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Heulsuse der Woche

Wer hat in dieser Woche am meisten geflennt? „Stabila Deutscha“ Fler, der sich über die NPD aufregt, oder russische Politiker, die nicht aut Conchita Wurst klarkommen.

Foto: Nico Jenner / Wikimedia / Lizenz: CC-BY-SA-3.0 / Montage

Heulsuse #1: Fler

Der Vorfall: Die NPD wirbt in einem Rundschreiben an junge Leute zur Europawahl mit einer Textzeile von Fler. Die angemessene Reaktion: Fler macht sich Gedanken darüber, wie es soweit kommen konnte, und hält sich in Zukunft mit seinem zur Schau gestellten Nationalstolz zurück. Die tatsächliche Reaktion: Er versteht die Welt nicht mehr und verklagt die NPD. Die Nazivorwürfe gegen Fler sind ein alter Hut. Angefangen mit der Neuen Deutsche Welle über angebliche versteckte Hitler-Botschaften hin zu Thor-Steinar-Jacken in seinen Videos. Fler hat sich immer dagegen ausgesprochen und wir wollen ihm ja auch gerne glauben, dass er kein Nazi, sondern einfach ein „Stabila Deutscha“ ist—was auch immer stabil in diesem Zusammenhang bedeuten soll. Schlau bedeutet es jedenfalls nicht. Denn trotz aller Kritik hat Fler nie damit aufgehört, mit seinem prolligen Stolz auf Deutschland zu kokettieren und wie ein Irrer die schwarz-rot-goldene Fahne zu schwenken. Weil er darüber rappt, dass er als stolzer Germane diese „nicht nur zur Fußball-WM“ raushängt, lobte ihn jetzt die NPD in der Sächsischen Schweiz für seinen „Mut zum Nationalstolz“ und versuchte mit der Schützenhilfe des deutschen Bad Boys, Stimmen unter der verwirrten Provinzjugend des Osterzgebirges abzugreifen. Fler äußerte sich dazu vollkommen empört auf seiner Facebook-Seite: „Ich bin ehrlich gesagt schockiert darüber wie dreist die NPD versucht hier Junge Leute über solch eine Masche für sich zu gewinnen. Ich habe heute meine Anwälte informiert und wir werden Klage einreichen ! Ich und mein gesamtes Umfeld repräsentieren Toleranz und Respekt für alle Menschen! In meinem Bezirk hängen NPD-Plakate immer sehr weit oben an den Laternen damit wir sie nicht abreissen….“ Was die NPD zu ihrer Verteidigung sagen wird, wissen wir noch nicht. Vielleicht dachten sie, dass Fler—trotz all der Türken und Araber im Freundeskreis—wirklich einer von ihnen sei, sonst hätte er doch nicht immer so eindeutige Signale geschickt. Wer Sachen macht, die Nazis gut finden, darf sich nicht darüber wundern, wenn ihn am Ende Nazis selber gut finden. Hoffentlich hat Fler sich das jetzt wenigstens gemerkt und spart sich in Zukunft die altdeutsche Schrift oder den blöden Bundesadler in seinem Logo.

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Die NPD verwendete neben der Textzeile von Fler übrigens auch ein Zitat von Frei.Wild. Die haben auch geklagt.

Foto: Albion Olsson / Wikimedia / Lizenz CC-BY-SA-3.0 / Montage

Heulsuse #2: Dmitri Rogosin, Wladimir Schirinowski, Wladimir Jakunin und Valery Rashkin

Der Vorfall: Conchita Wurst gewinnt den Eurovision Song Contest und erhält auch aus Russland viele Publikumsstimmen.

Die angemessene Reaktion: Den Sieg anerkennen, sich freuen oder die Klappe halten.

Die tatsächliche Reaktion: Einige namenhafte russische Politiker ächten Conchita und sehen ihren Sieg als Symbol für den Niedergang der westlichen Zivilisation.

Der Sieg von Conchita Wurst beim ESC am letzten Wochenende war für die LGBT-Gemeinde in ganz Europa ein Grund zum Feiern. Einige hochrangige russische Politiker hingegen fühlten sich durch den Triumph der bärtigen Lady offenbar in ihrer männlichen Ehre gekränkt und nutzten den Wurst-Erfolg als Gelegenheit für eine Runde aggressives Homo-Bashing.

Bereits im Vorfeld war die Übertragung des ESC in den russischen Medien kritisiert worden, da es sich die Veranstaltung zum Ziel gesetzt hätte, „eine eindeutige Propaganda für Homosexualität und geistliche Verderbnis“ zu verbreiten.

Und nun brachte der Sieg von Conchita das Fass zum Überlaufen. Vizeregierungschef Dmitri Rogosin meldete sich empört bei Twitter zu Wort, um alle nicht regierungstreuen Bürger davon in Kenntnis zu setzen, dass sie als „Anhänger einer europäischen Integration“ am Ende „ein Mädchen mit Bart“ erwarte. Der raubeinige Rechtspopulist Wladimir Schirinowski, der in der Vergangenheit auch schon mal zur Vergewaltigung von Journalistinnen aufrief, ging noch weiter und deklamierte im russischen Fernsehen empört „das Ende Europas“.

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Ende dieser Woche setzte der russische Bahn-Chef Wladimir Jakunin noch einen drauf, als er im Rahmen eines Wirtschaftstreffens des deutsch-russischen Forums das gute Abschneiden Wursts beim russischen Publikum damit erklärte, dass es leider auch in seinem Land Menschen mit „abnormer Psychologie“ gäbe.

Valery Rashkin, der stellvertretende Vorsitzende der Kommunistischen Partei, glaubt unterdessen eine prima Lösung für das Problem gefunden zu haben. Um „den Wahnsinn“ zu stoppen, plant er mit Voice of Eurasia einen Contest, an dem sich ausschließlich Künstler aus ehemaligen Sowietstaaten beteiligen dürfen, die eindeutig heterosexuell sind.

Erinnert sich eigentlich noch irgendwer an den ESC-Auftritt von t.A.T.u?

Wer ist die größere Heulsuse?

Letzte Woche: Ein Fan des 1.FC Köln, der von Kevin Großkreutz mit einem Döner beworfen wurde, oder die Stadt München, die einen Hundebesitzer wegen Ruhestörung verklagte.

Der Gewinner: Die Stadt München!