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Fragen, die Joachim Herrmanns „N****“-Kommentar aufwirft

Bei 'Hart aber fair' bezeichnete der bayerische Innenminister Roberto Blanco als "wunderbaren N****". Ist die CSU jetzt endgültig bei Neonazi-Rhetorik angekommen?

Screenshot: ARD

"800.000 Flüchtlinge—schafft Deutschland das?" ist der Titel der vergangenen Hart aber fair-Sendung, bei der sich Journalisten, Betroffene, Aktivisten und Politiker im Grunde ziemlich einig waren: Rechtsextreme Übergriffe und rassistische Hetze sind nicht tolerierbar und jeder, der wirklich Hilfe braucht, sollte sie in Deutschland bekommen können. Der Plasberg-Talk sickerte also relativ ereignisarm vor sich hin (es kann eben nicht bei jeder Talkshow ein lallender Filmstar zugeschaltet werden), bis Bayerns Innenminister scheinbar vergaß, dass er in einer politischen Diskussionsrunde und nicht im heimischen Hofbräuhaus saß.

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"Roberto Blanco war immer ein wunderbarer N****, der den weißen Deutschen wunderbar gefallen hat", trompetete er durch das WDR-Studio, als es darum ging, was auf rassistische Kommentare zu erwidern sei. „Und beim FC Bayern spielen auch 'ne ganze Menge mit schwarzer Hautfarbe mit. Und das finden die Fans vom FC Bayern auch gut", fährt er schließlich fort. Und auch wenn das Echo auf seine Aussage in der Sendung selbst erschreckend ausblieb, folgte der Shitstorm in den Sozialen Medien dafür umso heftiger. Bei all der vollkommen verdienten Kritik gibt es allerdings ein paar Aspekte des Vorfalls, die wir uns etwas genauer angucken sollten. Ihr habt Fragen, wir haben Fragen—fangen wir also einfach mal an.

Was genau wollte er damit eigentlich ausdrücken?

Es ist schon eine ziemlich abstruse Reaktion auf einen offenkundig rassistischen Kommentar mit einer Relativierung zu antworten. Eine Relativierung, die sagt: Aber diesen anders aussehenden Menschen fanden die Leute doch auch ganz OK. Nicht jeder, der schwarz ist, ist scheiße. Echt jetzt!

Dieser Satz, sei er nun bewusst rassistisch oder einfach nur dumm und ignorant daher gesagt, hat so wenig greifbare Aussage, dass man Joachim Herrmann vor allem anderen erst einmal fragen sollte, was genau seine Intention war. Rassismus mit Rassismus zu bekämpfen? Zu sagen, dass das N-Wort dann OK sind, wenn sie lustige Lieder singen und zur Unterhaltung der deutschen, weißen Masse durchs Fernsehen schunkeln? Wenn sie beim FC Bayern spielen? Oder sagt man in Bayern einfach gerne das N-Wort, wie es ein zuvor in der Sendung eingeblendeter rassistischer User-Kommentar nahelegte, und Herr Herrmann hatte wirklich gedacht, dass er mit dieser Äußerung Sympathiepunkte sammeln würde?

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Was wir vom Berliner Urin-Neonazi über die ‚Herrenrasse' gelernt haben.

Wieso hat der Moderator das Ganze so übergangen?

Politische Talkshows rangieren gerne mal zwischen zahnloser Kuschelrunde, wo sich alle irgendwie einig sind, und medienwirksamen Bitchfights, bei denen derjenige gewinnt, der es schafft, seinen politischen Gegner am meisten zu irritieren. Plasbergs Talk vom Sonntag konnte trotz minimaler Positionsunterschiede guten Gewissens in erstere Kategorie eingeordnet werden, trotzdem ist es unfassbar, dass die einzige Reaktion des Moderatoren aus einem überraschten „Holla!" bestand.

Während der Chefredakteur des Focus die Situation etwas schmierig weglachte, versuchten die anderen Anwesenden, auf die Aussage einzugehen, wurden von Frank Plasberg allerdings sofort abgewürgt. Hatte man Angst vor einem Eklat? Empfand man es als nicht wichtig genug, genau an dieser Stelle mal darüber zu sprechen, welche rhetorischen Probleme es in der Flüchtlingsdebatte nicht nur auf der offen rechten Seite, sondern auch an anderen Fronten gibt?

Warum kann sich der CSU-Politiker nicht einfach entschuldigen?

Nachdem Joachim Herrmann feststellen musste, dass außerhalb der bayerischen CSU-Zentrale nicht ganz so entspannt mit rassistischen Äußerungen umgegangen wird, war klar: Irgendeine Art von klärendem Statement würde folgen müssen, um die Wogen auch nur ansatzweise wieder zu glätten. Statt sich bei Roberto Blanco und den namentlich nicht näher spezifizierten FC-Bayern-Spielern für seine Aussage zu entschuldigen, wählte er allerdings den Weg des unsympathischen Arschlochs—zu behaupten, dass man das gar nicht so gemeint hätte und falsch verstanden worden sei.

Zu Gast im ZDF-Morgenmagazin erklärte er: "Ich verwende das Wort N**** sonst überhaupt nicht", stattdessen habe er nur die Aussage des Kommentars aufgegriffen, der im vorherigen Einspieler gezeigt worden sei. Und zeigte dann in seiner weiteren Verteidigung („Wir haben auch wunderbare Bürger mit schwarzer Hautfarbe!") einmal mehr, dass er überhaupt nicht verstanden hatte, wo genau eigentlich das Problem lag.

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Vielleicht ist Joachim Herrmann kein Rassist, eines ist er aber in jedem Fall: unsensibel, uneinsichtig und auf gewisse Weise schon beinahe dumm.

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Was sagt eigentlich Roberto Blanco dazu?

Auch wenn Joachim Herrmann es eigentlich nicht verdient hat: Roberto Blanco selbst scheint die Causa ziemlich gelassen zu sehen. GegenüberFocus Online erklärte der 78-jährige Entertainer: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das böse gemeint hat." Schlauer wäre hingegen gewesen, wenn er nicht das Wort 'N****' benutzt hätte, sondern 'Farbiger'.

Ein bisschen Spaß muss sein? Vielleicht. Wenn hochrangige Politiker sich in Flüchtlingsfragen an Neonazirhetorik bedienen, muss aber auch mal Schluss sein.