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Ich habe als Überweisungzweck "ISIS" angegeben und damit die Regierung gegen mich aufgebracht

Das Finanzministerium hat offensichtlich einen anderen Sinn für Humor als ich.
Illustration: Jessica Saesue

Vergangenen April kam es in meiner WG zu einer ganz alltäglichen Situation: Mein Mitbewohner hatte thailändisches Essen bestellt und ich überwies ihm deswegen meinen Teil der Bezahlung. Dafür nutzte ich die in den USA extrem beliebte Überweisungs-App Venmo. Beim Betrag—genau 12,66 Dollar—hielt ich nicht inne, dafür aber, als ich den Überweisungszweck eintippen sollte. Das "What's it for"-Feld muss man nämlich ausfüllen, damit der Empfänger weiß, was genau bezahlt wird. In der Praxis schreiben die Nutzer jedoch eher Witze, Beschimpfungen oder das Auberginen-Emoji in dieses Feld. Ich habe das Gefühl, dass sich die meisten Menschen unlustig fühlen, wenn sie einer ansonsten banalen Überweisung keinen wortgewandten oder albernen Touch verleihen.

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Da ich die emotionale Reife eines 12-jährigen Jungen besitze, gab ich an jenem Abend "ISIS", also die inzwischen veraltete Bezeichnung für die terroristische Miliz aus dem Nahen Osten, als Verwendungszweck an. Folgende Meldung erschien, nachdem ich auf "Senden" geklickt hatte:

Durch das Wort "ISIS" hatte ich anscheinend die Aufmerksamkeit irgendeines Algorithmus auf mich gezogen und mein Account wurde direkt eingefroren. Später fand ich heraus, dass es bei Venmo wohl eine ganze Liste an verbotenen Personen, Orten und Instanzen gibt—und dazu gehört auch der Islamische Staat. Wenn man bei einer Überweisung nun einen dieser verbotenen Begriffe angibt oder selbst nur Geld an einen nahöstlich klingenden Namen sendet, dann wird das Konto automatisch gesperrt, bis sich ein Mitarbeiter dem Problem annimmt.

Ich entschuldigte mich als Erstes bei meinem Mitbewohner und versprach ihm, das Geld direkt zu überweisen, wenn mein Account wieder entsperrt ist. Am darauffolgenden Morgen hatte ich dann eine neue E-Mail im Postfach, in der stand, dass ich—wie bereits vermutet—über eine Sicherheitsmaßnahme gestolpert war und das Unternehmen kontaktieren sollte, falls ich irgendwelche Fragen hätte (die hatte ich) oder meinen Account reaktivieren wollte (das wollte ich).

Ich reichte sofort einen Antrag zur Entsperrung meines Venmo-Kontos ein und schon bald bestätigte mir ein Mitarbeiter namens "Steph J.", dass ich meinen Account wieder nutzen konnte.

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Das war echt schön, ging aber auch beunruhigend einfach. Nachdem man meinen Account aus Gründen der nationalen Sicherheit gesperrt hatte, reichte eine simple Mail? Hatte sich ein Mitarbeiter der Regierung durch meine ganzen Tweets gelesen, um zu schauen, ob ich nun ein dschihadistischer Schläfer bin oder nicht? Die ganze Angelegenheit erschien mir anfangs als zu übertrieben, aber jetzt kam sie mir ein wenig zu einfach vor.

Und ich hatte Recht: Sie war tatsächlich zu einfach. Zwar konnte ich meinen Account wieder benutzen, aber die 12,66 Dollar waren weder zurück auf mein Konto überwiesen worden, noch hatte man sie meinem Mitbewohner gutgeschrieben. Ich überwies also weiter fröhlich Geld, während meine Thai-Essen-Bezahlung irgendwo in den Weiten des Venmo-Universums feststeckten.

Eine Woche später erhielt ich eine weitere E-Mail—dieses Mal von Steph J.s nachnamenlosen Kollegen "Josh". Ich finde es übrigens irgendwie beruhigend, wenn ich es bei der Interaktion mit einem Unternehmen, das alle meine Bankdaten besitzt, mit echten Mitarbeitern mit richtigen Namen (und manchmal auch Nachnamen) zu tun habe.

Josh erklärte mir, dass Venmo als regulierter Geldüberweisungsdienst den Sanktionsvorgaben des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control (OFAC) folgen müsse. Deswegen sei ich nun dazu verpflichtet, genauer darzulegen, was ich mit "ISIS" als Überweisungszweck meinte.

Ich antwortete sofort und stellte klar, dass das nur ein schlechter Scherz gewesen war und ich weder etwas mit dem Islamischen Staat zu tun gehabt hatte noch haben werde.

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Anschließend wartete ich wieder—allerdings mit etwas mehr Sorgenfalten auf der Stirn. Meine 12,66 Dollar waren nämlich nicht in irgendeinem Silicon-Valley-Serversystem verloren gegangen, sondern befanden sich bei einer weitaus angsteinflößenderen Behörde: dem Office of Foreign Assets Control beim US-Finanzministerium. Ich muss zugeben, dass ich noch nie etwas von dieser Behörde gehört hatte, aber sie klingt auf jeden Fall so, als würde man dort keine Faxen machen.

Wie sich herausstellte, ließ mich das OFAC trotz meiner Erläuterung nicht einfach so vom Haken. Zehn Tage später erhielt ich nämlich eine neue Mail von einem anonymen "Compliance Team", in der man mich darüber informierte, dass meine Forderung nach der Rücküberweisung meines Geldes überprüft und abgelehnt wurde. Einen genauen Grund für diesen Schritt nannte man mir nicht, aber dafür befanden sich meine 12,66 Dollar nun auf einem "zinsbringenden Spezialkonto".

Mir blieb nur noch eine einzige Möglichkeit, nämlich auf einen angehängten Link zu klicken und damit beantragen, mein Geld vom OFAC zurückzubekommen. Ich wurde auf eine Website des Finanzministeriums weitergeleitet. Zum Glück stellte mir Venmo eine Liste an Dingen bereit, die ich für meinen Antrag angeben musste.

Es ist vielleicht ganz gut zu wissen, dass das Finanzministerium bei diesem Vorgang extrem gründlich ist. Als ich mit meinem Antrag anfing, musste ich bei einem Dropdown-Menü aus mehreren Sanktions-Optionen auswählen—darunter auch Dinge wie etwa "Rohdiamanten", "Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen" oder das ziemlich kryptische "Libya2".

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Ich füllte alle nötigen Informationsfelder (meine Kontaktdaten, die Kontaktdaten meines Mitbewohners, die Kontaktdaten von Venmo, meine Bankdaten, die Bankdaten meines Mitbewohners) nach meinem besten Wissen aus.

Die ganze Sache—also das Thai-Essen, der "Witz" und die Mails—fand im April statt. Im Laufe der Zeit vergaß ich mein Stelldichein mit dem Finanzministerium und meine zinsbringenden 12,66 Dollar dann einfach. Ich nutze Venmo ganz normal weiter und warnte meine Freunde mit meiner IS-Anekdote ab und an vor den Konsequenzen, die ein solcher dummer Spaß haben kann.

Im Oktober, also fast sieben Monate später, erhielt ich jedoch eine Mail von einem gewissen Aidan Orsino, der anscheinend für das Finanzministerium arbeitete. Der Betreff: "OFAC License Application No. [zensiert]."

Mehr als ein halbes Jahr später wurde mein Antrag endlich geprüft! Ich musste nur noch zwei offizielle Ausweisdokumente in PDF-Form vorlegen und den Antrag erneut ausfüllen. Also fotografierte ich meinen Pass sowie meinen Führerschein und schickte die Bilder auf die digitale Reise. Ich konnte förmlich spüren, wie ich der Lösung näher war als jemals zuvor. Mit neu aufgeflammtem Tatendrang durchlief ich noch einmal die acht Schritte des Online-Formulars und achtete dieses Mal besonders genau darauf, keine Fehler zu machen. Und dennoch wollte ich mir keine allzu großen Hoffnungen machen und malte mir schon die nächste Bürokratie-Runde in meiner fast schon kafkaesken Erfahrung aus. Nach über einem halben Jahr mit relativ regelmäßiger E-Mail-Korrespondenz mit anonymen Venmo-Mitarbeitern sowie Regierungsbeamten hatte ich mich komischerweise schon irgendwie an diese Interaktionen gewöhnt.

Am 16. November 2016, also genau acht Monate nachdem ich meinen Mitbewohner für "ISIS" anstatt für Thai-Essen bezahlt hatte, bekam ich eine Nachricht, in der in leuchtend grünen Großbuchstaben stand, dass meine Zahlung freigeschaltet wurde. Mein Mitbewohner war um 12,66 Dollar reicher und die Saga fand damit ihren Abschluss. Triumphierend reckte ich die Faust in die Luft und fühlte mich gleichzeitig ein wenig leer.

Obwohl mein Name und mein Venmo-Foto bestimmt noch irgendwo auf einer Beobachtungsliste des Finanzministeriums stehen, hat sich alles zum Guten gewendet und mein Mitbewohner und ich sind endlich quitt. Durch die ganze Angelegenheit habe ich zudem noch ein paar wichtige Lektionen gelernt: Man sollte im Internet keine Witze mit dem Islamischen Staat machen, die staatlichen Behörden nehmen alle Vorgänge bei Finanzunternehmen wohl genauestens unter die Lupe und man sollte sich vor "Libya2" in Acht nehmen. Das nächste Mal bleibe ich bei der Angabe des Überweisungsgrunds einfach beim altbewährten Auberginen-Emoji, denn dann hat die Regierung auch keinen Grund, sich zu beschweren.