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Heulsuse der Woche: Weinbrand-Neonazis vs. Döner-Freund

Drei Neonazis bezeichnen sich selbst als nicht rechtsextrem, nachdem sie einen Molotowcocktail in ein Flüchtlingsheim geworfen haben und ein Mann steigt mit einem Döner in der Hand in einen Bus.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Die Weinbrand-Neonazis

Titelfoto: Der Weinbrand-Neonazi. Foto: Imago | Localpic

Der Vorfall: Drei Personen warfen einen Molotowcocktail in ein Kinderzimmer des Flüchtlingsheims in Salzhemmendorf. Der Prozess wurde diese Woche eröffnet.

Die angemessene Reaktion: Tiefe Reue zeigen und froh darüber sein, dass niemand umgekommen ist.

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Die tatsächliche Reaktion: Sich selbst vor Gericht als nicht fremdenfeindlich einschätzen bei gleichzeitiger Berufung auf Unzurechnungsfähigkeit, weil man zu viel Alkohol getrunken habe.

„Was ist des Deutschen Vaterland? Ist es das Preussen, ist es das Schwabenland, ist es wo am Rhein die Rebe blüht, ist es wo am Belt die Möwe zieht?" *

Was sich die rechtsnationale Truppe Sturmwehr in einem ihrer Lied-Ergüsse fragt, kann diese Woche mal wieder relativ schnell beantwortet werden: Das deutsche Vaterland sind zwei ausgeleerte Flaschen Weinbrand und sechs bis acht kleine Bier.

Im vergangenen Sommer haben in Salzhemmendorf bei Hameln in Niedersachsen drei junge Erwachsene aus nationalem Leichtsinn das Kinderzimmer eines Flüchtlingsheims angezündet. Glücklicherweise hat das dort für gewöhnlich schlafende Kind gerade diese Nacht bei der eigenen Mutter verbracht— und der selbstgebaute Molotowcocktail hat durch das schnelle Eingreifen der örtlichen Feuerwehr niemanden verletzen können. Der Prozess gegen die drei Täter Dennis L., Sascha D. und Saskia B. wurde diese Woche eröffnet. Die Anklage lautet: Versuchter Mord und versuchte schwere Brandstiftung.

Deutschland, deine Garagen. Wo der Dokumentarfilmer Ulrich Seidl in seinem jüngsten Film Im Keller mittels einer vorsichtigen und aufgeräumten Bildsprache die geheimen und bizarren Obsessionen der Österreicher abbildet, spielt sich in Deutschlands Hobbyräumen eher eine unschöne Vermischung von Hochprozentigem und Volksverhetzendem ab: Zwei Stunden vor dem Brandanschlag laufen in der Garage von Dennis L. neben ordentlichen Mengen billigem Fusel YouTube-Playlisten von Kategorie C, Sturmwehr, Nordfront und Brigade 66. „Irgendwie ging es thematisch um Ausländer, Asylbewerber und die aktuelle politische Lage", so beschreibt Dennis L. vor Gericht das mit Sascha D. geführte, gemeinsame Pläusschen in heimeliger Atmosphäre. Was sich auf den ersten Silberblick noch nach einem politischen Diskurs anhören könnte, wird von der angeklagten Mittäterin Saskia B. mit Zitaten wie „Wenn ein Neger brennt, feiere ich richtig" geschildert. Der in den Wochen zuvor geführte Chat-Verlauf der Angeklagten spricht zudem eine eindeutige Sprache: Der NDR veröffentlichte daraus in einem Videobeitrag Sätze wie „Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um!!!", oder „Die Grundschule wird ein Asylheim. Hoffentlich wird die bald abgefackelt!". Vor Gericht stufen sich Dennis L. und Sascha D. als nicht rechtsextrem ein. … Äh, aha. Was man angesichts solcher Aussagen nur nur noch am Rande erwähnen muss: Sascha D. wurde schon einmal für das Zeigen des Hitlergrußes verurteilt.

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Weiterhin berufen sich zwei der drei jungen Erwachsenen trotz der Beweislast der Aussagen und Chat-Verläufe auf Erinnerungslücken und einen auf den Alkohol zurückführenden, folgenden Kontrollverlust über das eigene Handeln. Dennoch schienen sowohl Sascha D. als auch Dennis L. fünf Stunden nach dem Brandanschlag in der Lage gewesen zu sein, pünktlich bei ihrer Arbeit zu erscheinen. Lieber Sascha, lieber Dennis und liebe Saskia, auch wenn es eurem kleinen, stolzen deutschen Herzen weh tut, aber ihr werdet euer geliebtes Weserbergland wohl bald für längere Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen. Laut dem Gerichtssprecher droht den Dreien eine Haftstrafe zwischen drei und fünfzehn Jahren.

_*Mir _stürmen_ immer noch die Ohren, weil ich mir für dieses Zitat ein Lied dieser Band auf YouTube anhören musste._

Heulsuse #2: Der Berliner Döner-Freund

Foto: Imago | CHROMORANGE

Der Vorfall: Ein Mann nimmt seinen Döner mit in den Bus. Anschließend wird er vom Busfahrer zum Verlassen des Busses aufgefordert, da der Verzehr von Speisen nicht gestattet ist.

Die angemessene Reaktion: Den Bus grummelnd, aber hungrig verlassen. Seinen Döner verspeisen und den nächsten Bus nehmen.

Die tatsächliche Reaktion: Den Busfahrer schlagen und dann von der Polizei abgeführt werden.

Eigentlich stehen gerade alle popkulturellen Zeichen auf Döner. So landete der Kreuzberber Rapper Drob Dynamic vor wenigen Tagen mit seiner Ode an das in Fladenbrot gebettete Drehfleisch einen Youtube-Hit.* Dass ein Döner allerdings auch als Waffe benutzt werden kann, wissen wir dank Kevin Großkreutz alle. Niemand hatte aber auf dem Schirm, dass es im Jahr 2016 dank eben jener Speise noch einmal zu einer Gewalttat kommen würde: So wurde ein Mann mit einem Döner in der Hand nach Betreten eines Berliner Busses dazu aufgefordert, das Gefährt wieder zu verlassen. Er weigerte sich und nachdem er den Busfahrer schlagen wollte, riefen Fahrgäste die Polizei. Der Mann wurde anschließend gewaltsam aus dem Bus gezwungen.

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Zugegeben: Die Berliner Verkehrsbetriebe haben nicht das beste Image. Die verlorene Leichtigkeit wollte die BVG so mithilfe der im vergangenen Jahr gestarteten Image-Kampagne #weilwirdichlieben wieder neu erlebbar machen. Teil der Kampagne war auch ein Einbruch in die Welt der Memes— Gegen Summe X wurde der eher weniger smarte Internet-Schlager „Ismiregal" des Youtubers Kazim Akboga kurzerhand für die BVG umgedichtet: So konnte man unlängst noch hören, dass mögliche unangenehme Situationen wie zu lautes Musikhören, das Nutzen der U-Bahn für den Möbeltransport oder Poledancing an den Haltestangen den BVG-Angestellten schlichtweg egal ist. OK, es wird nicht gesagt, dass das Essen eines Döners der BVG egal sei. Aber musste man dem Döner-Freund seinen Döner-Spaß wirklich verübeln?

Jeden Tag werden in Deutschland rund 1,15 Millionen Döner über die Ladentheke gereicht— wie groß der Berliner Anteil daran ist lässt sich nicht genau sagen. Jedoch kann man bei 1300 Hauptstadt-Dönerbuden und eigener Erfahrung davon ausgehen, dass das Mitführen der türkisch-deutschen Speise in den Berliner Verkehrsbetrieben keine Seltenheit darstellt. Klar, der Döner macht meistens nur den Besitzer selber glücklich: Der Geruch zieht vor allem in geschlossenen Fahrzeugen zum Leidwesen aller Mitfahrer gerne mal durch ein ganzes Abteil. Und dem Busfahrer Prügel androhen gehört auf keinen Fall zum guten Ton. Dass die BVG aber angesichts der laxen Umsetzung des laxen Werbeversprechens nicht auch als Heulsuse da steht, lassen wir mal dahingestellt. Wie aggressiv sich die Berliner Busfahrer manchmal im Ton gegenüber ihren Kunden vergreifen, möchte der Autor auch nicht näher beschreiben.

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Neben einem Anti-Aggressions-Training für den Döner-Liebhaber wünschen wir dem Busfahrer einen neuen Fahrsitz-Überzug mit Massage-Funktion und zudem ein geweitetes Auge für kommende Fahrten: Denn vielleicht hätte er sich einfach mal näher mit dem von seinen Arbeitgebern eingekauften Internet-Sternchen auseinandersetzen sollen— dann hätte er mit Sicherheit auch diese musikalische Perle gefunden: „Döner dreht sisch immer weiter. Leben is wie ein Leiter. Gehst du hoch, fällst du runter."

* Da das Video auf JuliensBlog veröffentlicht wurde, bieten wir euch hier nur einen

DoNotLink

an. Wir möchten dem Kanalbetreiber, der gerade für seinen Ausschwitz-Vergleich zu 15.000 Euro und einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nicht unbedingt noch weitere, gesteigerte Google-Aufmerksamkeit gönnen.

Letzte Woche:

Bayerische Politiker gehen auf die Barrikaden, weil Bayern 1 keine Volksmusik mehr spielen will, und eine 78-jährige Unfallverursacherin wird gegenüber der Polizei handgreiflich.

Der Gewinner: die bayerischen Volksmusikfans!