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Sex

Geschichten aus dem Leben einer Putzfrau

Falls ihr denkt, dass Italien ein schlimmes Müllproblem hat, wenn die Mafia mal wieder bockiges Kind spielt, dann habt ihr noch nie eine Studentenwohnheimküche nach einem langen Wochenende gesehen.
Laffy4k | Flickr | CC BY 2.0

Manche Berufe haben einen schlechten Ruf und das ist ziemlich unfair. Sicher, mit Devious Maids versuchen amerikanische Serienmacher uns wieder einmal zu zeigen, wie lustig und intrigant das Leben des „Fußvolkes" doch ist. Aber mal ehrlich, wer dieser Serie glaubt, kann gleich alle Folgen von Desperate Housewives auswendiglernen und dann nach Döbling ziehen. Den Leuten in den Kosmetikstudios, Würstelständen und Krankenhäusern passieren währenddessen Dinge, die nicht einmal John Waters einfallen würden, selbst wenn Divine auferstanden wäre. Diese Menschen sind schon allein deshalb die echten Helden unserer Zeit, weil sie sich dem Wahnsinn, den wir absondern, jeden Tag aufs Neue stellen.

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Putzfrauen gehören auch so einer Berufsgruppe an, die eigentlich eine Gefahrenzulage verdient hätte. Falls ihr denkt, dass Italien ein schlimmes Müllproblem hat, wenn die Mafia mal wieder bockiges Kind spielt, dann habt ihr noch nie eine Studentenheimküche nach einem langen Wochenende gesehen. Was für Superman Kryptonit ist, ist für die Putzfrauen die Unordnung (und damit der Stundent an sich). Mit dem einzigen Unterschied, dass die Damen nicht wie ein Schlappschwanz an der Wirkung zusammenbrechen, sondern sich zusammenreißen und einfach die Welt retten.

Von Irene (Name geändert) haben wir uns erklären lassen, dass es nie langweilig ist, mit Studenten zusammenzuarbeiten. Wenn sie davon spricht, dass sie sich bei jungen Leuten automatisch selber jünger fühlt, dann klingt sie wie ein lieber, alter Dementor, der schon viel erlebt hat. In ihrer Dienstzeit gab es mal skurrile, mal tief-traurige Momente. Trotzdem bereut sie es heute nicht, 19 Jahre in der Branche gearbeitet zu haben. Der nachfolgende Text ist eine Nacherzählung aus ihrer Sicht.

Wenn ihr die Arbeit einer Studentenheim-Putzfrau schon widerlich findet, dann werdet ihr diesen Job auch nicht machen wollen:

Techtelmechtel

Wenn wir in ein Zimmer gehen möchten, um die Bettwäsche zu wechseln, zu putzen, oder etwas mit den Bewohnern zu besprechen, müssen wir sehr laut klopfen. Mittlerweile können wir den Raum auch betreten, wenn der Schlüssel von innen steckt, das ist aber erst seit einigen Jahren so. Und natürlich dürfen wir eintreten, wenn niemand zu Hause ist.

Einmal bin ich hereingeplatzt, als es so richtig unpassend war. Da war dann nicht nur ein Mädchen im Bett, sondern zwei, mitten im Liebesspiel. Ich habe mich dann sehr schnell entschuldigt und bin raus gestürmt. Am nächsten Tag habe ich eine Schokolade von der Bewohnerin bekommen—ihr war es ja noch peinlicher als mir.

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Ein anderes Mal führte ich eine Interessentin durch das Heim, die in den kommenden Monaten einziehen wollte. In diesem Fall war die ganze Familie mitgekommen. Ich wusste, dass ich dem Mädchen das eigentliche Zimmer noch nicht zeigen konnte, weil es noch bewohnt war. Also gingen wir also in ein anderes, das denselben Grundriss hatte.

Neben den Betten war eine schmale Leiste angebracht, auf die man Bilder stellen konnte. Nur standen in diesem Zimmer keine Bilder darauf, sondern ein Dutzend Gleitgele und besondere Kondom-Packerungen. Ich setzte ein Pokerface auf und auch die Familie ließ sich nichts anmerken. Nachdem alle weg waren, lachten wir uns aber kaputt. Das Mädchen wurde dann später in das Zimmer mit den Gleitgelen verlegt.

Der private Drogeriemarkt

Vor einigen Jahren musste ich in einem anderen Haus putzen. Das Heim war erst vor kurzer Zeit komplett erneuert worden und so waren die Preise natürlich höher angesetzt. Ich hatte bis dahin nur in den sehr billigen Heimen geputzt.

Ich machte mich also in einem der neuen Mini-Appartement an die Arbeit und kam schließlich zum Badezimmer. Dort fiel mir auf, dass in der Dusche nicht nur zwei Duschgels und vielleicht zwei Shampoos standen—solche Appartements teilen sich immer zwei Studenten—, sondern fast zehn verschiedene. Auch die kleinen Regale waren prall gefüllt mit allerlei Haarschaum, Körperlotionen und anderen Tuben. Das hat mich so schockiert, dass ich den Hausmeister rief. Ich erklärte ihm, dass in dem Zimmer illegal mindestens fünf Menschen, wenn nicht mehr, leben mussten. Das wären zwar ziemlich viele Personen für 30 Quadratmeter, aber es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass die Studenten Freunde bei sich wohnen lassen.

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Als wir beide dann im Badezimmer standen, um uns die Sache genauer anzuschauen, kam eine der zwei Zimmerbewohnerinnen nachhause. Sie ließ sich die Sache erklären und zeigte ihr Zimmer her, um das Missverständnis aus dem Weg zu räumen. Tatsächlich wohnten dort keine fünf Menschen, sondern nur zwei Mädchen, die ein bisschen eitel waren. Mir war das ganze natürlich sehr peinlich.

Der Selbstmord

Vor 10 Jahren habe ich in einem Studentenheim gearbeitet, das kurze Zeit darauf zu einem Hotel umgestaltet wurde. Da gab es einen Studenten, der mir sehr sympathisch war. Der war ein außerordentlich gescheiter Junge. Er hat nicht nur in Amerika eine Zeitlang studiert, sondern auch bei der Millionenshow mitgemacht und einiges gewonnen.

Er hat in einem Einbettzimmer gewohnt und es war ein heißer Juni. An einem Freitag habe ich ihn am Gang getroffen und wollte mit ihm reden, weil es zwei Wochen vor dem großen Umzug war. Er meinte nur: „Ja, alles klar, ich muss jetzt aber weg." An dem Tag haben wir ihn dann gar nicht mehr gesehen.

Am Montag bin ich dann wieder gekommen und habe angeklopft. Es war eigentlich immer so, dass, er sofort aufgesprungen ist, um mir die Tür zu öffnen. Diesmal gab es keine Antwort. Es hat irgendwie komisch gerochen, aber ich dachte mir, dass müsste der Müll in der Gemeinschaftsküche sein, weil es ja Montag war und sich der Mistkübel übers Wochenende ziemlich gefüllt hat. Ich habe ein paar Mal geklopft, aber noch immer keine Antwort. Die ganze Sache kam mir sehr merkwürdig vor.

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Am nächsten Tag stand ich wieder vor der Tür und noch immer bekam ich kein Zeichen aus dem Zimmer. Da sagte ich dem Hauswart Bescheid und wir kontaktierten die Feuerwehr und Polizei. Die Tür wurde aufgestemmt. Ich merkte, dass der Gestank aus dem Zimmer kam. Die Polizei erklärte mir, dass er sich umgebracht hatte. Ich habe ihn zwar nicht gesehen, weiß aber, dass er es anscheinend unbedingt richtig machen wollte. Er lag in der übervollen Badewanne mit einem Billa-Sackerl auf dem Kopf, er hatte sich eine Spritze gegeben und eine Brandyflasche ausgetrunken. Außerdem waren seine Pulsadern aufgeschlitzt, weswegen überall Blut war.

Wir waren alle total schockiert, vor allem, weil die Eltern des Jungen die Sache als: „So war er schon immer." abtaten. Alle Partys wurden in den letzten Wochen abgesagt und die Studenten mieden das Zimmer. Wir bekamen psychologische Betreuung. Am traurigsten empfand war ich, als ich erfuhr, dass er mir einen Abschiedsbrief im Dezember geschrieben hatte und den Selbstmord erst im Juni vollzog. Zum Glück musste ich sein Zimmer nicht mehr putzen.

Der Feuermelder

Ich weiß, dass Studenten immer nur grantig auf den Feuermelder sind und niemals froh, dass es ihn gibt und er eigentlich ihr Leben retten könnte. Ich kann das total verstehen. Es gibt ganz viele Geschichten darüber, dass nur harmlos gekocht wurde und trotzdem die Feuerwehr anrücken musste. Ich war zwar nie dabei, aber ich habe sehr oft mitbekommen, dass betrunkene Studenten sich Würstel anbraten wollten, oder in der Dusche eingeschlafen sind und dann den Feueralarm ausgelöst haben. Obwohl es schon auch seltsam ist, dass jemand in der Dusche einschläft, aber bitte.

Ich war nur einmal hautnah dabei, als die Sirene losging. Da kam ein Mädchen völlig außer sich aus dem Zimmer gerannt und wies mich an, mitzukommen. Ihr Vorraum war total verqualmt, aber nicht wegen einem Feuer. Sie erklärte mir, dass sie sich ganz viel Haarspray raufgesprüht hatte und dabei den Alarm ausgelöst hatte. Ich versuchte sie zu beruhigen, aber insgeheim dachte ich mir, dass das typisch Studentenheim ist. Immer passiert irgendetwas und immer suchen die jungen Leute jemanden, der ihnen beisteht. Sie brauchen halt doch noch ein bisschen Hilfe, obwohl sie schon erwachsen sind. In solchen Momenten war ich mir immer sicher, den richtigen Job ausgesucht zu haben.

Wenn ihr in eurem Berufsleben Dinge erlebt, die ihr nicht für euch behalten wollt, dann schreibt Anne-Marie auf Twitter: @Viennesecat


Header-Foto: Laffy4k | Flickr | CC BY 2.0