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Heulsuse der Woche: Bayerische Polizei vs. LKA Hamburg

Dachauer Beamte beschweren sich darüber, dass ein Reggae-Festival sie als Zivilpolizisten enttarnt, und das Hamburger LKA kann Google nicht bedienen.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Die bayerische Polizei

Foto: Rafael Castillo | Flickr | CC BY 2.0

Der Vorfall: Ein Benefiz-Festival soll in Odelzhausen stattfinden. Besucherzahl: 2.000 Leute.

Die angemessene Reaktion: Als zuständige Polizei dafür sorgen, dass alles reibungslos abläuft und jeder gefahrlos Spaß haben kann—in angemessenem Rahmen.

Die tatsächliche Reaktion: Zugang zu allen Bereichen für 45 Zivilpolizisten sowie eine mobile Polizeistation fordern, sich anschließend darüber beschweren, dass die Festivalbetreiber sich wehren.

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Polizisten gehören zu Festivals wie unangenehmer Körpergeruch und alkoholbedingte Blackouts. Irgendjemand muss ja eingreifen, wenn die Sachen komplett aus dem Ruder laufen, richtig? In manchen Situationen allerdings übertreiben die Beamten ihre Rolle als Freund und Helfer des guten Bürgers dann doch—so geschehen im bayerischen Odelzhausen. Dort fand am vergangenen Wochenende das Riding Higher statt, ein Benefizfestival, mit dessen Erlös unter anderem Flüchtlingsinitiativen unterstützt werden sollen. Im Vorfeld waren rund 2.000 Karten verkauft worden. Die Veranstaltung war also durchaus überschaubar.

Für dieses Festival nun kündigte die zuständige Dachauer Polizei sich mit sage und schreibe 45 Zivilbeamten an, für die sie sowohl kostenlose Festivalbändchen als auch Zugang in sämtliche Backstage-Bereiche verlangte. Zusätzlich sollte außerhalb des Geländes eine mobile Polizeistation errichtet werden—denn diesen kiffenden Reggae-Hörern muss ja nun wirklich mal Einhalt geboten werden. Ein Umstand, den einer der Veranstalter gegenüber der SZ als in seinem Ausmaß „völlig neu und unverständlich" bezeichnete. „Der Einsatz kann keine Routine sein", sagte Ludwig Gasteiger und kündigte an, zwar kooperieren zu wollen, „aber nur im Rahmen des Gesetzes." Und so geschah es dann auch. Den Beamten wurde zwar Zutritt gewährt, Festivalbändchen bekamen sie allerdings nicht. Stattdessen wurden die Zivilpolizisten mehrmals wegen ihrer „fehlenden" Bändchen kontrolliert, zusätzlich wurde mit Lautsprecherdurchsagen und Flugblättern auf ihre Anwesenheit hingewiesen.

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Ein Grund für die Dachauer Beamten, ihre Herangehensweise zu überdenken und sich—und sei es nur im Nachhinein—mit den Veranstaltern des Riding Higher zu versöhnen? Aber nicht doch. Offensichtlich ziemlich angefressen von dem Umstand, dass der Polizeieinsatz wegen der Gegenwehr der Festivalbetreiber vorzeitig abgebrochen wurde, schrieb Inspektionsleiter Thomas Rauscher in einer Pressemitteilung: „Es wurde die polizeiliche Arbeit im Keim erstickt." Immerhin: Drogen wurden weder auf dem Gelände noch bei den Kontrollen der anreisenden Autos gefunden. Natürlich kein Grund für den erbosten Beamten, nicht trotzdem noch mal nachzutreten: „Warum reagiert der Veranstalter so? Muss man hier zum Schluss kommen, dass er ganz genau weiß, was auf seinem Festival-Gelände abläuft, und er deswegen die polizeilichen Maßnahmen boykottiert?" Wenn es im bayerischen Hinterland sonst keine Probleme gibt, können wir ja alle beruhigt sein.

Heulsuse #2: Das Landeskriminalamt Hamburg

Der Vorfall: Der Hamburger Rapper Johnny Mauser fordert in einem Song eine „Nazifreie Zone". Über zwei Jahre später geht deswegen eine Anzeige wegen Volksverhetzung ein.

Die angemessene Reaktion: Den Vorwurf gewissenhaft und fair überprüfen. Womöglich hat sich ein Nazi einfach auf den Schlips getreten gefühlt.

Die tatsächliche Reaktion: Die Sache ans LKA weitergeben und einen Durchsuchungsbefehl für die Räumlichkeiten des Labels beantragen.

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Die Polizei und HipHop—eine womöglich für immer andauernde Hassliebe. So auch im Fall von Johnny Mauser, der im Mai 2012 mit seinem Musikerkollegen Captain Gips den Song „Nazifreie Zone" veröffentlichte. „Ich mach die Stadt zu ner nazifreien Zone, wir haben es satt, Digger, nazifreie Zone, muck besser nicht in der nazifreien Zone, kein Platz für dich in der nazifreien Zone" hieß es in Anlehnung an den Track „Waffenfreie Zone" von Nate57. Wie die taz jetzt berichtet, ging über zwei Jahre später, am 16. November 2014, eine Anzeige über die Onlinewache der Polizei ein. Der Vorwurf: öffentlicher Aufruf zu Straftaten beziehungsweise Volksverhetzung.

Das klingt bereits ziemlich überzogen (vor allem, da es in aller Regel eher Nazis sind, die sich im Bereich der Volksverhetzung hervortun), auf welche Art und Weise mit dem Vorwurf dann aber weiterverfahren wurde, hat schon beinahe etwas von Realsatire. Der Fall wurde ans LKA übergeben, in die Abteilung Staatsschutz. Dort kamen dann die Ermittlungen erstmals ins Stocken, als die Beamten feststellen mussten, dass es sich bei „Johnny Mauser" nicht etwa um den bürgerlichen Namen des Musikers handelt, sondern um ein Pseudonym—was in Rapperkreisen nicht gerade unüblich ist. Anstatt die Identität des Verdächtigen durch einfache Recherchearbeit wie, sagen wir mal, Googlen herauszufinden, beantragte das LKA allerdings einen Durchsuchungsbefehl für die Büroräume des verantwortlichen Labels, Audiolith. Dem wurde aus nachvollziehbaren Gründen nicht stattgegeben (schließlich sei der Rapper eine öffentliche Person und seine Identität über mehrere Recherchewege herauszufinden), auch der Widerspruch gegen den richterlichen Bescheid wurde eingestellt und schlussendlich wurden die Ermittlungen nun komplett eingestellt. Zu Recht.

Wirklich interessant wird es allerdings, wenn man sich anguckt, wer sonst noch auf Audiolith gesignt ist. Bands wie Feine Sahne Fischfilet befinden sich bereits seit Längerem unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, was den Journalisten Patrick Gensing zu einem Verdacht bewegte. Wurde die Sache Johnny Mauser als Anlass genommen, um sich endlich mal genauer in den Räumlichkeiten der Plattenfirma umgucken zu können? Wir werden es wohl nicht erfahren. Bis dahin bleibt aber die Frage, was weniger schlimm ist: Beamte, die sich hintenrum versuchen, Durchsuchungsbefehle zu erschleichen, oder dass das LKA nicht einmal dazu in der Lage ist, sich einfachste Informationen zu ergooglen.

Letzte Woche: Ottmar Hitzfeld hat Angst, dass beim FC Bayern nicht mehr genug Deutsch gesprochen wird, und rechte Burschenschaftler hetzen gegen einen Münchner Biergarten.

Der Gewinner: die bayerischen Burschenschaftler!