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Sex

Gorno ist krank und schmutzig

The Human Centipede, eine fröhliche Geschichte über Fäkalien und angenähte Arschlöcher, hat es geschafft, einen Porno Spin-off namens The Human Sexipede zu kreieren.

2011 befindet sich das Horrorkino in einer etwas schwierigen Lage. Wie kann man Menschen noch in Angst und Schrecken versetzen oder zum Kotzen bringen, wenn alles, was man sich im hintersten, dunkelsten und schmutzigsten Winkel des eigenen Verstandes ausdenken kann, von jedem Kind bereits im Internet gesehen wurde?

Im Moment haben Regisseure definitiv ein Problem mit einem Publikum, das sich von nichts mehr schocken lässt. Es gibt natürlich seit kurzem den gerne diskutierten „Folterporno“, ein Sub-Genre, das von Lars von Trier mit Antichrist eingeführt, von Steven R. Monroe mit I Spit On Your Grave fortgeführt wurde und schließlich mit The Human Centipede seinen Klimax erreichte. Trotz allem schaffte es diese fröhliche Geschichte über Fäkalien und angenähte Arschlöcher, langweilig genug zu sein, einen Porno Spin-off namens The Human Sexipede zu kreirieren.

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Obwohl das nun für den westlichen Zuschauer noch einfach zu verdauen war, und man im Kino sogar herzhaft lachen konnte, schaffte es Srdjan Spasojevics Film A Serbian Film, dass den Leuten endlich das verdammte Lachen im Halse stecken blieb. Der Film zeigt die Vergewaltigung eines Säuglings, eine Szene, in der der Star des Films, Srdjan Todorovic, eine Frau enthauptet und anschließend Sex mit ihrem kopflosen Torso hat und eine weitere Szene, in dem einem Opfer erst alle Zähne gezogen werden und es dann schließlich mit einem Penis erstickt wird.

Aus irgendeinem Grund hat sich bislang noch niemand mit den filmischen Wurzeln beschäftigt, die so einen Film wie A Serbian Film hervorbrachten.

Eigentlich ist diese Art sexuellen Horrors im Kino nichts Neues, noch reichen die Filme in Sachen Gewaltdarstellung an ihre Vorläufer aus den 70ern und 80ern heran. Solltest du an einem Videoverleih vorbeikommen, dann wirf doch mal einen Blick hinein, durchsuche die ausgemusterten VHS-Kassetten lange genug und ich verspreche dir, dass du sogar noch etwas Aufwühlenderes als A Serbian Film finden wirst, das bereits vor 40 Jahren gedreht wurde. Vergesst Blaxploitation, Sexploitation, Nunsploitation und sogar Naziploitation. Sollten sich Filmemacher wirklich an der Messlatte an kaputten Sachen versuchen wollen, die das Internet ja ziemlich hoch gehängt hat, dann sollten sie sich ihre Inspiration einfach bei Gorno abholen. Die Kreuzung aus Hardcore Pornographie und extremer Gewalt, Gorno, entstand wie Heavy Metal am Totenbett der Hippie-Bewegung.

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Horror und Softcore koexistierten bereits in den 60er Jahren, doch Hardcore Pornographie und extreme Gewalt gab es so nur in Avantgarde-Bewegungen. Das erste Mal, dass echter Gorno auf den Plan trat, war wahrscheinlich im Film Sex Psycho von Walt Davis. Da man den Film jedoch keine Freigabe erteilte, wurde er weder in Kinos noch auf Video veröffentlicht. Wenn man ihn sich ansieht, versteht man auch, warum: Eine Frau bläst ihrem kürzlich verstorbenem Ehemann einen, ein Typ bekommt einen Fleischklopfer auf den Kopf, während er gerade mit seinem Bruder bumst, und ein Mädchen beißt erst einen Schwanz ab und erstickt dann daran. Das alles passiert zu einem unhörbaren Soundtrack, der den Filmscore von The French Connection „Night on Bald Mountain“ in Endlosschleife wiederholt.

Ein paar Jahre später explodierte die Eurotrash Industrie auf der anderen Seite des Atlantiks. Regisseure wie Jess Franco, Jean Rollin und Joe D‘Amato entwickelten sich zu etablierten Autoren von Sinema. Francos Erotikill verband den Lesben-Vampirismus von Hammer Horror mit psychedelischen Aufnahmen und Hardcore-Pornographie, während Rollins Phantasmes Hardcore-Szenen in eine klassische Märchengeschichte packte.

In Amerika zeigten die Grindhouse-Kinos den abgefahrensten Scheiß aus aller Welt, wie zum Beispiel einen schwedischen Film namens

. Das Gerücht machte die Runde, dass in dem Film ein echter Leichnam vorkommt, dem ein Auge ausgestochen wird. Doch Amerika brauchte nicht lange, um mit der restlichen Welt mitzuhalten, und drehte bald eigene Sex-Horror Filme mit vorhersehbaren Geschichten, wie zum Beispiel Forced Entry, Sex Wish und Unwilling Lovers.

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Der Film Hardgore aus dem Jahr 1974 ist ein verlorener Klassiker des Genres und der Titel spricht bereits Bände. Während Sex Psycho eine Tortur für jeden war, der nicht Patrick Bateman heißt, ist Hardgore ein Fickfest gigantischen Ausmaßes und perfekt für einen Abend mit Pizza und Bier geeignet. Der Film spielt mit der in den 70ern vorherrschenden Vorliebe für alles Okkulte und Übernatürliche und ist gleichzeitig ein wunderbares Stück kranker Schmutz. Es gibt fliegende Dildo-Raketen, einen sprechenden, abgeschnittenen Penis, satanische Doktoren, Elektroschocks und Vaginas. Eine Szene ist sogar Genre-definierend: Ein Henker vögelt ein Mädchen von hinten auf einer Guillotine, und in dem Moment, in dem sie zum Orgasmus kommt, fällt das Fallbeil herab.

Im Jahr 1976 folgte schließlich Through the Looking Glass, den Kenner noch immer als Maßstab des Genres bezeichnen und der so nur in den 70ern gedreht werden konnte. Er ist ein psychedelisches Meisterwerk, dass irgendwo zwischen Marquis de Sade, Alice im Wunderland und der Geschichte der O pendelt und dessen künstlerischer Anspruch den Film sogar ins World Theater nach New York brachte, wo auch Gerard Damianos Deep Throat Premiere feierte. Der Film beginnt mit der Scream-Queen und dem früheren Vogue Model Catherine Burgess, die Bill Landis als „1,98 Dollar-Catherine Deneuve“ von einem Spiegel, vor dem sie sich selbst befriedigt, in eine dämonische Parallelwelt transportiert, in der sie mit dem Geist ihres toten Vaters die Grenzen ihrer Sexualität auslebt.

Im Laufe der Geschichte werden wir in einer POV-Einstellung Zeuge davon, wie der Vater der Protagonistin seine Finger in ihre Vagina steckt (Im Grunde eine Umkehr dieses einen bestimmten Momentes in Noés Enter the Void), zudem sehen wir eine Teegesellschaft, die sich in eine Orgie verwandelt, verschiedene halluzinierte Sexszenen und eine Vision wie von Dante, in der eine Frau in Urin und Fäkalien badet. Im Grunde ist es, als wäre Jaromil Jires „Valerie-Eine Woche voller Wunder“ von Sasha Grey interpretiert worden. Bestimmt nichts, das man einfach wieder vergisst.

In den Achtzigern stellte schließlich der Meister des Schmutzes, Joe D‘Amato, Sexploitation-Abenteuer wie Erotic Nights of the Living Dead und Porno Holocaust fertig, doch im Laufe des Jahrzehnts verschwand gut gemachter Gorno. In den vergangenen Jahren gab es einige auf witzig getrimmte Horros-Pornos wie Re-Penetrator, Night of the Giving Head und A Cockwork Orange, doch wirklich guter Gorno liegt irgendwo in einer staubigen Krypta begraben, während die Imitate als die Grenzen dessen, was man ertragen kann, bejubelt werden. Doch dank des Internets ist es ja nun auch einfacher als jemals zuvor, direkt in die wundervolle und grässliche Welt des Gorno einzutauchen.