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Popkultur

Fragen, die Peter Maffays Flüchtlings-Interview aufwirft

Freundliche Drachen, Mallorca-Auswanderer und neue Masturbationsvorlagen für Pegida-Anhänger—der Schlagersänger bringt sie alle zusammen.
Foto: imago/Stefan Zeitz

Die deutsche Medienlandschaft steht aktuell ganz im Zeichen der Flüchtlingsdiskussion. Wo liegen die wirklichen Probleme? Wie geht man mit den „Sorgen" der Bevölkerung um, wenn auf der anderen Seite Tausende Menschen mit Todesangst vor den Grenzen stehen? Müssen sich mehr Leute ein Beispiel an Sarah Connor nehmen und Bedürftige bei sich aufnehmen, und was sagt eigentlich dieser Prominente dazu, den genug Leute kennen, um den Artikel bei Twitter und Facebook zu teilen? Die Bild am Sonntag hat nun mit Peter Maffay über das Thema gesprochen und das hätte potentiell eigentlich ziemlich spannend sein können—immerhin flüchtete der Sänger im Teenageralter selbst mit seiner Familie von Rumänien nach Deutschland. Gekommen ist es dann leider ein bisschen anders. Zeit, nachzufragen.

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Wissen Maffays Angestellte, dass sie sein soziales Projekt sind?

Sicherlich: Wenn man es (durch harte Arbeit oder nicht) in seinem Berufsfeld an die Spitze geschafft hat, verliert man irgendwann den Bezug zur harten Realität. Da muss man nicht einmal einen ausgesprochenen Gottkomplex haben, um sich als gütiger Herrscher über die eigene Untergebenenschar zu sehen. Vielleicht liegt es also daran, dass Peter Maffay auf die Frage, ob er schon darüber nachgedacht habe, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, nicht nur von seiner karitativen Stiftung erzählt, sondern auch die Leute miteinbezieht, die auf seiner Finca in Spanien arbeiten. „Die sind nicht auf Mallorca geboren. Wir leben da zusammen—ich wie sie als Ausländer." Fraglich bleibt, ob die „Muslime aus Afrika" eigentlich wissen, wie gut sie es haben, wenn sie Peter Maffays Poolfliesen schrubben. Was uns auch direkt zur nächsten Frage bringt.

Kann man Mallorca-Auswanderer wirklich mit syrischen Flüchtlingen vergleichen?

Wenn es um die Motive und Ängste von Flüchtlingen geht, hat Maffay ganz persönliche Insights, über die er im Interview auch spricht. Schließlich kam er damals mit seiner Familie aus Rumänien nach Deutschland—in der Hoffnung auf ein besseres Leben ohne Angst und politische Verfolgung. Deswegen ist es umso seltsamer, dass er immer wieder auf sein Leben als Deutscher in Mallorca zurückkommt, wenn es um konkrete Beispiele für Interkulturalität und etwaige Ressentiments der Bevölkerung gegen Ausländer geht. So es ist es in Zeiten, in denen heulsusige Rechtsdenkende sich als Opfer der aktuellen weltpolitischen Lage stilisieren, vielleicht etwas unglücklich, die „Angst vor Überfremdung" damit zu legitimieren, dass die Deutschen ja nicht die einzigen seien, die nicht so richtig Bock auf Ausländer hätten („Ich habe mal in Mallorca auf einer Hauswand gesehen ‚Alemanes fuera'—Deutsche raus"). Wenn also ein Spanier nicht so richtig Bock drauf hat, dass Leute wie Boris Becker und Dieter Bohlen ihnen die Grundstücke wegkaufen und besoffene Ballermann-Touristen mallorquinische Innenstädte vollkotzen—darf man dann auch gegen Leute hetzen, die aus Kriegsgebieten flüchten? In welchem AfD-Fiebertraum-Paralleluniversum macht dieser Vergleich denn bitte Sinn?

Andererseits passt es aber auch wieder ganz gut. Schließlich verkörpern die deutschen Auswanderer, die wir ständig im Privatfernsehen zu sehen bekommen, genau das, was sich der gemeine Pegida-Anhänger unter Flüchtlingen vorstellt: Faul, undankbar, nicht wirklich dazu gewillt, die Landessprache zu lernen und somit absolut integrationsunfähig. (Die Wahrscheinlichkeit, dass syrische Flüchtlinge nach Deutschland kommen, um hier eine Mode-Botique zu eröffnen, scheint mir allerdings relativ gering.)

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Wie viele abstruse Flüchtlingsmetaphern werden wir bis Ende des Jahres noch hören müssen?

Politik ist nicht einfach. Vor allem nicht dann, wenn man sich nicht so richtig mit der Materie auseinandersetzen möchte und die eigene Position auf ein Demonstrationsplakat passen muss. Deswegen bedienen sich insbesondere populistisch veranlagte Asylgegner gerne einfacher Bilder und Vergleiche—und dürften sich umso mehr darüber freuen, dass ihnen ein Prominenter jetzt das ultimative Stammtisch-Bild zum Thema „Genug ist genug! Deutschland kann nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen!!!11" liefert. Warum es wichtig ist, nicht weiter „unbegrenzt" Menschen nach Deutschland zu lassen, erklärt Peter Maffay nämlich so: „Wenn Sie einen trockenen Schwamm nehmen und Wasser darauf gießen, wird er eine Menge aufnehmen. Aber irgendwann läuft es unten wieder raus." Und das, wo mit dem neuen Asylgesetz der Schwamm—um bei diesem Bild zu bleiben—doch bedeutend schneller wieder ausgequetscht wird!

Wird Peter Maffay jetzt der neue Pegida-Posterboy?

Ein bisschen tut man dem Sänger tatsächlich Unrecht, wenn man nur einzelne Passagen aus seinem Interview herauspickt. Immerhin scheint er mit all seinen Mallorca-Vergleichen und der eigenen Vergangenheit zumindest zu versuchen, so etwas wie Mitgefühl für Flüchtlinge zu schaffen und hält die Anspruchshaltung mancher Deutscher, dass Flüchtlinge gefälligst dankbar zu sein haben, für „scheiße". Wer das Leben allerdings durch die schwarzbraune Brille sieht, findet einige Sätze, die geradezu prädestiniert dafür sind, in verkürzter und aus dem Kontext gerissener Form auf Pegida-Plakaten zu landen—der Schwamm-Vergleich ist dafür ein ziemlich gutes Beispiel oder der etwas einfach formulierte Wunsch nach Einwanderungsquoten („die Kanadier und die Amerikaner machen das auch so", „Wir müssen zwischen denen unterscheiden, die wirklich Hilfe brauchen, und den anderen"). Kein Wunder also, dass sich auf der Facebook-Seite der Bild die Kommentare häufen, nach denen „endlich" mal jemand das ausspricht, „was alle denken"—inklusive der augenzwinkernden Warnung, dass er aufpassen müsse, jetzt nicht auch in die rechte Ecke gestellt zu werden. Ich persönlich glaube nicht, dass sich der gute Peter diese Art von Solidarisierung wünscht.

Für jeden Hasskommentar einen Euro—Rassisten helfen unfreiwillig Flüchtlingen.

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An einer Stelle kann man Maffay allerdings ganz konkret vorwerfen, ein bisschen zu sehr um die rechte Ecke gedacht zu haben. Dann nämlich, als er gefragt wird, wie er Leuten klarmachen wolle, dass sie sich den deutschen Sitten und Gepflogenheiten anzupassen hätten. Laut ihm sollten nämlich „alle, die hier Asyl suchen, das Grundgesetz vorgelegt bekommen und mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass sie es auch gelesen haben." Ein Vorschlag, den man so vielleicht in erster Linie auf die Personen anwenden sollte, die aus lauter „Besorgnis" vor „Überfremdung" Flüchtlingsheime anzünden.

Was hat Tabaluga mit all dem zu tun?

Was man als Außenstehender verstehen muss: Es ist nicht immer ganz einfach, in einem Interview das Thema zu wechseln, ohne dass es abrupt wird. Gerade dann, wenn einem die Zeit abläuft, man aber noch so viele andere Sachen auf seinem (mal imaginären, mal real existierenden) Zettel stehen hat. Trotzdem wirkte es etwas sehr überraschend, als der Bild-Redakteur direkt im Anschluss an „Können wir von den Flüchtlingen Dankbarkeit erwarten?" folgende Frage stellte: „Sie starten im nächsten Jahr eine neue ‚Tabaluga'-Tounee. Warum?"

Eine Frage, die in ihrer Klarheit durchaus angebracht sein mag, trotzdem drängt sie einem ein ziemlich abstruses Szenario auf. Den inneren Konflikt eines Journalisten, der sich durch ein minutenlanges Gespräch über die aktuelle Asylpolitik Deutschlands quält (aktueller Bezug! Kontroverses Thema!), während er ganz tief im Inneren doch nur über eine Sache sprechen zu wollen scheint: einen freundlichen, grünen Drachen. (In Anbetracht dieser schweren Lage sei ihm auch verziehen, dass er sich nicht dazu in der Lage sah, den Namen von „Sammy Deluxe", offenbar ebenfalls ein großer Tabaluga-Fan, richtig zu schreiben.)

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Titelfoto: imago/Stefan Zeitz