Fotos von Zeug aus Wiener Euroshops

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Fotos von Zeug aus Wiener Euroshops

"Auch wenn Sie nichts brauchen, bei uns finden Sie es!"

Euroshops sind so was Ähnliches wie Tumblr, nur im echten Leben. Heißt: Ein wahr gewordener, feuchter Internet-Traum, irgendwo zwischen Ramsch und Glamour, Kitsch und Proleten-Chic, Seapunk und Schokolade. Gab es einst allein auf der Mariahilfer Straße zwei solcher Trash-Tempel (R.I.P. Allerlei), sind die verbliebenen Wiener Euroshops heute zwar noch recht einfach zu finden—aber eben nie dann, wenn man gerade schuldbewusst aus dem H&M kriecht, auf der Suche nach Trost, den in diesem Moment nur eine goldene Delfin-Uhr um drei Euro spenden kann.

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Nein, um Wiens letzte Krempel-Oasen in all ihrer Pracht erleben zu können, muss man sich heutzutage ganz bewusst auf den Weg dorthin machen. Einer dieser Wege führt etwa in die Taborstraße. "Lauf & Kauf" heißt eines der dort angesiedelten Geschäfte—der Name ist Programm. Das Sortiment (u.a. Britney-Sticker aus dem Jahr 1999!) ist hier ebenso spektakulär wie auch der Slogan, der es irgendwie schafft, den Spirit der Euroshop-Kultur in einem einzigen Satz einzufangen: "Auch wenn Sie nichts brauchen, bei uns finden Sie es!".

Dort, auf gefühlten 200 Quadratmetern abgetretenem Fliesenboden, zwischen Kunstblumen-Bouquets und Batik-Crocs, übermannt einen sofort dieser stechende Plastik-Geruch, der sich—so gedankenlos das vielleicht auch wirken mag—nur mit einem einzigen Wort treffend beschreiben lässt: Billig. Aber auf die gute, die aufregende Art.

Links und rechts von einem, auf so engem Raum, dass man sich kaum bewegen kann, ohne dabei versehentlich eine Sissi-Schneekugel runterzuschmeißen, erheben sich Berge aus unnötigem Krimskrams, die nur darauf warten, auf seltene Schätze durchforstet zu werden. Tipp: So lange wühlen, bis man beim näheren Betrachten eines Artikels an einen Punkt gelangt, an dem man sich fragt: Ist das saugeil oder schirch? Und sobald man sich dessen auch nur für eine Sekunde nicht mehr hundertprozentig sicher ist, hat man die Gewissheit, dass es in der Tat saugeil sein muss. Wie zum Beispiel ein Bügelmotiv aus Strass mit dem simplen, aber dennoch effektiven Statement "Cocaine".

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Generell lässt leider sich sagen, dass es eigentlich kaum noch 1-Euro-Shops gibt, in denen tatsächlich alle Produkte um einen Euro verkauft werden. Dieses Konzept gab es zwar mal—und hat den Arbeitskräften an der Kassa wahrscheinlich einiges an Arbeit erspart—, mittlerweile verweisen jedoch immer öfter Bezeichnungen wie "1 Euro Plus" oder offener gehaltene Namen ("Billig und gut") möglichst subtil darauf, dass es sich hierbei zwar um einen Euroshop handelt, es jedoch auch haufenweise überteuerten Scheiß gibt.

Die meisten giftgelben 1-Euro-Kirchen gibt es in Wien wohl auf der Reinprechtsdorferstraße, die Thaliastraße hingegen stellt sich entgegen aller Erwartungen in Sachen Ramschläden eher als Pleite heraus—hier finden sich auch nach längerer Suche nicht mehr als zwei, deren Trash-Gold-Faktor man allerhöchstens noch als "OK" bezeichnen kann. Viel zu ordentlich die Regale, viel zu nützlich die Produkte im Sortiment. Falls ihr allerdings auf der Suche nach einem neuen Toaster seid, nichts wie hin.

Bevor das große Wiener Euroshop-Sterben—das wir übrigens ab jetzt als solches ausrufen—seine nächsten Opfer fordert, haben wir gemeinsam mit Julie Brass ein paar unserer Lieblings-Stücke für euch gesammelt, drapiert, fotografiert und dann behalten. Ha! Gern geschehen.

Mehr Fotos von Julie unter juliebrass.com
Franz auf Twitter: @FranzLicht