle Meldung. Vor allem, da bereits wissenschaftlich bewiesen wurde, dass man für eine tödliche Überdosis deutlich mehr Marihuana konsumieren müsste als einen halben Joint.

Nehmen wir zum Beispiel die Entscheidung des Verwaltungsrichters der amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA, Francis Young, aus dem Jahre 1988:

Drogen, die in der Medizin benutzt werden, werden routinemäßig einem sogenannten LD-50 unterzogen. Die LD-50-Bewertung gibt an, bei welcher Dosierung fünfzig Prozent der Tiere, die eine Droge verabreicht bekommen haben, an den toxischen Folgen sterben. Eine Reihe von Forschern hat erfolglos versucht, den LD-50-Wert für Marihuana anhand von Versuchstieren festzustellen. Vereinfacht gesagt konnten die Forscher den Tieren nicht genug Marihuana geben, um ihren Tod herbeizuführen.

Gegenwärtig wird geschätzt, dass der LD-50-Wert von Marihuana um 1:20.000 oder 1:40.000 liegt. Für Laien bedeutet das, dass ein Raucher 20.000 oder 40.000 mal soviel Marihuana konsumieren müsste wie in einer Marihuana-Zigarette enthalten ist, um den Tod herbeizuführen… ein Raucher müsste theoretisch an die 1.500 Pfund Marihuana innerhalb von 15 Minuten konsumieren, um eine tödliche Reaktion hervorzurufen.

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Wenn also die DEA, die bekanntermaßen kein Freund von Marihuana ist, eine tödliche Überdosis für praktisch unmöglich hält, und wenn selbst die fanatischsten Drogenfeinde der Welt keine einzige medizinisch bestätigte tödliche Überdosis vorweisen können, wie zum Henker sind wir dann bei den Schlagzeilen der letzten Woche gelandet? Ist es möglich, dass Gemma Ross sich einen 3000 Pfund schweren Joint gebaut und ihn dann in einem Rutsch zur Hälfte geraucht hat?

Die Presse hat zwar über die genaue Größe des Joints geschwiegen, aber man kann sich schwer vorstellen, dass es überhaupt ausreichend große Papers gibt. Stattdessen verließen sich all diese atemlosen Meldungen auf die Weisheit eines Kleinstadt-Leichenbeschauers und eines örtlichen Pathologen, die ein vielleicht etwas unterentwickeltes Verständnis der Effekte von Marihuana auf den menschlichen Körper gemeinsam hatten.

„Die Autopsie ergab keinen natürlichen Grund für ihren Tod“, schrieb Sheriff Payne, der Leichenbeschauer von Bornemouth, in seinem Bericht. „Es scheint umso wahrscheinlicher, dass sie an den Folgen von Cannabis starb.“

Der anwesende Pathologe Dr. Kadir Hussein fügte ergänzend hinzu: „Die physische Untersuchung und die Prüfung verschiedener Organe, inklusive des Herzen und der Leber, ergab keine Abnormalität, die ihren Tod erklären könnte. Der Anteil von Cannabinoiden in ihrem Blut betrug 0,1 bis 0,15 Milligramm pro Liter; was als gemäßigter bis schwerer Cannabiskonsum angesehen wird. Ich bin durch die Bücher gegangen: Es ist weithin bekannt, dass Cannabis eine sehr niedrige Giftigkeit besitzt. Es gibt aber Berichte, laut denen Cannabis als Todesursache angesehen werden kann, weil es Herzstillstand auslösen kann.“

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Haben sie die Todesursache also als „Herzstillstand“ angegeben?

Nein, weil sie vorher selbst deutlich festgestellt haben, dass es dafür keine Beweise gibt.

Haben sie die Todesursache als „Cannabisvergiftung“ angegeben, wie es in den Medien hieß?

Nein, weil sie ebenso deutlich festgestellt haben, dass es dafür keine Beweise gibt. Es gibt allerdings eine Menge Beweise dafür, dass eine solche Vergiftung wissenschaftlich unmöglich ist.

Stattdessen kamen sie zu dem Schluss, dass die Todesursache „Cannabismissbrauch“ gewesen sein musste. Natürlich gab es auch hierfür keinerlei Beweise, aber den Autoritäten fiel keine bessere Erklärung für den plötzlichen Tod einer scheinbar gesunden Frau ein. Warum nicht dem Joint die Schuld geben?

Selbstverständlich gaben ihnen nicht alle Experten recht.

„Es gibt in der gesamten Geschichte keinen bestätigten Bericht über einen Tod durch Cannabis“, erklärte Dr. Alan Schackelford, ein in Harvard ausgebildeter Arzt und führender Marihuana-Befürworter in Colorado der Denver Post. „Cannabis kann den Herzschlag beschleunigen, die Möglichkeit besteht, dass es jemandem mit vorhandenen Herzkrankheiten Probleme bereiten könnte—zum Beispiel jemand mit erhöhter Herzfrequenz. Aber es ist keine Dosis Cannabis bekannt, die einen Menschen töten könnte … es kommt immer wieder zu unerklärlichen Todesfällen. [In diesem Fall] ist das Cannabis reine Ablenkung, ein Zufallsfund … Ich habe keine Ahnung, was ihren Tod verursacht haben könnte, aber ich kann mit fast hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass es nicht das Cannabis war, das sie umgebracht hat.“

David Nutt, der ehemalige Vorsitzende des Beirats für Drogenmissbrauch der britischen Regierung, schließt immerhin nicht völlig aus, dass Cannabis irgendeine kleine Rolle in Gemma Moss‘ Ableben gespielt haben könnte. Aber er sagt auch, dass ein derartig „außergewöhnlicher Todesfall“ nichts an unserer Einschätzung der unglaublichen Sicherheit dieser Pflanze ändern sollte.

„Ich kann die Überzeugung des Pathologen, dass Cannabis Gemma Moss umgebracht hat, nicht einmal ansatzweise nachvollziehen, aber ich ihm auch nicht direkt widersprechen“, schrieb Nutt auf dem Blog seines Unabhängigen Wissenschaftlichen Drogenkommittees. „Jede Menge von Cannabis, die man konsumiert, wie auch alle anderen Drogen, wie auch eine Vielzahl von Aktivitäten, belastet den Körper in gewisser Weise. Cannabis gibt dem Herzen ein kleines bisschen mehr Arbeit und beeinflusst subtil dessen Frequenz und Rhythmus. Jede kleine Anstrengungen kann für den Körper der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Frau Moss litt unter Depressionen, was von sich aus das Risiko für plötzlichen Herztod erhöht. Es ist plausibel, dass die durch den Joint ausgelöste kleine Zusatzbelastung einen einzigartigen, extrem unwahrscheinlichen Herzstillstand ausgelöst hat, genauso wie uns das von Sport, Sex, Saunas und sogar Anstrengungen auf der Toilette bekannt ist.“

Wozu man als besorgter Bürger eigentlich nur noch sagen kann: ohne Scheiß.