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Popkultur

Die Welt geht unter und ich sehe nur die Affen tanzen

Der neue Planet der Affen-Teil hat nicht nur wegen Affen-Selfies Tagesrelevanz, sondern ist ein beeindruckender gesellschaftspolitischer Crashkurs und mit Abstand der beste Reboot einer Filmreihe.

Titelbild: (c) Wandbild in Zürich von Malikarts

Da momentan im Schnelldurchlauf ein islamisches Kalifat errichtet wird, im Gaza-Streifen die Raketen fliegen und der Separatistenkonflikt in der Ukraine komplett aus den Fugen gerät, sind wir natürlich erst recht als Ablenkung an intellektualisierten Blockbustern über Primaten interessiert—diese Vermutung scheinen jedenfalls die 460 Millionen Dollar, die Dawn of the Planet of the Apes bis jetzt weltweit eingespielt hat, zu unterstreichen.

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Der Film beweist nicht nur gutes Timing aufgrund des aktuellen Hypes rund um das Affen-Selfie und den damit einhergehenden absurden Urheberrechtsstreitigkeiten, sondern auch eine gewisse Brisanz durch den gesellschaftspolitischen Mikrokosmos, den der Film kreiert. Hier also, warum der neue Planet der Affen als Einführungsfilm für Social Studies-Vorlesungen Pflicht sein sollte und welche Szene eine völlig neue, unangenehme historische Perspektive schafft.

Caesar ist ein Schimpanse, Familienvater und Häuptling. Er hat im ersten, auch schon überraschend mitreißenden Teil der neuen Planet der Affen-Reihe einen großen evolutionären und chemisch induzierten Intelligenzschritt vorwärts gemacht und lebt, seitdem die Menschheit von dem selben Wirkstoff beinahe komplett ausgerottet wurde, in einem vorgeschichtlich anmutenden Affendorf.

Eine kleine Stadt voller Menschen gibt es auch noch—wie sich das gehört in einer gediegenen Postapokalypse. Denen ist aber der Strom ausgegangen und deshalb sind sie ziemlich an einem Wasserkraftwerk interessiert, das sich natürlich dummerweise im Land der erwähnten Affen befindet. Und hier haben wir das erste kleine soziologische Fallbeispiel, bei dem uns die menschliche Geschichte als Referenz dient: Zusammengehörigkeit sowie Aggressoren bilden sich immer dann, wenn die eine Gruppe etwas besitzt, was die andere haben möchte.

Mitten in diesen ernsten Diplomatiebemühungen zwischen Mensch und Affe konfrontiert Dawn of the Planet of the Apes unsplötzlichmit einem Schlüsselmoment, der zunächst wie eine schlichte Comedy-Einlage wirkt. Koba, der in früheren Tierversuchen traumatisierte Schimpanse und Berater von Caesar, vertraut den humanoiden Protagonisten kein Stück weit und findet auf eigene Faust das Waffenlager der sich gegen den Affenstamm aufrüstenden Menschen.

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Gerade als Koba die übermächtige Bedrohung bewusst wird, entdecken ihn zwei Red Necks mit M6-Gewehren in ihren nervösen Händen. Koba beginnt klassisch „affig"—wie King Louie aus dem Dschungelbuch—zu tanzen. Er überzeugt mit süßen Schimpansen-Grimassen und seinem besten Affengackern von seiner Harmlosigkeit. Lachend verscheuchen die bewaffneten Wachen den baldigen Anführer der haarigen Guerillamiliz und mir rutscht das Herz in die Hose. Diese berechnende Unterwerfung stellt sich als genialer Schachzug heraus und liest sich gleichzeitig wie ein Verweis auf Rassismus im historischen Kontext von Kolonialismus und Sklaverei.

Neben Übelkeit erregendem Rassismus in einem Hass schürenden Internetforum namens Chimpout habe ich auch dieses Foto in einem Klavierübungsbuch gefunden.

Es erinnert an die Message eines Spike Lee-Films, da in der plakativen Ignoranz mancher Menschen Schwarze nur toll tanzen, wild mit den Augen rollen und Bongos spielen können. Denn wenn Unterdrückte ihren Unterdrückern nicht den devot stupiden Kasperl vormachen und die nachgesagte Minderwertigkeit bestätigen, wird man schnell abgeknallt.

Diese Methode des subversiven Widerstands kam auch in Zeitaltern des kolonialen Imperialismus und der Sklaverei zu tragen. Von Indien bis über Teile Südostasiens, von Afrika bis Südamerika gab es dieses unterwürfige Kalkül und die Fähigkeit, den eigenen Stolz zu bezwingen—wie Koba es in der einen kurzen Szene so beängstigend beweist. So werden seit jeher die Masters in Sicherheit gewogen, kurz bevor der Umsturz kommt.

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Auch die Urformen von Intriganz und Volksverhetzung werden in Dawn of the Planet of the Apes wie in einem Crash Kurs umrissen—ohne Schwarzweißmalerei, da sowohl bei den Menschen wie bei den Menschenaffen ein paar Hurenkinder dabei sind. Letztere sprechen zwar, aber untereinander eher selten, und Zeichensprache herrscht vor. Gesellschaftliche Stellung, Diskussionen und Motivationen werden im Affendorf auf Gesten und Blicke heruntergebrochen, ohne die schwerwiegende Bedeutung zu verlieren. Im Gegenteil, gerade die stummen Sequenzen sind ein angenehm neues Kinoerlebnis, da man die Filmsprache völlig anders zu lesen beginnt. Und vielleicht hätte ich abgelenkt von den typisch plakativen Hollywood-Dialogen auch gar nicht diese ganzen kulturhistorischen Vergleiche hergestellt.

In diesem Film geht es jedenfalls nicht nur um die Effekte des überall gepriesenen Motion Capture, sondern um eine kompensierte Portion Gesellschaftspolitik, die geschickt konstruiert darstellt, wie Konflikte entstehen—zwischen Einzelpersonen, Tieren bis zu ganzen Völkern.

Nehmen wir jetzt einfach einmal an, Dawn of the Planet of the Apes ist tatsächlich als soziopolitischer Kommentar konzipiert, der uns vor einem globalen Umbruch warnen will und dabei die modernen Urängste der weißen Mittelschicht bespielt, dann ist die Moral wohl am ehesten: Unterschätze niemals eine Situation—seien es Affen in einem Panzer, die sehr realen Auswirkungen eines fanatischen Gottesglaubens oder die scheinbar verjährten Ansprüche auf Landbesitz—egal ob Krim oder Gaza.

Letztlich gab es diese abstrahierte Kritik an Unterdrückung und Klassenkampf doch auch schon in den alten Planet der Affen-Filmen, die 1968 und somit in einer der heißesten Phasen des USA-Vietnam-Konflikts in den Kinos anliefen. Und auch wenn diese verschachtelten englischen, beziehungsweise überambitionierten deutschen („Prevolution"?!) Filmtitel heute wie damals eher lächerlich trashig wirken, übertreibe ich sicher nicht, wenn ich sage: Die neuen Planet der Affen-Produktionen sind mit Abstand der beste Reboot einer bekannten Filmmarke—seit Scarface. Außer wir zählen die Version von den Simpsons dazu.

Josef auf Twitter: @theZeffo