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Der Linksextremen-Test zum Selbermachen

Bist auch du ein Linksextremer? So findest du es in fünf Minuten raus.
Foto von Evan Ruetsch

„Gegen Staat und Kapital—für die Revolution!" ist einerseits eine mittelalte Demoparole, andererseits der Titel einer Studie, die Professor Klaus Schroeder und sein Team von der FU Berlin am Montag der Öffentlichkeit präsentiert haben. Die Studie bietet erstmals einen repräsentativen Überblick über die Verbreitung von linksextremistischen Gedankengut und ist überaus interessant. Wer sich mit den Schlüssen der Studie auseinandersetzen will, liest am besten das Interview mit Klaus Schroeder in der ZEIT.

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Laut der Studie hat sich der gesellschaftliche Konsens in Deutschland nach links bewegt, so sagte Schroeder zur ZEIT: „Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass 16 Prozent dem Satz zustimmen, Kapitalismus führe letztlich zu Faschismus. Oder dass 18 Prozent die Gefahr eines neuen Faschismus sehen. Das hat mich überrascht."

20 prozent in deutschland für eine revolution? ich geh dann mal bahnsteigkarten kaufen: — Michael Seemann (@mspro)24. Februar 2015

Aus diesem Interview—in dem Schroeder übrigens von einer verkürzten Wiedergabe durch die Medien warnt (sorry!)—geht hervor, dass die Studie mit einem Fragekatalog arbeitet. Wer 15 bis 20 Fragen mit „Ja" beantworten kann, gelte laut „Gegen Staat und Kapital—für die Revolution!" als Linksextremer (weil sich wegen dem Thema Gender-Korrektheit anbietet, hier die Alternativvariante: als Linksextrem_E_x).

Ich habe das Mediendossier zur Studie jetzt als das politologische Gegenstück zu BRAVO-Tests wie „Bist du ein Party-Girl/Boy?" oder „Wie romantisch bist du?" gelesen und stelle mir deshalb jetzt die 20 Fragen, um meinen eigenen Linksextremen-Score zu errechnen. Die Studie ist aber auf Deutschland ausgerichtet und ich will für dieses Projekt die—zweifellos gravierenden—kulturellen Unterschiede nicht ignorieren, weshalb ich die Fragen auf Schweizer Verhältnisse angepasst habe:

1. Kannst du dir vorstellen, eine Partei zu wählen, die linker ist als alle im Parlament vertretenen?
Ja. Grundsätzlich kann ich mir das vorstellen, aber ich kann mir auch vorstellen, in einem von Nilpferden regierten Staat zu leben. Beides ist nicht allzu realistisch.

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2. Bist du unzufrieden mit der in der Schweiz praktizierten Demokratie?
Nein. As good as it gets.

3. Ist die praktizierte Demokratie keine echte Demokratie, da der Einfluss der Wirtschaft zu gross ist?
Nein. Den Einfluss der Wirtschaft wird man nie aushebeln können. Genauso wie den Einfluss des Elternhauses auf das Wahlverhalten oder den Einfluss von Alkohol im Ausgang auf den Ausgang.

4. Ist eine wirkliche Demokratie nur ohne Kapitalismus möglich?
Nein.

<-- harte Linksextremistin. Und ihr so? — Charlotte (@MissCharlez)24. Februar 2015

5. Bist du für eine Revolution zur Verbesserung der Lebensbedingungen, da Reformen nichts bringen?
Nein. Der Deutschpunk, der meine späte Kindheit—Jugend kann man das noch nicht nennen—prägte, hatte Lyrics wie: „Was wollt ihr denn haben? Eine Revolution. Eine Revolution gegen das Volk, das wäre dann der Lohn." (Jedem, der die Band kennt, schenke ich dieses Jahr einen 1. Mai-Bändel.)

6. Werden Demokratiekritiker schnell als Extremisten abgestempelt?
Ja.

7. Nimmt die Überwachung linker Systemkritiker zu?
Ja. Zwar ist sie noch nicht ganz auf dem Fichenstaat-Niveau.

8. Ist die Polizei auf dem rechten Auge blind?
Ja. Oder sie trägt Bierflaschenboden-dicke Brillen und hat Grauen Star.

9. Kann die zunehmende Überwachung zu einer Diktatur führen?
Ja.

10. Gelten politische Grundrechte nicht für Rechtsextremisten?
Nein.

Ich bin also ein richtig harter — Lars Jucken (@kptlsms)23. Februar 2015

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11. Führt der Kapitalismus zwangsweise zu Armut und Hunger?
Nein. Ich glaube das Konzept von Gesellschaft an sich führt zu Armut und Hunger.

12. Führt der Kapitalismus zwangsweise zu kriegerischen Auseinandersetzungen?
Ja. Ich weiss, meine Antworten sind inkonsequent. Bauchgefühl.

13. Soll der Kapitalismus abgeschafft werden, damit nicht weiter eine kleine Minderheit herrscht?
Nein.

14. Gibt es die Gefahr eines neuen Faschismus in Europa?
Ja.

15. Gibt es überall im Alltag eine tief verwurzelte Ausländerfeindlichkeit?
Ja. Also, „überall" ist aber doch immer relativ. Zum Beispiel gibt es im Naturreservat „Petite Camargue" keine Ausländerfeindlichkeit.

16. Ist die Schweizer Ausländerpolitik rassistisch?
Nein. Die Schweizer Ausländerpolitik ist im Gegenteil sogar ausländerfeindlich, ohne rassistisch zu sein.

Foto von Evan Ruetsch

17. Sollen die Grenzen generell geöffnet werden?
Ja.

18. Ist der Sozialismus/Kommunismus eine gute Idee, die bisher nur schlecht ausgeführt wurde?
Nein. Eigentlich zwar schon, aber ich hasse diese Floskel.

19. Ist nur im Sozialismus/Kommunismus ein menschliches Leben möglich?
Nein.

20. Sollten auch andere als der Staat das Recht haben Gewalt auszuüben?
Nein. Aber eigentlich sollte ja niemand das Recht haben, Gewalt auszuüben.

Fazit: Mein Linksextremen-Score ist mit 9 von 20 höher als ich selbst gedacht hätte. Der von mir unterdrückte Grundimpuls, statt „Ja" oder „Nein" jeweils ein Traktat mit vier Verweisen zu wissenschaftlicher Fachliteratur und/oder Songtexten zu schreiben, beruhigt mich.

Sag Benj auf Twitter, dass er keine Studien auf BRAVO-Niveau verschandeln soll: @biofrontsau

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