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Die Idee, allen Bürgern—unabhängig vom tatsächlichen Bedarf—ein bedingungsloses Grundeinkommen auszuzahlen, mutet für viele bei einem Land wie Finnland, das in den letzten Jahren mit wirtschaftlichen Problemen, steigender Arbeitslosigkeit und geringem Wachstum zu kämpfen hatte, wahrscheinlich erst mal kontraintuitiv an. Tatsächlich sind aber einige Ökonomen davon überzeugt, dass ein solches Modell die Steuerzahler auf lange Sicht entlasten würde.VICE hat sich mit Professor Guy Standing unterhalten—einem Experten für Arbeitsökonomie an der University of London. Als Mitbegründer des Basic Income Earth Network hat er Finnlands Regierung zum Grundeinkommen beraten.Mehr zu den genauen Details des finnischen Modells findest du bei Motherboard.
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Guy Standing: Was Sie da beschreiben ist die Bedarfskontrolle und es gibt einige Beweise, die dafür sprechen, dass dieses System seine Schwächen hat. Man muss dafür das Einkommen einer Person bemessen und dann kontrollieren. Dadurch schleichen sich alle möglichen Fehler ein. Menschen wissen zum Beispiel nicht, was sie alles zu ihrem Einkommen dazuzählen müssen, oder das Einkommen der letzten Woche unterscheidet sich vom Durchschnitt der letzten drei Monate.Wer würde denn am meisten von der Einführung eines Grundeinkommens profitieren?
Zuerst einmal die Menschen, die traditionell bei der Bedarfsermessung benachteiligt sind, weil sie nicht genau wissen, wie das System funktioniert. Verletzliche Menschen also—Menschen mit Suchtproblemen oder Migranten. An nächster Stelle käme das Prekariat. Das sind Menschen, bei denen die bestehenden Sozialmaßnahmen nicht vernünftig greifen. Sie haben in der Regel Gelegenheitsjobs und dementsprechend ändert sich ihr Einkommen ständig. Mit einem Grundeinkommen könnte man diesen Menschen ein gewisses Maß an Sicherheit bieten.Würden dann nicht einfach alle den ganzen Tag zu Hause vor der Glotze abhängen, wenn sie einfach so Geld bekommen?
Es gibt Belege dafür, dass ein Grundeinkommen viel mehr dazu motiviert, arbeiten zu gehen. In den bestehenden Modellen mit Bedarfsermessung, bei denen man nur mit sehr geringem Einkommen Leistungen erhält, können einem tatsächlich finanzielle Nachteile entstehen, wenn man versucht, sein Einkommen mit ein wenig Extra-Arbeit zu verbessern. Die Menschen geraten dadurch in die Armutsfalle.
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Ein Untersuchung in Indien hat gezeigt, dass es die Kosten des Gesundheitssystems verringern würden, da Menschen die Möglichkeit bekommen, sich besser zu ernähren. Wenn man geringverdienenden Bevölkerungsgruppen mehr Geld zukommen lässt, dann geben sie das für grundlegende Güter und Angebote aus, die das Wirtschaftswachstum stimulieren. Davon haben letztendlich alle Steuerzahler was.Ist es nicht komisch, Menschen mit hohem Einkommen Sozialleistungen auszuzahlen, die sie nicht brauchen?
Es ist für die Regierung leichter, einfach allen Geld zu geben—anstatt immer aufs Neue zu versuchen, herauszufinden, wer arm ist und wer nicht—und sich das Geld dann durch höhere Steuern von den Besserverdienern zurückzuholen. Diese zahlen ja so oder so mehr Steuern.Und was sind die Nachteile?
Nun, eine Einführung derartig tiefgreifender Sozialreformen kostet immer erst Geld. Wenn man, wie in diesem Fall, ein integriertes Steuerbegünstigungsmodell einführt, gibt es bestimmte Kosten für die elektronische Administration eines solchen Systems. Ein weiteres Argument, das ich in der Vergangenheit vor allem von Gewerkschaften öfters gehört habe, lautet, dass sich die Menschen nicht weiter für höhere Löhne einsetzen würden, wenn sie ein Grundeinkommen haben.
Wie wahrscheinlich ist es, dass auch andere Länder ein Grundeinkommen wie Finnland einführen?Motherboard über das bedingungslose Tandem-Grundeinkommen in Deutschland
Wenn man mir diese Frage vor zehn Jahren gestellt hätte, dann hätte ich gesagt, dass die Kosten für die Umstellung es vor allem für größere Länder wie die USA schwierig machen würden. Heutzutage wäre der Kostenaufwand allerdings wesentlich geringer. Wir wissen, dass es bereits Versuche in Afrika und Indien gegeben hat. In Kanada wird momentan über Pilotprojekte verhandelt und in Utrecht hat so ein Pilotprojekt bereits stattgefunden.In den letzten Jahren hat es bemerkenswerte Veränderungen gegeben, was legislative Vorschläge zum Grundeinkommen in verschiedenen Ländern angeht. Man hofft, dass die Einführung eines Grundeinkommens einen emanzipatorischen Effekt haben wird—dass die Menschen das Gefühl haben, mehr Kontrolle über ihr eigenes Leben zu haben als jemals zuvor.