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„Ich mache mir um alles Sorgen“: Wofür wir als Kinder gebetet haben

Ein Buch mit Kindergebeten aus dem Jahr 2005 dokumentiert unseren Weltschmerz von damals.

Alle Fotos vom Autor.

Vor mittlerweile 11 Jahren, als meine alte Schule gerade ihr 75-jähriges Bestehen feierte, war meine Religionslehrerin fest entschlossen, die beste Religionslehrerin zu sein, die diese Welt je gesehen hatte. Das äußerte sich unter anderem in exzessivem Ausmalen von Mandalas, Liedern über Jesus und klassenübergreifenden Mega-Projekten—eines davon war ein Buch, in dem eigens verfasste Gebete der Schüler gesammelt und gebunden wurden.

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Alle vier Jahrgänge—Kinder im Alter zwischen 10 und 14 Jahren—mussten die Reli-Freistunde also ausnahmsweise mal dafür opfern, einen ganz persönlichen Text an Gott zu verfassen. Wie es einem so geht, wofür man im Leben dankbar ist—das Übliche. Wie ein Brief an einen alten Freund. Den Inhalten nach zu urteilen dürfte nicht allen Schülern gänzlich bewusst gewesen sein, dass diese Texte später ein Buch ergeben sollten.

Wie diese Texte letztendlich gestaltet wurden, variierte je nach Klasse. Manchen wurde völlig freie Hand gelassen, anderen wiederum eine bestimmte Form vorgegeben. Die Ergebnisse reichten von aufwändig verzierten Gedichten, Beichten und heimlichen Berufswünschen bis hin zu ehrfürchtigen Danksagungen für den Heavy Metal. In besonderen Fällen schienen auch Begrüßungen wie „Seas Gott!" oder „Hi Gott, du altes Haus!" durchaus angemessen. „Ich besuche dich in 80 Jahren" klingt darunter fast schon wie eine Drohung.

Manche Kinder bekundeten Zweifel an der Existenz Gottes, zeigten Unverständnis gegenüber Hänseleien von Mitschülern mit „komischem" Körpergeruch und machten sich große Sorgen um ihre Zukunft—oder generell um alles. Kindlicher Weltschmerz tut halt so viel mehr weh als erwachsener. Kleine Menschen, große Gedanken.

Die Verfasser dieser Texte sind heute Anfang und Mitte 20. Ich hoffe, Georg geht es inzwischen besser.

Wir hoffen, Lukas hat von Gott ein cooles Auto bekommen. Oder vom Weihnachtsmann. Oder er hat es sich selbst gekauft und ist mit dem Egger Peter aufs GTI-Treffen am Wörthersee

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Wir auch nicht, Martina. Wir auch nicht.

Cradle of Filth. Amen. Ich glaube, wir müssen im nächsten Artikel herausfinden, was aus den Menschen tatsächlich geworden ist.

Ja, Gott, warum? Mario ist vermutlich heute einer von denen, die in den Panama Papers vorkommen, die Schuld aber beim Nachbarn, der Cousine dritten Grades oder Gott gefunden haben.

David, wenn du das liest—melde dich. Wir möchten so gerne wissen, ob du deinen Wunschtraum erfüllt hast. Peace.

Ernst und der namenlose Kollege von oben haben heute hoffentlich eine gemeinsame Band, mit der sie zumindest so erfolgreich sind, dass in der ersten Reihe 4 Mädels zum schauen stehen.

Hast du, Oliver? Hast du?

Dieser Brief sagt viel mehr über Daniel und Gerhard als über Stefan. Daniel ist heute bestimmt Chef.

Eiskalt. Tschüss