Frau in Unterwäsche
Fotos: Robin Hinsch

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Sex

Geiz macht geil – ein Besuch in Deutschlands erstem „Volksbordell“

Ab 38,50 Euro ist Sex zu haben. Und dann ist da auch noch der "Entsafter" für 20 Euro.

Gegen 13.00 Uhr passieren die ersten Herren in Jeans und kurzärmligen Karo-Hemden die Schleuse in eine Parallelwelt fern des heimischen Schlafzimmers. Wenn es an der Tür klingelt, legen Jill, Sissi und die anderen Mädchen ihre Handys beiseite und nehmen Haltung an. Die Gäste scannen von unten her, erst den Arsch, dann die Titten und schließlich das Gesicht. Sie deuten per Fingerzeig, bezahlen und verschwinden dann auf einem der Zimmer. „Ein guter Tag ist, wenn du Geld machst. So einfach ist das.", sagt Isabella, die „Puffmutter" des Geizhauses. In ihrem Bordell gibt es eine halbe Stunde Sex zum Discountpreis von 38,50. Sie lehnt lässig an der Bar, trinkt Kaffee und raucht eine Zigarette nach der anderen. Auf dem Flatscreen über ihr lutscht eine der Frauen einen riesigen Schwanz. „Dein erstes Mal im Puff?", fragt sie und lacht, weil ich rot werde.

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Vice: Ihr lockt mit echten Kampfpreisen. Laufen die Geschäfte so schlecht?
Isabella: Die Mark sitzt nicht mehr so locker wie früher. Mittlerweile gibt es kostenlose Sexpartys, Swingerclubs und FKK-Saunas, da musst Du dir schon etwas einfallen lassen, um noch Geld zu verdienen. Schampus und plüschige Barsessel sind mittlerweile Geschichte. Das kann sich keiner mehr leisten. Gerade die jungen Gäste wollen einfach schnell 'ne Runde ficken, oder sich in der Mittagspause im Entsafter einen Blasen lassen.

Was ist denn ein Entsafter?
Viele Gäste wollen nicht mehr auf's Zimmer gehen. Die wollen abspritzen und wieder los. Deshalb haben wir den Entsafter erfunden. Du suchst dir ein Mädchen aus, steckst deinen Schwanz durch ein „Gloryhole" und bist nach drei Minuten fertig. Ein Blowjob kostet bei uns 20 Euro, das kann sich wirklich jeder leisten.

Was für Kunden besuchen euer Haus?
Da habe ich keine Statistik. Da ist alles dabei: Handwerker, Banker, Fußballer oder Soldaten von 18 bis 75. Manchmal kommen auch Pärchen, die mal einen Dreier haben wollen. Ich hatte auch schon zwei schwule Gäste, die mal ausprobieren wollten, wie es ist mit einer Frau zu schlafen.

Du leitest dieses Bordell zusammen mit zwei anderen Frauen. Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Stressig! Ich stehe morgens auf, rufe schonmal im Laden an und checke, ob alles OK ist. Weil die Frauen hier kommen und gehen, wie sie lustig sind, muss ich natürlich auch schauen, wie viele da sind. Du musst schauen, wie es den Frauen geht, ob die sich wohl fühlen, oder mal eine ihre Tage hat. Naja, dann esse ich eine Kleinigkeit, mache die Buchhaltung und abends stehe ich selbst an der Bar. Wie in einem ganz normalen Job.

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Bei einem „Billig-Bordell"denke ich sofort an juckenden Ausschlag. Ist da was dran?
Die Mädchen auf der Straße sind schmutziger als die Huren bei uns. Es gibt so viele junge Frauen, die ohne Kondom auf einer Disco-Toilette für ein Cola ficken. Da würde ich als Mann lieber hierher kommen, denn das macht von den Professionellen keine. Das Klischee, dass alle Huren abgefuckte Junkies sind, ist Schwachsinn. Die Mädchen hier haben Charakter. Für Geld machen die bestimmt nicht alles!

Vielen Gegnern der Prostitution mangelt es vor allem an Respekt für euch Frauen. Wie gehst du damit um?
Ich komme aus Polen und bin nach Deutschland gekommen, weil es drüben kein Geld und keine Zukunft für mich gab. Mein Abitur wurde hier nicht anerkannt, da blieb mir nicht viel übrig. Erst habe ich in einer Bar gearbeitet und dann hat mir eine Freundin erzählt, dass man im Puff Geld verdienen kann. Mittlerweile mach ich den Job seit über 25 Jahren.

Das klingt nach einem typischen Werdegang.
Ja, viele Frauen haben nicht einmal einen Schulabschluss, was willst du dann machen? Hier arbeitet eine 21-jährige Mutter von zwei Kindern, die zweimal im Monat zum Arbeiten kommt. Die will ihren Kindern was bieten. Bevor du nichts zu Essen hast, gehst du lieber anschaffen. Ich kenne eine amerikanische Zahnärztin, die beim Wirbelsturm „Katrina" alles verloren hat. Die kam für drei Monate nach Deutschland, um schnelles Geld zu machen. Oder eine Studentin, die sich hier ihr Studium finanziert. Es ist nicht so, dass alle Prostituierten von irgendwelchen Menschenhändlern verschleppt werden.

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Es gäbe doch auch sicher andere Wege Geld zu verdienen, oder?
Aber nirgendwo verdienst du so schnell so viel Geld. Natürlich kann nicht jede Frau den Job machen. Du musst dir vorstellen, es kommt ein Mann, den du noch nie gesehen hast und fünf Minuten später hast du Sex mit dem. Da brauchst du schon einen starken Charakter und musst mit beiden Beinen im Leben stehen.

Macht dir der Job denn auch Spaß?
Spaß macht der Job, wenn du Geld verdienst. (Lacht) Wenn du den ganzen Tag rumsitzt und keinen Gast hast, fragst du dich schon, warum du dir den Scheiß antust. Ich kenne aber auch Frauen, die das Hobby zum Beruf gemacht haben. Echte Nymphomaninnen, die halt drauf stehen Fremde zu ficken.

Das bestätigt eine verbreitete Männerphantasie.
Es ist die Wahrheit. Ich würde aber schätzen, dass höchstens zehn Prozent der Frauen im Gewerbe so drauf sind.

Ihr bietet Extra-Services wie Körperbesamung, Natursekt oder Kaviar für 20 Euro Aufpreis an. Spiegelt das die eigenen Vorlieben wider?
Eine Hochzeitsnacht kriegt hier keiner. Die Mädchen entscheiden selber, wie weit sie gehen. Natürlich muss jede Frau wissen, wo ihre Grenzen liegen, das ist privat ja nicht anders. Wenn einer Frau ein Kunde nicht gefällt, kann sie ihn natürlich ablehnen.

Glauben viele Männer, dass sie für 38,50 ein Frau gekauft haben und alles mit ihr machen dürfen?
Die meisten wollen einfach eine Runde ficken. Weißt du, bei Männern muss das einfach raus. Wenn die Frau schwanger ist oder es im Bett nicht mehr läuft, dann kommen sie hier her und dürfen sich wie Hengste fühlen. Die stehen auf die Spiegel im Zimmer, schauen sich beim Ficken zu und freuen sich zu hören, was für geile Stecher sie sind. Allerdings gibt es auch Gäste, die Zuhause nichts zu sagen haben und hier glauben, ihren Frauenhass ausleben zu können. Sowas lässt sich hier keine Frau bieten.

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Ist eine gute Hure immer auch eine gute Schauspielerin?
Du musst dich verkaufen können. Eine schauspielerische Begabung darf also nicht fehlen. Die Männer wollen eine Show, Spaß haben und ihren Druck ablassen. Mit einer traurigen Hure will niemand auf's Zimmer gehen. Mädchen, die private Probleme oder einen schlechten Tag haben, rate ich Zuhause zu bleiben.

Wie sieht das Privatleben einer Prostituierten aus?
In der Regel ganz normal. Viele haben Familie, einen Freund, manche sogar Ehemänner. Eine Kollegin von mir wollte in Polen ein Haus bauen, da musste ihr Mann dann durch; der Arme. (Lacht)

Ich male mir gerade brutale Eifersuchtsszenen aus.
Das kommt vor, aber als Mann einer Hure solltest du am besten gar nicht dran denken. Es ist einfach nur Sex. Ja, vielleicht findest du mal einen Kunden toll, aber das vergisst du nach einer halben Stunde wieder. Er geht wieder zu seiner Frau und du zu deinem Mann.

Andere gehen aus dem Büro nach Hause, du arbeitest mit deinem Körper. Wie fühlt sich das an?
Du willst immer gepflegt sein, findest dich immer zu dick, jüngere Frauen sehen immer besser aus, deine Brüste sind zu klein und du findest deinen Arsch zu fett. Dann lässt du dir die Titten machen, die Nase kleiner oder den Arsch straffer. Hier wird viel geschummelt. (Lacht)

Und was kommt nach dem Puff?
Viele Mädchen werden zur Kosmetikerin oder machen ein Nagelstudio auf. Kellnerin kannst du werden oder heiraten. Wenn du kein Geld gespart hast, bist du am Arsch. Das ist der Fehler der meisten Mädchen. Die Altersvorsorge ist wichtig.

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