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Heulsuse der Woche: Ronja-von-Rönne-Diskutanten vs. Homo-Ehe-Gegnerin

Die Diskussion um einen dummen Feminismus-Text läuft komplett aus dem Ruder und eine CDU-Politikerin stellt die Homo-Ehe mit Inzest gleich.
Da helfen auch HipHop-Gesten nicht. Foto: imago | Sascha Ditscher

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Alle, die an der aktuellen Feminismus-Diskussion um Ronja von Rönne beteiligt sind

Der Vorfall: Ronja von Rönne schreibt für welt.de einen ziemlich unreflektierten Artikel darüber, warum sie Feminismus „ekelhaft" findet. Der findet scheinbar auch bei rechten Frauengruppen Anklang. Anschließend wird bekannt, dass sie für einen Literaturpreis nominiert wurde.

Die angemessene Reaktion: Es ignorieren. Diese beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun.

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Die tatsächliche Reaktion: Es medial komplett hochkochen, Drohungen ausstoßen, alles in allem komplett eskalieren.

Entgegen der oftmals so populären Annahme, dass für Online-Magazine „jeder Idiot"/„Praktikant" schreiben darf—dem ist nicht so. Gerade für junge Menschen ist der (bezahlte) Einstieg in die Medienbranche nicht gerade einfach, dementsprechend könnte man durchaus sagen: Respekt an Ronja von Rönne, die es mit 23 Jahren zum mehr oder minder festen Redaktionsstamm von Welt Online gebracht hat. Im Rahmen dessen hat sie im April allerdings den Artikel „Warum mich der Feminismus anekelt" geschrieben und bei aller Solidarität unter Kolleginnen: Der war ziemlich dumm. Warum dem so ist, hat Svenja Gräfen hier schon ganz hervorragend zusammengefasst und eigentlich gibt es dazu auch nicht mehr zu sagen. Es war nur ein Artikel von einer jungen Autorin, die sich mit Feminismus nicht so richtig beschäftigt hat (oder beschäftigen will), weil sie ihn bisher nie gebraucht hat.

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Jetzt, zwei Monate später, geistern von Rönne und ihr Artikel erneut durch alle Kanäle, offene Briefe werden geschrieben, ohne irgendetwas wirklich Neues zur Debatte beitragen zu können und im Allgemeinen scheint es für die immer etwas inzestuös anmutende Medienjournalismus-Ecke gerade kaum ein spannenderes Thema zu geben. Grund dafür ist, dass der Anti-Feminismus-Text bei rechten Gruppierungen ziemlich gut angekommen ist—und von Rönne für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert wurde.

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Die Nominierung bezog sich zwar nicht auf den Feminismus-Text und wer deine Texte gut findet, kann man sich so konkret ja nun auch nicht aussuchen, trotzdem brach plötzlich erneut ein mittelgroßer Shitstorm los. Rechtspolitisch gefeierte Beiträge sollen eine Chance auf einen der wichtigsten literarischen Preise im deutschsprachigen Raum bekommen? Unmöglich! „Antifa-Pfarrer" Hans-Christoph Stoodt ließ sich sogar zu einem (mittlerweile gelöschten) Tweet hinreißen, der von Rönne die eigene Sterblichkeit („‚Adel ist was für die Laterne'. Ça irá, #BachmannPreis, ça irá, von Rönne!") vor Augen rief. Das wiederum ließ die Situation endgültig eskalieren. Die Welt nahm ihre Autorin in einem Kommentar in Schutz, die ehemalige Feminismus-Debatte war plötzlich zu einem Diskussions-Monstrum über vermeintliche Morddrohungen, Meinungsfreiheit und den Status Quo der Internet-Kommentierungs-Kultur ausgewachsen und Ronja von Rönne sah sich schließlich sogar dazu gezwungen, ihren privaten Blog offline zu nehmen.

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Weil das alles so unfassbar übertrieben und grundlos dramatisiert wurde, möchten wir an dieser Stelle erstmals keine Einzelperson, Gruppierung oder Partei zur Heulsuse der Woche nominieren, sondern eine Diskussion. Nicht, weil sie uns „anekelt", sondern weil sie nervt. Die Welt wollte mit einer möglichst überspitzten These Aufmerksamkeit und hat sie auf allen Kanälen bekommen. Plötzlich ist aus der unreflektierten Scheißegal-Meinung einer Jungautorin eine ernstzunehmende Stimme zum Feminismus geworden und je länger, und je intensiver dieses Thema medial breitgetreten wird, umso mehr Bedeutung wird der ganzen Sache gegeben. Es ist nur ein Text. Nicht einmal ein guter. Get over it.

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Heulsuse #2: Annegret Kramp-Karrenbauer

Der Vorfall: Aktuell wird in Deutschland auf gesellschaftlicher und politischer Ebene das Theme Homo-Ehe heiß diskutiert. Die CDU, darunter auch die saarländische Ministerpräsidentin, sind dagegen.

Die angemessene Reaktion: Sich der eigenen Ressentiments entledigen und Homosexuellen dieselben Möglichkeiten geben wie Heterosexuellen.

Die tatsächliche Reaktion: Homosexuelle Beziehungen mit Inzest gleichsetzen.

Weil wir uns ungern wiederholen: Dass in Irland die Verbindung zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern der von Mann und Frau gleichgestellt wurde, ist wundervoll. Noch besser wäre es, wenn das der finale Anstoß für die deutsche Regierung sein könnte, es den Iren gleichzutun und homosexuellen Paaren nicht länger das Gefühl zu geben, dass ihre Beziehungen weniger wert sind als die von Heterosexuellen. Stattdessen wird jetzt aber erst einmal diskutiert und warum diese unselige Debatte ein für allemal beendet werden muss, könnt ihr ausführlich und in voller Länge hier nachlesen.

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Zu den Parteien, die sich diesen Verstoß gegen ihr vermeintlich christliches Weltbild so gar nicht vorstellen können, gehört unter anderem die CDU. Deren Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat es jetzt sogar geschafft, sich argumentativ derart ins Abseits zu schießen, dass sie von der Berliner Anwältin Sissy Kraus wegen Volksverhetzung angezeigt wurde. Im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung hatte Kramp-Karrenbauer ihr Problem mit der Homo-Ehe nämlich folgendermaßen erklärt: „Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen."

Die Debatte um die Homo-Ehe muss endlich aufhören.

Damit sorgte sie nicht nur für Entsetzen bei der politischen Konkurrenz, sondern auch im eigenen Lager. So unterstellte ihr auch CDU-Kollege Stefan Kaufmann „Argumentationsnot". „Diese Äußerung ist nicht mehr nur homophob, sondern auch menschenverachtend und in ihrem Gehalt gleichzusetzen mit den ähnlich verachtenden Äußerungen 1933–1945", heißt es nun von Seiten der Berliner Anwältin, deren Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft Saarbrücken weitergeleitet wurde. Auf Facebook bekam Sissy Kraus dafür jede Menge Zuspruch, inwiefern dieser Schritt der Diskussion um die Homo-Ehe wirklich zuträglich ist, bleibt abzuwarten.

Letzte Woche: Kay One beschwert sich, dass seine Ex Mandy ihn nicht mehr grüßt, und eine Massentierhaltungsgegnerin versteckt Nadeln in Supermarkt-Hackfleisch.

Der Gewinner: Kay One!