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Heulsuse der Woche: Ottmar Hitzfeld vs. bayerische Burschenschaftler

Ottmar Hitzfeld hat Angst, dass beim FC Bayern nicht mehr genug Deutsch gesprochen wird, und rechte Burschenschaftler hetzen gegen einen Münchner Biergarten.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden. Wen ihr gewählt habt, findet ihr unten.

Heulsuse #1: Ottmar Hitzfeld

Foto: imago/Sven Simon

Der Vorfall: Der FC Bayern verpflichtet mehrere Spieler aus dem Ausland.

Die angemessene Reaktion: Als ehemaliger FCB-Trainer hoffen, dass die kommende Saison überaus erfolgreich wird.

Die tatsächliche Reaktion: Sich darüber beschweren, dass zukünftig vielleicht niemand mehr im Team Deutsch spricht.

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Ach, Fußball. Du wunderbarer Sport, der du schwitzende Menschen mit Wadenzerrungen auf dem ganzen Globus zusammenbringst. Der du Leute vereinst, ganz ohne Worte. Denn auf dem Spielfeld sind alle gleich—außer man ist Lionel Messi, aber wie hieß es schon so schön in Animal Farm: „Alle Tiere sind gleich, nur manche Tiere sind gleicher als andere." Im Allgemeinen könnte man also sagen, dass nationale Ligen wie die Premier League oder hierzulande eben die Bundesliga zur Völkerverständigung beitragen. Zwar gibt es Quoten, nach denen eine bestimmte Anzahl deutscher Spieler zum Kader eines deutschen Clubs gehören müssen, tatsächlich ist es aber eben auch die Mischung aus Spielern verschiedener Länder und Hintergründe, die das Ganze überhaupt erst so richtig spannend macht.

Ottmar Hitzfeld, seines Zeichens hochdekorierter Fußball-Coach im Ruhestand, sieht das allerdings ein bisschen anders. In einer Kolumne für das Fachblatt Kicker äußerte er sich überaus besorgt über die aktuelle Verpflichtungsstrategie des FC Bayern München, dessen aktueller Trainer Pep Guardiola sich bei der Spieler-Akquirierung gerne im Ausland bedient. „Die Bayern müssen aufpassen, dass Deutsch die Hauptsprache in der Mannschaft bleibt und nicht nur Spanisch gesprochen wird", schreibt Hitzfeld. Schließlich müsse man „der deutschen Mentalität Rechnung tragen", was auch immer das bedeuten mag, und ganz im Allgemeinen sei es früher das erklärte Ziel des FCB gewesen, die besten Fußballer Deutschlands verpflichten zu wollen—nicht die besten überhaupt.

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Man kann sich nun natürlich die Frage stellen, ob es als Verein, der international konkurrenzfähig bleiben möchte, nicht irgendwie nachvollziehbar ist, dass auch mal über die eigenen Landesgrenzen geschielt wird. Außerdem ist es gerade auch für deutsche Spieler nicht die schlechteste Entscheidung, im Ausland zusätzliche Erfahrung zu sammeln. Und ernsthaft, Ottmar: Wäre es nicht auch irgendwie langweilig, wenn das Aufgebot des FC Bayern größtenteils exakt dem der deutschen Nationalmannschaft entsprechen würde? Immerhin: Mit seinen Worten hat er genau die Leute auf seiner Seite, die sich schon bei Welt- und Europameisterschaften in schöner Regelmäßigkeit darüber beschweren, dass der deutsche Kader nicht wie zu Zeiten Hitlers aussieht. Herzlichen Glückwunsch. Vielleicht ist neben den Meisterschalen und Champions-League-Erinnerungsfotos noch Platz für einen gerahmten Ausdruck der fremdenfeindlichsten Leserkommentare aus den einschlägigen Empörungsmedien.

Heulsuse #2: bayerische Burschenschaftler

Foto: Merle ja Joonas | Flickr | CC BY-ND 2.0

Der Vorfall: Der Inhaber des Münchner Hofbräukellers äußert, die Reservierungen von Burschenschaften gesondert zu prüfen, nachdem es in der Vergangenheit zu mehreren Negativ-Vorfällen kam.

Die angemessene Reaktion: Sich von den rechten und pöbelnden Burschenschaftsvertretern distanzieren, den Dialog suchen. In Anbetracht des entstandenen Schadens für den Wirt so etwas wie Verständnis aufbringen.

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Die tatsächliche Reaktion: Einen Shitstorm lostreten und den Wirt des Hofbräukellers auf Bewertungsportalen diskreditieren.

Wenn es etwas gibt, auf dass die Bayern so richtig stolz sind, dann ist es neben dem FC Bayern (und ihr schlagen wir eine elegante Brücke von der ersten zur zweiten Heulsuse) ihre Bier- und Wurstkultur. Zu besonderer Berühmtheit hat es in diesem Zusammenhang der Hofbräukeller in München gebracht, der zu den schönsten Biergärten der bayerischen Metropole zählen soll—und da gibt es wirklich verdammt viele Biergärten.

Kein Wunder also, dass es auch Studentenverbindungen, die im Allgemeinen nicht unbedingt als trinkfaul gelten, immer wieder in die Lokalität am Wiener Platz zieht, um dort das ein oder andere Bierchen zu zischen—und rassistische Parolen zu grölen. Ja, ihr habt richtig gelesen. Laut FAZFAZ und Münchner tz kam es in den vergangenen Monaten zu mehreren unangenehmen Zwischenfällen, bei denen Burschenschaftler durch rechtsradikale Gesänge, Sachbeschädigung und Belästigung von Personal und Gästen negativ aufgefallen seien. Grund genug für den Wirt, Friedrich Steinberg, Reservierungen solcher Vereinigungen zukünftig „äußerst restriktiv zu behandeln".

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Als er diese neue Verfahrensweise zu Beginn der Woche dann auch erstmalig umsetzte und einer Verbindung den Tisch im Hofbräukeller verweigerte, passierte das, was heutzutage immer passiert, wenn Leute mit Internetverbindung wütend werden: Ein Shitstorm brach los. Genauer gesagt: Burschenschaftler veranstalteten nur wenige Stunden nach dem Vorfall einen regelrechten Negativ-Bewertungssturm auf diversen Gastronomieportalen. Zusätzlich zu Kommentaren, in denen der Biergarten unter anderem als „Touristenfalle mit politisch korrekten Schickeria-Allüren" bezeichnet wurde, sah sich Steinberg außerdem dem Vorwurf ausgesetzt, alle Verbindungen in einen Topf zu werfen.

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Mittlerweile scheint sich die ganz große Aufregung allerdings auch schon wieder etwas gelegt zu haben. Der Hofbräukeller-Inhaber und ein Verbindungsmitglied wollen die Probleme jetzt im persönlichen Gespräch aus der Welt schaffen. Vielleicht auch bei dem ein oder anderen Bier. Schließlich ginge es Steinberg nur darum, nicht länger betrunkene Nazis bewirten zu müssen. Ein Standpunkt, der nachvollziehbarer nicht sein könnte.

Das Ergebnis

Bei unserem bayerischen Heulsusen-Special ging es nicht nur um die (Weiß)wurst, sondern um die ungleich größeren Nationalschätze: Bier und den FC Bayern München. Umso erstaunlicher ist es, dass euer Votum vergleichsweise deutlich ausfiel. Mit 65 Prozent setzten sich die Burschenschaftler gegen Ottmar Hitzfeld durch. Wir hoffen, dass sie aus Freude darüber nicht die erste Strophe des Deutschlandlieds anstimmen.

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