FYI.

This story is over 5 years old.

News

Heulsuse der Woche: Die Adventskalender-Shitstormer vs. die Zuckerberg-Neider

Ein Haufen Spinner hat Angst vor der Islamisierung der Adventskalender, und die Deutschen hassen Zuckerberg, weil er viel Geld verschenkt.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Die Lindt-Adventskalender-Shitstormer

Screenshot: Facebook

Der Vorfall: Die Firma Lindt verkauft einen Adventskalender mit orientalischen Motiven, wie übrigens schon seit zehn Jahren.

Die angemessene Reaktion: Nichts. (Oder, wenn man besonders sensibilisiert ist, in der Mensa den latenten Orientalismus solcher Motive anprangern.)

Anzeige

Die tatsächliche Reaktion: Rassisten und Islamophobe rasten komplett aus und werfen Lindt vor, es bereite die Islamisierung des Abendlandes vor.

Es ist nicht immer leicht, seine gerechte Wut auf den Islam permanent am Glühen zu halten. Wenn die Muslime grade mal nichts anstellen, oder wenn man halt in Sachsen lebt, wo sowieso nur 0,1 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, dann kann es schonmal vorkommen, dass einem die Gründe für die eigene Angst vor der Islamisierung so ein bisschen ausgehen. Und so ist es auch kein Wunder, dass die Islamfeinde halt ein bisschen suchen müssen, um Beweise für die schleichende Islamisierung zu finden. Und am Mittwoch schienen sie einen gefunden zu haben: den „orientalischen" Adventskalender von Lindt!

Irgendjemand muss ein Bild des Kalenders in eine einschlägige Facebook-Gruppe gepostet und dazu geschrieben haben, dass Lindt jetzt wohl Adventskalender mit Moscheen drauf verkaufe. Anders lässt sich nicht erklären, dass am Mittwoch plötzlich zahlreiche Facebook-Nutzer wutentbrannte Nachrichten auf der Seite der Firma hinterließen. „Werbung für eine archaische Gesellschaftsordnung "ISLAM", in der Frauen gesteinigt werden, wenn sie angeblich fremd gegangen sind - Finde ich GESCHMACKLOS. Ich kaufe keine LINDT Schokolade mehr!", schrieb ein besonders erboster Kunde. „Wir werden von den Invasoren überrollt und dann so etwas", wunderte sich eine andere.

Auf Facebook blieb Lindt höflich, sprach sich für „Respekt und Toleranz" aus und erklärte: „Die Verpackung stellt eine Visualisierung der damaligen lokalen Lebensumstände dar. Dazu gehört auch Architektur und Kultur wie diese in der orientalischen Welt zu Christi Geburt gewesen sein könnte." Außerdem sei der Kalender schon seit 10 Jahren im Umlauf. Abgesehen davon, dass die Vorstellungen von der Architektur und Kultur zu Jesus Lebzeiten der Firma Lindt um ungefähr tausend Jahre daneben liegen, sollte das Shitstormer wohl zum Schweigen bringen. Immerhin ein Gutes hat die Aufregung: Der Kalender „1001 Nacht" ist über die ganze Aufregung zum Kassenschlager geworden.

Anzeige

Heulsuse #2: Die Zuckerberg-Neider

Mark Zuckerberg. Foto: imago | IP3Press

Der Vorfall: Mark Zuckerberg hat angekündigt, 99 Prozent seiner Anteile an Facebook wohltätigen Zwecken zu spenden.

Die angemessene Reaktion: Sich freuen, dass es in den USA als cool gilt, was für die Allgemeinheit zu tun.

Die tatsächliche Reaktion: Sofort meldeten sich in den deutschen Netzen Hunderte Menschen zu Wort, die Zuckerberg vorwarfen, er täte das nur „zu PR-Zwecken".

Man kann von Facebook halten, was man will, aber das ist eine große Geste: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nahm die Geburt seiner Tochter zum Anlass, um anzukündigen, er wolle 99 Prozent seiner Anteile an Facebook wohltätigen Zwecken spenden. Zum aktuellen Kurs beträgt der Wert dieser Anteile ganze 45 Milliarden Dollar—dreimal so viel wie der deutsche Bildungshaushalt. Das Geld soll—über viele Jahre hinweg—in Bildung, medizinische Forschung und breiten Zugang zum Internet investiert werden.

Statt sich darüber zu freuen, brach sich in den deutschen sozialen Netzwerken sofort eine Flut von Missgunst und Wut Bahn. „Ein absurd amerikanisch besoffener Post an sein Baby. Und es bleiben ihm dann auch nur noch ca 400 Mio. - Well.." twitterte sogar eine ARD-Journalistin. Andere warfen Zuckerberg vor, das Ganze nur zu tun, um Steuern zu umgehen (wie schlau!) oder eben „zu PR-Zwecken". Das Handelsblatt nannte die Spende „das höchste Marketing-Budget der Welt". Ein Bild-Kolumnist nannte sie „scheinheilig".

Anzeige

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob es nicht vielleicht für die Gesellschaft besser wäre, wenn Facebook zum Beispiel mehr Steuern zahlen würde, so dass der Staat mehr Geld zum Investieren hat. Man kann auch generell darüber nachdenken, ob das amerikanische System sich zu sehr verlässt auf private Spender, die immer auch private Interessen vertreten. Oder darüber, ob es überhaupt moralisch vertretbar ist, dass sich so viel Vermögen in den Händen Einzelner konzentriert.

Aber die Entrüstung der allermeisten Kommentatoren klang stattdessen ziemlich unmissverständlich nach reinem Neid. „Der hat ja dann immer noch 500 Millionen!" fasst die Einstellung perfekt zusammen: Statt darüber nachzudenken, was 45 Milliarden alles bewirken können, versuchen die Neider irgendwie den Fehler zu finden. Woher genau dieser Drang kommt, ist nicht bekannt. Aber der Verdacht liegt nahe, dass er aus einer ziemlich deutschen Geisteshaltung entspringt.

Hier abstimmen:

Der Gewinner der letzten Woche: Der asylkritische Arzt!