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The Issue That Cares

Hollywood hart gesotten

Von James Dean bis Charles Manson kennt der Schriftsteller John Gilmore alle Hollywoodstars und ihre schmutzigen und verdorbenen Geheimnisse.

Ich mag es eigentlich nicht, wenn Freunde mir Bücher aufdrängen, in der Art: „Das musst du unbedingt lesen. Hier, nimm mein Exemplar.“ Und dann bei den folgenden fünf Gesprächen Berichte über den Lesefortschritt aus mir herauspressen wollen. Aber als mir irgendjemand vor ein paar Jahren John Gilmores Laid Bare zusteckte, überwog Neugier meine Abneigung. Schon das Buchcover ist gelungen—ein oranger Duoton-Druck von Gilmores Gesicht mit dem in Futura-Lettern gestalteten Untertitel: Memoiren über gescheiterte Leben im Hollywood Todes-Trip. Auf dem Backcover werben V. Vale, Gary Indiana und Genesis P-Orridge für den Inhalt: „Wir werden durch ein implodierendes Konvolut der Lust an unablässiger Ausbeutung geschleudert.“ Und tatsächlich, ich konnte es nicht weglegen. Die in Laid Bare versammelten Personen—Berühmtheiten und andere Prominente, die Gilmore in den 50er- und 60er-Jahren persönlich kannte—sind Figuren in einem kaleidoskopartigen schlechten Traum über die Verrücktheit und das Zersetzende des Ruhmes. Janis Joplin, Hank Williams, Lenny Bruce, Steve McQueen („geradezu vollkommene Selbstverzehrung“), Brigitte Bardot, Dennis Hopper, Jean Seberg, Jack Nicholson („ein Schatten mit hämischen Augen“), die beiden Mörder Charles Schmid und Charles Manson, Jane Fonda, Curtis Harrington und schließlich James Dean. Insbesondere James Dean. Gilmore lernte Dean kennen, kurz bevor dieser zum Kinostar aufstieg. Ihre Freundschaft war, wie Gilmore schreibt, ein erotisches Druck–Abwehr–Gemisch bizarrer Anmachen und Grabschereien. Gilmore wuchs als Sohn einer Laiendarstellerin und eines Beamten des L.A. Police Department in den 1940er-Jahren in L.A. auf. Er fing früh mit der Schauspielerei an und war schon als Teenager auf dem Weg zum Hollywoodruhm. Mit seinem geselligen Wesen bewegte er sich auf den Parketts Dutzender Cliquen und Szenen im L.A. und New York der 50er- und 60er-Jahre. Als er später die Schauspielerei für das Schreiben aufgab, nutzte Gilmore seine vielen Beziehungen und holte sich von Kriminalbeamten und Journalisten den nötigen Input für eine packende Krimiserie mit authentischem Hintergrund. Ich habe sie alle gelesen, unter anderem Severed: The True Story of the Black Dahlia Murder (durch jahrzehntelange akribische Nachforschungen gelang es Gilmore, den berüchtigtsten Mordfall von L.A. praktisch zu lösen), Garbage People (über die Charles-Manson-Family, besser als die Neuerscheinungen Helter Skelter und The Family), Cold-Blooded: The Saga of Charles Schmid, The Notorious „Pied Piper of Tucson“ (mein Gott!), und sein letztes Buch L.A. Despair: A Landscape of Crimes & Bad Times (mit grauenhaften Abschnitten über die monströse Schauspielerin Barbara Payton, die mordenden Soziopathen Billy Cook und Barbara Graham, die „Four on the Floor“-Drogenmorde in der Wonderland Avenue und Spade Cooley, einen Country-Swing-Geiger und Moderator einer der erfolgreichsten Fernsehshows, bis er in einem wahnwitzigen Ausbruch von Eifersucht seine Frau zu Tode schlug). Und dann sind da noch seine Romane: Fetish Blonde, Hollywood Boulevard, Crazy Streak, und … ich vergaß seine Freundschaften mit Marilyn Monroe, Jack Kerouac, Ed Wood, Jayne Mansfield, Darby Crash und unzähligen anderen Größen der Musik- und Filmszene zu erwähnen. John ist vor Kurzem 76 geworden. Er lebt noch immer in Hollywood, die Stadt, die er über alles liebt. VICE: Dein neuestes Buch L.A. Despair über einen wahren Kriminalfall baut auf fünf separaten, in gleicher Weise spannenden Geschichten auf. Die erste handelt von dem gut bestückten Pornostar der 70er-Jahre John Holmes, der in die Mordserie „Four on the Floor“ in der Wonderland Avenue involviert war. Aber du richtest den Fokus auf einen Typen, der höchstwahrscheinlich die Fäden in dieser Geschichte zieht, einen schmierigen Kerl mit dem Namen Eddie Nash. Ist Nash schon verrückt zur Welt gekommen oder ist ihm einfach sein unmäßiger Kokainkonsum zu Kopf gestiegen?
John Gilmore: Das hat sicherlich dazu beigetragen. Eddie war ein Typ, der einfach so viel Geld wie möglich machen und ein cooles Leben in Hollywood leben wollte. Und nichts anderes hat er getan. 1959 machte er einen kleinen Hamburgerstand auf dem Hollywood Boulevard auf. Ich erinnere mich, da ein paar Mal mit Susan Oliver [einer Schauspielerin] gewesen zu sein. Er ist dann im Norden Hollywoods, im Valley, immer mehr ins Pornogeschäft eingestiegen, damit lief er aber vor die Wand. Einmal drehte ein Produzent und Regisseur einen Film für ihn und das Mädchen starb beim Vögeln an einer Überdosis. Er war nur um das Bildmaterial besorgt. „Dreh’ sie um, wir können das mit einer Einstellung über die Schulter zu Ende bringen. Wir müssen ihr Gesicht ja nicht zeigen.“ Im Laufe der Jahre lernte ich viel über die Dinge, die mich interessierten. Und ich dachte mir: „Ich werde über alle diese Fälle in kleinen Ausschnitten schreiben.“ So entstand L.A. Despair. John Gilmore bei einem schönen Stückchen Torte und einem Käffchen in seinem Stammlokal in L.A. Seltsamerweise wurde Eddie Nash zuerst gar nicht wegen der Wonderland-Morde verknackt. Man nahm ihn wegen Kokainbesitzes fest, er kam aber früher wieder raus, weil er einen Richter bestochen hatte. Als er später wieder in der Bredouille steckte wegen anderer Aspekte dieser Mordfälle, zog er sich aus der Affäre, indem er einen Geschworenen bestach. Hat er irgendwann länger eingesessen?
Nicht länger als etwa 30 Monate. Und was treibt er wohl heute?
Niemand weiß heute Näheres über Eddie Nash. Er hat ein Haus gekauft für seine Mutter. Hatte John Holmes einen kriminellen Charakter? Oder war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort?
John wollte Ruhm. Er wollte bewundert und respektiert werden, nicht nur für seinen großen Schwanz. Er stieg ins Pornogeschäft ein und ist gleichzeitig schwer auf Drogen gekommen. An einem Wochenende konnten da Tausende Dollar für Koks drauf gehen. Das ist wohl die falsche Droge, wenn es dir wichtig ist, deine Erektion zu halten.
Richtig, das hat ihm sehr zu schaffen gemacht. Und die Leute haben ihn auch ausgenutzt. Er manövrierte sich in Situationen, die er nicht mehr überblickte. Im Grunde war er ein netter Kerl. Ich traf ihn das erste Mal auf dem Santa Monica Boulevard. Da war ein unbebautes Grundstück, auf dem öfter eine Art Flohmarkt stattfand. Er verkaufte irgendwelchen indischen Schmuck und Lederjacken. Das war lange, bevor er berühmt wurde. Über dein Leben liest man immer wieder, dass du in den 50er- und 60er-Jahren Schauspieler warst, bevor du deiner schriftstellerischen Berufung gefolgt bist. Warst du gerne Schauspieler?
Ich habe die Schauspielerei sehr gemocht. Das hat Spaß gemacht, vor allem auf der Bühne, die ich noch mehr liebte als den Film. Ich hatte aber nie das Gefühl, hier alles geben zu können, so wie es für mich beim Schreiben ist. Es ist ähnlich wie beim Malen. Da fehlt immer etwas.

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Du hast dich von der Schauspielerei abgewendet aufgrund eines Vorkommnisses, an dem auch deine Freundin Marilyn Monroe beteiligt war. Früher einmal hast du mir von einer Gruppe erzählt, die regelmäßig an ihrem Todestag auf dem Friedhof von Westwood in Hollywood zusammenkommt.
A. C. Lyles ist die tragende Persönlichkeit von Paramount; er ist untrennbar mit diesem Namen verbunden. Er hielt vor ein paar Jahren eine Rede auf der Gedenkveranstaltung für Marilyn. Er fragte die Anwesenden in der Friedhofskapelle: „Wer von euch glaubt, dass Marilyn umgebracht wurde?“ Die meisten hoben ihre Hand. „Wer von euch glaubt, dass sie Selbstmord begangen hat?“ Zwei oder drei Leute zeigten auf. „Wer von euch glaubt, dass sie infolge einer unbeabsichtigten Überdosis Tabletten gestorben ist?“ Eine Person hob ihre Hand. Und genau das ist die Wahrheit: Sie starb an einer versehentlichen Überdosis an Medikamenten. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Norman Mailer hat sein Buch darüber geschrieben und dieser durchgeknallte Antikommunist [Frank A.] Capell setzt sein Scheiß-Pamphlet in die Welt, in dem er behauptet, Kennedy hätte etwas damit zu tun. Ich hatte vor, in einem Film mit ihr in einer Hauptrolle zu spielen, das wäre der Höhepunkt dessen gewesen, was ich als Schauspieler erreichen wollte. Aber [nach ihrem Tod] interessierte mich das alles nicht mehr. Was war das für ein Film?
The Stripper, eine Verfilmung des Dramas A Loss of Roses von William Inge. Ich traf Inge in New York, als ich für Splendor in the Grass vorsprach. Er schrieb damals gerade an A Loss of Roses und erzählte mir: „Immer wenn ich an der Rolle der Lila schreibe, höre ich Marilyn zu. Ich schreibe, was Marilyn sagt.“ Das war mir sympathisch. Das war für mich richtig cool. Sie war zu diesem Zeitpunkt gerade in New York und er sagte, sie sei die einzige Person, die so etwas tun könne. [Lee] Strasberg hätte das natürlich nicht zugelassen und ihr klargemacht, dass sie auf der Bühne gar nichts verloren hat. In gewisser Weise hatte er Recht, sie wäre auf manche Schwierigkeiten gestoßen. Manchmal ließ sie ihr Gedächtnis etwas im Stich. Dann spielte ich in L.A. die Hauptrolle in A Loss of Roses. Brando’s bester Freund, Sam Gilman, führte Regie. Auf dieser Grundlage bekam ich die Rolle in The Stripper. Sie wollten die Hauptrollen mit Marilyn und, wie ich hoffte, mir besetzen. Aber dieser Plan ging wegen ihrer Probleme mit der Rückkehr nach New York und mit Fox nicht auf. Schließlich wurde sie gefeuert. Und dann kam das Schreiben. Wie lange machst du das schon?
Seit meiner Kindheit. Ich dachte nie viel darüber nach, aber als ich die Schauspielerei aufgab, fing ich an, regelmäßiger Drehbücher zu schreiben, und versuchte mich auch an einem Roman. Ich lernte einen etwas fragwürdigen Verleger kennen und begann, aus jeder Geschichte oder jeder Figur einen Roman zu stricken. Diese Bücher produzierte ich mit enormer Geschwindigkeit. Waren das erotische Texte?
Nein, sie waren weder schmutzig noch sonst etwas. Es waren einfach Geschichten, über die ich viel nachgedacht und die ich in meinem Kopf hin- und hergewendet hatte. Ich goss sie in die Form von Büchern. An einem Buch schrieb ich nicht länger als zehn oder zwölf Tage. Laid Bare bietet uns dieses breite Spektrum an Charakteren dar, die du damals gekannt hast. Deine Beschreibung von Steve McQueen lässt das Bild eines egomanischen Reptils entstehen. Wie kann jemand, der im wirklichen Leben so handelt, auf der Leinwand einen solchen Reiz entfalten?
Er ist dann eben in eine andere Welt eingetaucht, in der er jemand anderer war und nichts von ihm durchdrang. Es würde doch auch niemand, der die Rollen von Raymond Burr kennt, auf die Idee kommen, dass er schwul ist. Das ist aber der Fall. In manchen Situationen hat sich Raymond Burr mies verhalten wie kein anderer. Das Gleiche muss man über McQueen sagen. Er war ein totales Arschloch, wirkte aber wie Mr. Nice Guy. John Gilmore im Jahr 1955 in der Wohnung von Cyril Jackson, seinerzeit einer der begabtesten Schlagzeuger. James Dean und John haben bei Cyril Halt gemacht, um sich die neuen Kongas anzuhören. Das Foto ist Jack Simmons gewidmet, einem weiteren engen Freund von James. Foto von James Dean Kam er ins Actor’s Studio, weil alle anderen da auch hinwollten? Und einmal dort angekommen, wie konnte er die Schauspieltechnik des Method acting anwenden, wenn er doch so unehrlich war?
Das ist ziemlich einfach. [lacht] Kein Problem. Ich denke, er hat das Prinzip des Method acting sogar verstanden. Er war Steve McQueen. Er lernte seine Rolle und spielte sie auf eine bestimmte Art, beim 13. Dreh einer bestimmten Einstellung musste es einfach gut aussehen. Ich würde sagen, Marilyn hat jede Einstellung 30- bis 35-mal drehen lassen. Du behauptest, McQueen hätte nach eigener Aussage jedem den Schwanz gelutscht, um an eine Rolle zu kommen. Ich bin mir sicher, dass das für seinen Erfolg nicht unwichtig war.
Genau das hat er getan. Er kam über einen Bekannten von mir, John Stix, ins Actor’s Studio. John führte gerade die Regie in seinem ersten großen Film The great St. Louis Bank Robbery [mit McQueen in der Hauptrolle]. Er war Vorstandsvorsitzender des Actor’s Studio und nahm ihn schließlich. McQueen ging in keine Schauspielklasse oder Ähnliches; er wurde einfach nur Mitglied. Er bekam dann eine Rolle in A Hatful of Rain [am Broadway], weil er mit verschiedenen wichtigen Leuten herumhing. Darin war er wirklich schrecklich gut. Dann kam er nach Hollywood und deichselte von dort alles Weitere. Er heiratete Neile Adams, eine Tänzerin. Ich habe mittlerweile den Kontakt zu Diane abgebrochen, mit der McQueen zusammen war, bevor wir ein Paar wurden. Wenn Neile unterwegs war und am Broadway spielte, vergnügte er sich mit Diane in Neiles Wohnung. Wie wirkte er auf dich?
Ich empfand gegenüber McQueen bereits Abneigung, als wir uns das erste Mal in der 14. Straße in New York über den Weg liefen. Diane hatte ihm erzählt, dass ich mit James Dean befreundet war. Das Erste, was er zu mir sagte, war: „Ich bin froh, dass Dean tot ist. Da kann ich mich besser entfalten.“ Ich versuchte es mit einer Art Lachen und begriff dann, dass er das vollkommen ernst gemeint hatte. Diane erzählte mir, wie er vor dem Spiegel stand und versuchte, Jimmy [Dean] nachzuahmen. Er tat alles, um zu sein wie James. Er war aber letztlich nicht tough genug. Ich finde, sein Gesicht verriet das ein wenig. Er ließ immer so sehr den Macho raushängen, dass seine Männlichkeit aufgesetzt wirkte.
Die war auf jeden Fall ein Fake. Er lebte einfach seine Rolle weiter. Bestätigung suchte er dadurch, dass er jedes Mädchen flachlegte, das er bekommen konnte. Er holte sie sich buchstäblich von der Straße—ein Mädchen an einer Bushaltestelle, eine Kellnerin usw. Er hatte sich mehrere Garagen für seine Autos gemietet, sodass er unbemerkt bleiben konnte und die Leute nicht dachten: „McQueen ist hier.“ Er ging oft zu Cyranos, einem hübschen Late-Night-Restaurant am Strip. Er hatte sich diesen Ferrari gekauft und ihn direkt vor dem Eingang geparkt. Die Leute, die vom Parkplatz kamen, mussten um sein Auto herumgehen, um ins Restaurant zu gelangen. Alle waren gezwungen zu bemerken, dass Steve McQueen da war. Einschließlich dir.
Ich war dort einmal mit Jean Seberg. Er saß ein paar Tische weiter und starrte die ganze Zeit zu ihr herüber. Sie sagte immer wieder: „Dieser Arsch glotzt mich die ganze Zeit an. Er will mich wahrscheinlich ficken oder so.“ [lacht]

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Reden wir über Jack Nicholson. Als ich dich vor Jahren das erste Mal interviewte, sagtest du, er wäre deiner Meinung nach der Letzte, der das Rennen machen würde. Wie hat er es wohl geschafft, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen?
Glückliche Umstände. Jack tat alles dafür. Als die Schauspieler in den 60ern aus New York nach Hollywood zogen, hatten sie das Gefühl, in einem Kaff zu landen. Jack war von hier. Es war seine Heimat. Und wenn sie ihre Nasen über Rollen in Filmen von [Roger] Corman rümpften, nahm er sie. Wer bei einem Casting vorsprechen möchte, muss schon in Filmen mitgearbeitet haben, so ackerte sich Jack durch eine Menge Rollen und sein Name machte die Runde. Er gehörte zu einer kleinen Gruppe um Warren Oates; Jack hat sich da irgendwie hineingefressen. Er hatte auch eine starke Frau an seiner Seite.
Er war lange mit der [Schauspielerin] Sandra Knight verheiratet, und sie unterstützte ihn. Merkwürdigerweise gab er ihr nie irgendwelche Anweisungen. Einmal sackte er betrunken auf der Melrose Avenue zusammen. Wild Bill Elliott und ich brachten ihn zu seinem kleinen Haus an der Ava Gardner. Wir legten ihn im Vorgarten ab, ich klopfte an der Tür und da kam sie hinaus. Das war die einzige Begegnung, die ich jemals mit ihr hatte. Das ist aber eigentlich nicht verwunderlich; so leben die Menschen hier. In Hollywood ist alles geheimnisumwoben. Ich finde es toll, dass du da nicht mitspielst. Du hast sogar recht ausführlich darüber geschrieben, was dein Freund James Dean dir anvertraut hat, unter anderem über seine angebliche Bisexualität.
Jimmy war phasenweise ziemlich depressiv. Ich erinnere mich, wie er einmal zwischen der Produktion von East of Eden und Rebel Without a Cause mit einer Pistole herumspielte. Ein wunderschöner Colt Peacemaker. Er musste mit ihm üben, weil er Rechtshänder war und im Film The Left-Handed Gun über Billy the Kid spielen wollte. Er gestand mir, dass es sich für ihn nicht danach anfühlte, als ob er jetzt „solide“ würde. Dieses Wort benutzte er. Ich verstand, wovon er sprach. Er hatte gerade in East of Eden gespielt, der Traum eines jeden jungen Schauspielers. Elia Kazan war damals so etwas wie ein Gott unter den Regisseuren und das hier war eine großartige Steinbeck-Verfilmung mit fantastischer Besetzung. Und es war Jimmys erste Hauptrolle in einem großen Film. Wohin gehst du, wenn du dort angelangt bist? Von dort aus gibt es nur einen Weg.
Und der führt langsam abwärts. Vielleicht hätte er sich auf irgendeine Art umgebracht. Ich hatte schon einige Biografien über James Dean gelesen, bevor ich mir deine vornahm. Du warst sein Freund und das verleiht deinem Buch eine große Glaubwürdigkeit. Es kommt ohne Mythenbildung aus. Als ich am Abschnitt angelangt war, in dem du dich selbst beschreibst als einen heterosexuellen jungen Mann, der sich sexuell von ihm angezogen fühlte, war ich vollkommen perplex.
Na gut. Ich habe nie wirklich darüber gesprochen, was ich dir jetzt erzählen werde. Ich kannte diesen Typen Namens Jack Simmons schon lange, bevor ich in den 50ern nach New York ging. Er war ein intelligenter und in vieler Hinsicht anständiger Mann, aber ein Spinner. Ziemlich schwul. Einmal waren wir nachts zusammen in einem Drive-In. Er war schon ein bisschen betrunken und fand auf dem Boden ein Stück Film. Da rannte er herum, machte einen auf Gloria Swanson [aus Sunset Boulevard] und schrie „Mein Film!“ Später zog ich nach New York und dort lernte ich Jimmy kennen. Ich blieb dort eine Zeit und kam dann schließlich nach L.A. zurück. Jimmy war hier und hatte bereits in East of Eden gespielt. Ich war sehr überrascht, dass er mit Jack Simmons zusammen war. Was heißt hier „zusammen war“?
James Dean war zum Ein und Alles für Jack Simmons geworden. Jack hatte sich bei Warner Brothers eingenistet, um in seiner Nähe zu sein, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und ihm nachzustellen. Als ihre Wege sich endlich kreuzten, sagte Jack ihm rundheraus: „Ich lege dir mein Leben zu Füßen. Ich werde mich vor dir in den Dreck legen und du kannst auf mich treten.“ Jack tat alles für ihn. Und Jimmy war ein sehr einsamer Mensch. Er reiste ungern umher und mochte es nicht, in der Öffentlichkeit zu stehen. Er war ein richtiger Einzelgänger. Das fügte sich sehr gut. Jack war der perfekte Freund. Tatsächlich war er Jimmys einziger enger Freund und Vertrauter. Das ist es nun, was ich dir erzählen möchte und noch nie ausgesprochen habe: Ich denke, Jimmy war eher schwul als bisexuell. Das ist mein persönliches Gefühl. Obwohl ich behauptete, er sei bisexuell gewesen [in der Biografie The Real James Dean] und ich von allen dafür gehasst wurde. [lacht] Die Schwulenszene ausgenommen. Fans wollen nichts hören, was ihr Bild von dem Vergötterten ankratzen könnte.
Ich bin aus diesem Grund nie in Indiana gewesen [Deans Heimatstaat]. Ich werde dort gehasst. Willst du damit sagen, dass James Dean meistens mit Frauen geschlafen hat, aber eigentlich mehr an Männern interessiert war?
Ich bezweifele, dass er mit so vielen Frauen geschlafen hat. Elizabeth Taylor, die Schwule ja sehr mochte, kam ihm ohne jegliche Erotik sehr nahe. Der Drehbuchautor Bill Bast schrieb 1956 ein wirklich verlogenes Buch über seine Freundschaft mit Dean. Ein Haufen Mist war das. Sie waren zwar eine Zeit lang eng befreundet—als sie an der UCLA studierten.Aber Jimmy trennte sich von ihm, als er mit Rogers Brackett, einem Fernseh- und Rundfunkintendanten, nach New York zog. Und Brackett war natürlich schwul. Ich denke, Jimmy hatte eine Affäre mit ihm. Dieser Typ nahm Jimmy mit nach New York, verschaffte ihm Beziehungen und unternahm verschiedene Sachen für ihn. Über diese Dinge liest man in keinem Buch etwas.

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Nun ja, spulen wir etwas weiter vor zu einer anderen L.A.-Story, die sich in die Psyche der Amerikaner eingebrannt hat. Du hast über Charles Manson das Buch The Garbage People geschrieben, das von vielen Kritikern als das beste Porträt des Massenmörders gelobt wurde. Spätere Auflagen hast du um einige aufschlussreiche Interviews mit Bobby Beausoleil, einem Angehörigen der Charles-Manson-Family, ergänzt, der wegen Mordes an Gary Hinman verurteilt worden war. Wie bist du an solche Interviews gekommen?
Nach dem Erscheinen von The Garbage People rief mich ein Mädchen [aus der Manson-Family] an und sagte: „Bobby Beausoleil möcht mit dir reden, er wird dir schreiben.“ Er schrieb mir diese sehr blumigen Briefe und bat mich zu ihm zu kommen. Er saß zu jenem Zeitpunkt im Todestrakt. So machte ich mich auf den Weg und führte ein zweitägiges Interview mit ihm. Er erzählte mir: „Ich bin kein Anhänger von Charles Manson. Ich folge mir selbst. Ich mache mein eigenes Ding.“ Er wollte, dass ich ein Buch über ihn schreibe. Er sagte, es gebe im Norden Hollywoods einen Verleger, der es herausbringen wolle. Um mich warb er als Verfasser, das war für mich aufregend und interessant. Ich machte einige Leute ausfindig, die ihn kannten, und dann fiel alles in sich zusammen. Ich glaube, Bobby ging im Grunde in Hollywood auf den Strich. Ich kenne einige Leute, mit denen er es trieb, in deren Hinterzimmern. Sie hatten Sex mit ihm. Er war ein sehr hübscher Junge. Und sehr talentiert. Er spielte in diesem blöden Film einen Inder, der mit einem Lendenschurz durch die Gegend lief [The Ramrodder]. Da gab es also Manson, der klein und hässlich, aber wahnsinnig charismatisch war. Und neben ihm den hübschen Bobby Beausoleil. Diese Paarbildung dürfte den Reiz Mansons noch gesteigert haben.
Blowjobs für Charlie [Manson] waren für ihn eine normale Angelegenheit, denke ich. Natürlich hat Bobby nicht die Absicht, das jetzt alles zuzugeben. Er bettelt immer noch um seine Freilassung und lässt dabei nichts unversucht. Aber niemand von ihnen wird je rauskommen. Nach den Tate-LaBianca-Morden warst du einer der ersten, der Manson selbst interviewte. Wie oft hast du ihn im Gefängnis besucht?
Neun oder zehn Mal. Durftest du diese Gespräche aufzeichnen?
Nein, Charlie wollte nicht, dass irgendetwas aufgenommen wird. Wie kam es, dass du in dieser Sache aktiv wurdest?
Kurz nach den Morden las ich bei einem Friseur in der Zeitung darüber. Ich arbeitete für einen Produzenten und mühte mich ab mit dem Drehbuchschreiben. Er war davon überzeugt, dass dieser Fall ein großartiges Drehbuch abgeben würde. Charlie war immer noch im Bundesstaat Independence, in Kalifornien, wo er wegen Zerstörung von Landeseigentum festgehalten wurde. Einige von den Mädchen waren jedenfalls schon erledigt und des Mordes beschuldigt, vor allem weil Susan Atkins alles herumerzählte. Sie redete sehr gerne darüber. Das war eine der dunklen Geschichten. Ich habe mit einer Menge von Leuten gesprochen, die einen Mord begangen hatten, und es gibt an ihnen überhaupt nichts Finsteres. Aber wenn du denen ins Gesicht schaust, hast du oft den Eindruck, nicht einen anderen Menschen vor dir zu sehen. Du hast das Gefühl, einen Hund anzuschauen. Das war Susan Atkins. Ich war immer davon beeindruckt, dass Manson selbst, so verrückt er auch erscheinen mochte, viel vernünftiger war, als er vorgab zu sein.
Charlie war immer ein großer Manipulator, er brachte sein ganzes Leben damit zu, Menschen zu manipulieren. Physisch hatte er gar keine Chance, sich gegenüber den 100 Kilo schweren Kerlen im Gefängnis zu behaupten. Mit diesem Thema war er schon durch in seinem Leben, er hatte begriffen, dass er andere Wege finden musste, um zu überleben. Darum lernte er jeden so zu manipulieren, dass er alles für ihn tun würde. Es gelang ihm allerdings nicht, Doris Days Sohn [Terry Melcher] dazu zu bringen, ihm seine Musikerkarriere zu finanzieren [lacht], das machte ihn bitter.

Stimmt es, dass du dich wegen der Manson-Family mit John Waters überworfen hast?
John sagte zu mir, dass er sich nicht öffentlich zu unserer Freundschaft bekennen könne, solange ich der Meinung sei, Leslie Van Houten [eine Angehörige der Manson-Family] solle nicht aus dem Gefängnis entlassen werden. Seit Ewigkeiten setzt er sich jetzt schon für ihre Begnadigung ein. Er möchte sie rausbekommen und in einem seiner stupiden Filme mitspielen lassen. Wie hast du Darby Crash kennengelernt? Warst du in der Punkszene?
Ich war kein Punkfan, aber ich verstand ihn. Eine junge Frau, die ich 1981 in Hollywood sah, Jane Lee, war in der Chinatown-Szene unterwegs, sie ging in die Clubs von Santa Monica und Esther Wong. Sie kannte Lorna Doom [von The Germs] und hing nach Geschäftsschluss auf der First Street im Zentrum von L.A. herum. Eines Nachts wurde sie an einer Bushaltestelle ohnmächtig und fiel in den Straßengraben. Ein paar Penner versuchten sofort, ihr die Cowboystiefel auszuziehen. In diesem Moment kamen Gäste aus dem Atomic Café, darunter auch Darby Crash, und schritten ein. Er sagte den Pennern, sie sollten sich verpissen, und brachte sie nach Hause. Darby und noch jemand schliefen auf Janes Couch und auf dem Boden. Am nächsten Tag gingen sie alle in einer Bar um die Ecke frühstücken und da kam die Sprache auf James Dean. Jane erzählte ihnen, sie sei mit einem Schriftsteller befreundet, der ihn persönlich gekannt hat. Später übermittelte mir Jane, Darby hätte gesagt, er müsse mich „unbedingt und bald [sic]“ kennenlernen, weil er in einem Film über seine Parallelen zu Dean die Hauptrolle spiele. Warst du nicht an einem Projekt mit ihm interessiert?
Ich wusste, wer er war, ich kannte The Germs und auch die Punkszene und ihr Ziel, alle Beschränkungen wegzufegen. Darby war ein Pionierarbeiter—Anarchie ohne Bomben. Jane brachte ihn mit in meine Wohnung, wo wir Bier tranken, Tamales aßen, auf die Schnelle eine Tube Sour Crème und pürierte Avokados mit einer Tonne Knoblauch zubereiteten. Wir tranken Wein und dann öffnete Darby eine Flasche Jim Beam. Ich dachte an Jim Morrison, als er mit den Doors zusammen war. Aber Darby transzendierte—oder stieg herab oder verwandelte—und war schon Äonen weiter in der Erdumlaufbahn. Als Person war er ein intelligenter kreativer Junge. Im Spiel—er nannte das seine „Kunst“—war er ein wildes, verletztes Tier, das schrie, als wäre es gefangen in einem Bambuskäfig. Fallend, stolpernd, kreischend in einer explodierenden inneren Welt. Wirkte er also auf dich wie eine Tragödie, die darauf wartet einzutreten, so wie er immer beschrieben wird?
Wir redeten über Rimbaud, seine Obsession, in der wir uns auf verstörende Weise trafen. „Ein Film“, sagte er immer wieder, „ein Film!“ Er musste Rimbaud spielen, weil er Rimbaud in sich trug—er drang ihm bis in Arme und Sehnen, er sagte, er könnte ihn in seinen Fingerspitzen fühlen. Ein Rimbaud in schwarzem Leder, der seine Lieder in eine ansonsten taube Umwelt hinausschreit. Als ob er „einsam mitten in der Wüste“ ausgesetzt sei, wie er sagte. Ich betrachtete Darby nicht als Tragödie, die darauf wartet einzutreten, sondern eher als eine wandernde, in sich verschlossene Explosion. Ich machte ihn mit Chris Jones bekannt, einem Schauspielerfreund, der unter mir wohnte. So fuhr Chris mit Darby los. Der erzählte, er kenne einen Antiquitätenhändler, der eine Gipsbüste von Adolf Hitler erworben habe. Sobald sie weg waren und der Rauch sich verzogen hatte, fragte mich Jane, was ich von seinen Rimbaud-Ideen halte und ob ich darüber nachdächte, ein Drehbuch mit ihm zu schreiben. Ich sagte, ich sei beeindruckt. Ich hätte Verständnis und Empathie für Darby, aber es käme mir vor, als wären wir Ausländer, die verschiedene Sprachen sprächen. Dann sagte ich, klar, ich würde wahrscheinlich mit ihm arbeiten. Das tat ich aber nicht. Er starb kurz nach unserem Treffen. Selbstmord durch eine Überdosis Heroin. Wir könnten mit diesen Anekdoten noch tagelang fortfahren, also lass mich eine abschließende Frage stellen, die ich von anderen Leuten auch immer höre: „Wie hat Gilmore alle diese Leute kennengelernt?“
Ich habe mit 15 damit angefangen, mit der Schauspielerei habe ich noch früher begonnen, da war ich noch ein Kind.
Ich wollte Filmstar werden. Ein Filmstar wird man, indem man mit Menschen zusammenkommt. Indem man sich anderen anschließt. Ich finde es toll, dass du schon als Kind richtig eingetaucht bist in diesen Glamour und alle diese Affären. Du hast da ein Naturtalent mitgebracht. Ohne dich wäre L.A. nicht die Stadt, die wir heute kennen.
Mit L.A. verband mich Jahre lang eine intensive Hassliebe. Ich ließ mich stark von Leuten wie John Hodiak und Ida Lupino beeinflussen, die einmal meine Mentoren waren. Beide legten mir völlig unabhängig voneinander nahe, nach New York zu ziehen und dort am Broadway zu spielen. Dann würde ich vielleicht irgendwann den Sprung nach Hollywood schaffen und dort ein Star werden, meinten sie. Ich tat also, was sie mir sagten. Jetzt zieht es mich aber nicht mehr wirklich nach New York. Ich möchte auch nicht nach Louisiana, nicht nach Arizona oder New Mexico. Ich lebe jetzt hier und möchte hier bleiben und sterben. Hier bin ich zu Hause. Der Verkehr ist übel, aber mittlerweile er stört mich nicht mehr. Scheiß doch drauf. Was soll’s.

PORTRÄTS VON JEANEEN LUND
Archivfotos mit freundlicher Genehmigung von John Gilmore