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So feiert Chinas superreiche Schnöseljugend

In China ist Bescheidenheit keine Zier, sondern führt dich direkt in die soziale Isolation.

Fotos von Marc Ressang

China hat sich ziemlich gut von der globalen Finanzkrise erholt und verfügt über die am schnellsten wachsende Wirtschaft auf der ganzen Welt. In China leben—abgesehen von den USA—mehr Millionäre als in jedem anderen Land. Wie es dann so oft der Fall ist, findet einiges von diesem Geld seinen Weg in die Hände junger Menschen, deren Idee von Spaß darin besteht, sich gegenseitig Champagnerflaschen über dem Kopf auszuleeren und in aufgemotzten Karren durch die Gegend zu fahren.

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Ich habe vor Kurzem ein Wochenende in Shanghais Clubs verbracht, um herauszufinden, wie Chinas wohlhabende Jugend ihre Yuan zum Fenster rauswirft.

Mein erster Stopp war das Linx, ein erst kürzlich eröffneter Club mit Verbindungen zum Yacht Club Monaco. Dadurch, dass 90 Prozent der Tische nur über Vorreservierungen vergeben werden, sorgen die Angestellten dafür, dass das gemeine Fußvolk draußen bleibt. Ist man einmal reingekommen, bekommt man eine Art Getränkesklavin zugeteilt, die wie eine Go-Go-Tänzerin gekleidet ist—inklusive durch das Netzoberteil sichtbarer Nippel—und einem permanent zur Seite steht, um die Gläser wieder aufzufüllen. Das ist durchaus praktisch, wenn einem das Ausstrecken und Neigen des Arms zu anstrengend ist.

Was mir sofort aufgefallen ist, war, dass der Architekt des Linx offensichtlich vergessen hatte, eine Tanzfläche einzuplanen—eins der wohl grundlegendsten Elemente in den meisten Clubs, die ich bislang besucht habe. Da, wo gemeinhin die Tanzfläche gewesen wäre, befand sich etwas, das (darüber kann man sich durchaus streiten) noch viel mehr Spaß versprach: ein auf hydraulischen Stützen gebauter VIP-Bereich, der die Auserwählten buchstäblich über die Köpfe der gemeinen Clubber erhebt, wo sie dann genüsslich Champagner picheln können, während ihnen alle anderen dabei zuschauen.

In einem Club die Korken knallen zu lassen, ist natürlich kein sehr chinesisches Phänomen, aber dort haben sie die prahlerische Zurschaustellung von Reichtum definitiv zu neuen Höhen getrieben. Kurz nachdem ich angekommen war, trug diese Prozession von Kellnern demonstrativ mit LED-Handschuhen sündhaft teuren Alkohol in den VIP-Bereich.

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Das hier sind die Tänzer, die für das Unterhaltungsprogramm engagiert worden waren. Für die Klientel des Linx ist Tanzen offensichtlich etwas, für das man Unsummen Geld ausgibt, um anderen Menschen dabei zuzuschauen, anstatt es selber zu machen.

„Wenn ein Kunde eine bestimmte Menge bestellt hat, dann machen wir eine Show", erklärte Linx-Manager Kyle Sun, den wir hier oben auf dem Bild in der schwarzen Jacke sehen können. „Für den Champagner-Zug braucht es eine Mindestbestellung von sechs Flaschen—eine reguläre Flasche Dom Pérignon kostetet 3.180 Yuan (375 Euro). Die teuerste Marke ist Ace of Spades mit einem Flaschenpreis von 9.000 Yuan (1050 Euro) und wenn Leute sie bestellen, dann wird sie von unseren schönsten Showgirls serviert und es gibt eine Prozession zu dem Tisch."

Wirklich alles in diesem Club bis hin zu den durchsichtigen Kühlbehältern, die wahrscheinlich genau so gut funktionieren würden, wenn sie blickdicht wären, ist so konzipiert, dass der eigene Reichtum demonstriert wird und man sich gegenseitig übertreffen kann. Die meisten Tische stehen in Sichtweite zueinander, so dass Leute ermuntert werden, immer mehr Geld für teures Prickelwasser hinzublättern. Auch wenn Sun das Linx auf lange Sicht in einen Privatclub verwandeln möchte, ist es sein Händchen für das Kultivieren dieser Champagnerkriege, das den Laden so erfolgreich gemacht hat.

„Die Reichen wollen nach Shanghai kommen und diese internationale Stadt sehen", erklärte er mir. „Sie kommen hier mit einer Menge Bargeld an und sagen: ‚Alle hier tragen diese oder jene Marke—Ich kaufe zwei davon.' Die sehen alle anderen mit 50 Flaschen Champagner vor sich und wollen dann das Gleiche. Es sind vielleicht Leute, die plötzlich zu Geld gekommen sind und dann Dom Pérignon Vintage trinken—sie haben aber keine Ahnung, was das eigentlich ist! Wir sollten das nicht zu sehr anfeuern, aber aus einer unternehmerischen Perspektive sind wir sehr glücklich."

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John Osburg, Assistenzprofessor im Fachbereich Anthropologie der University of Rochester, hat für die Nachforschungen zu seinem Buch Anxious Wealth: Money and Morality Among China's New Rich Jahre damit verbracht, mit den Reichen Chinas die Gläser klingen zu lassen. „Das Konsumverhalten der chinesischen Elite ist anders als das, was du in der westlichen Welt vorfindest, wo es oft darum geht, Marken zu konsumieren, die ausgefallen oder ungewöhnlich sind", erklärte er. „In China funktioniert das nach der Logik: ‚Ich will das haben, was alle kennen.'"

„Viele Neureiche kommen aus bescheidenen, ländlichen Verhältnissen. Man hört oft den Begriff ‚tuhao', was ‚Bauerntölpel' bedeuten kann [‚tu' bedeutet ‚grob/bäuerlich' und ‚hao' ‚reich']. Diese Meinung, dass die Neureichen geschmacklos und protzig sind, ist weit verbreitet, und einige dieser Leute betreiben eine wirklich protzige Zurschaustellung ihres Reichtums. Dieser reiche Typ vom Land wird also bei seiner ersten Nacht in einem Club Dom Pérignon sehen und beeindruckt sein. Es gibt diesen Witz aus Feng Xiaogangs Film Big Shot's Funeral, den viele Chinesen gerne zitieren: „Wir wollen nicht das Beste, wir wollen nur das Teuerste."

Dieses Konzept steht im Einklang mit dem sozialen Ansehen—oder „Gesicht"—, was überaus wichtig in der chinesischen Gesellschaft ist. „Einer unserer größten Kunden hat vor Kurzem 100 Flaschen bestellt—er war nur mit zehn Leuten da", erzählt Sun lachend. „Aber das ist OK—wir bewahren sie auf und er kann sie an einem anderen Tag trinken. Er hat 100 Flaschen für alle sichtbar aufgereiht. Er hat Gesicht!"

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An dem Samstag nach meinem Besuch im Linx wurde Nicole Kidman, die das Shanghai International Film Festival besuchte, dafür gebucht, am besten VIP-Platz zu sitzen. „Ja, wir bezahlen einige Prominente dafür, hierherzukommen", gab Sun zu. „Der günstigste Tisch neben ihr kostet dann aber 40.000 Yuan (4.700 Euro)."

Bevor ich das Linx verließ, unterhielt ich mich noch mit Meggy, die viel Spaß zu haben schien. „Diese neue Generation junger Chinesen will nur angeben", sagte sie. „Die Typen wollen vor den Mädchen mit Champagner protzen. In der Regel funktioniert das auch. Es ist aber nicht gut—es gibt in China eine große Lücke zwischen Arm und Reich. Aber ich bin jetzt hier, also ja—es ist OK und ich bezahle nicht für meinen Champagner."

Auf meinem Weg nach draußen fielen mir diese Autos auf und ich vergoss eine kleine Träne für die ganzen Fahrer im Linx, die bestimmt nicht vorhatten, eins von den Teilen nach Hause zu manövrieren, nachdem sie sich eine Nacht lang mit Ace of Spades betrunken hatten.

Als nächstes begab ich mich ins Mook, einem zwei Jahre alten Club, der, wie mir gesagt wurde, etwas „schmutziger" als das Linx sein sollte …

Und so sieht es dort aus.

Es war inzwischen 1 Uhr in der Frühe und alle Anwesenden waren ziemlich bedient. Auch hier war Champagner das beliebteste Getränk, aber es gab auch reichlich Whisky, der in riesigen Flaschen gereicht wurden—einfach nur, weil man es sich leisten kann.

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Der Club-Manager Hu Hong gab mir einen kleinen Einblick über seine Klientel. „Viele dieser jungen Menschen in Shanghai sind schon in der zweiten Generation reich. Sie kommen aus reichen Familien", erklärte er. „Einige von ihnen arbeiten überhaupt nicht, andere aber arbeiten sehr hart und lernen von ihren Eltern. Sie kommen hierher und wollen zeigen, wie erfolgreich sie sind. Sie befinden sich in einem ständigen Wettbewerb. Ihre Eltern kennen sich oft untereinander. Du kommst dann mit einem sexy Model an deiner Seite hierher und bestellst 100 Flaschen … schon geht der Wettkampf los."

Hu setzt auf eine enge Beziehung zu seiner Kundschaft und im Gegenzug geben manche bis zu 50.000 Yuan (6000 Euro) pro Tisch aus, wobei sich der teuerste Platz genau in der Mitte befindet (wo normalerweise die Tanzfläche wäre)—im Sichtfeld aller anderen Gäste. Es gibt aber auch andere Anreize. „Wir haben LED-Abzeichen, so wie Medaillen", sagt Hu. „Wenn Gäste mehr als fünf Flaschen bestellen, bekommen sie eine auf ihren Champagnerkühler.

„In anderen Clubs in Shanghai gibt es ein Feuerwerk, wenn du [große Mengen] bestellst", fügt Hu hinzu, „aber das sieht einfach nur billig aus."

Läden wie das Mook gibt es in vielen Städten Chinas, aber nirgendwo im Land ist die Clubkultur so dekadent wie in Shanghai. In westlichen Großstädten sind die High-End-Clubs eher spärlich gesät, aber Shanghai hat prahlerischen Luxus zur Clubbing-Norm gemacht.

Aber wie lange kann es sich diese Generation noch leisten, 100 Flaschen in einer Nacht zu öffnen, wo Chinas wirtschaftliche Entwicklung—obwohl immer noch der Konkurrenz voraus—anfängt, Zeichen einer möglichen Verlangsamung zu zeigen?

„Es hat viel mit individuellen Unsicherheiten zu tun", erklärte Osburg. „Die meisten Menschen in China sind verunsichert, was ihren Status angeht. Menschen mit viel Geld werden dort gleichzeitig verachtet und beneidet. Ihre Position in der Gesellschaft ist also sehr ambivalent. In diesen Kreisen gibt es die Einstellung, den eigenen Status zu genießen und damit noch so lange anzugeben wie möglich."

Jamie Fullerton ist freier Journalist. Seine Texte erscheinen in der Times, der Sunday Times, The Independent und anderen Publikationen.