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Hier kommen die Welpen her, die du im Einkaufszentrum kaufen kannst

Ich habe eine Woche lang für eine Hundezuchtfarm Welpen quer durch die USA gefahren. Es war ein einziger Albtraum.

Ein Hund kauert in einem Käfig in einer Vermehrerstation. Alle USDA-Fotos mit freundlicher Genehmigung von Mary LaHay

Im Winter 2005 arbeitete ich eine Woche lang für einen Massenzuchtbetrieb für Hunde. Ein Freund und ich wurden eingestellt, um einen Transporter quer durchs Land zu fahren. Das Unternehmen fungierte als Zwischenhändler zwischen Massenzuchtbetrieben in Iowa und diversen Zooläden zwischen Iowa und New York City. Als ich mich für die Arbeit meldete, hatte ich keine Ahnung, dass ich eine Straftat begehen würde, und auch nicht, dass ich für kurze Zeit Teil einer Folterindustrie werden würde—eine Tatsache, die mich bis heute verfolgt.

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Mein Kumpel (ich nenne ihn hier Pete) und ich waren Anfang 20 und hatten unsere ländliche Heimat bis dahin kaum verlassen. Das sollte die Gelegenheit werden, um das Land zu entdecken und schnelles Geld zu verdienen (das wir auch bitter nötig hatten, denn als Künstler und Studienabbrecher wechselten wir die Jobs wie andere ihre Unterwäsche). Und außerdem: Hundewelpen! Mein kleines Herz pochte vor Aufregung bei dem Gedanken daran, Chicago, Detroit, Boston und New York zu besuchen, die Großstadtdschungel, über die unsere musikalischen Helden sangen, mythische Landschaften, über die wir nur in Zeitschriften oder Biografien gelesen hatten. Das Ganze in einem Transporter mit vier oder fünf reinrassigen Hundewelpen auf unserem Schoß, die ganz aufgeregt die Welt mit uns zusammen erkunden würden.

Pete hatte uns den Job besorgt. Die ersten Hunde sollten wir um 5 Uhr früh an einem Januarmorgen abholen. Schlaftrunken stolperte ich über den Kies. Zuerst bemerkte ich den Gestank. Dann die Schreie.

Im Gegensatz zu Pete war ich nicht auf einer Farm aufgewachsen. Ich hatte zwar genug Zeit auf Farmen zugebracht, um mich nicht vom aufdringlichen Geruch des Düngers oder dem durchdringenden Quieken einer gebärenden Sau umhauen zu lassen, aber das hier war ein ganz anderes Kaliber. Wie ein Düsentriebwerk auf einer Mülldeponie, eine Horrorshow, die ich in meinen 22 Jahren in Iowa so noch nicht gesehen hatte.

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In dem langen, hangarartigen Gebäude leuchteten Leuchtstoffröhren einen scheinbar endlosen Korridor aus, der mit Zwingern aus Draht gesäumt war. Die Käfige waren übereinander gestapelt, jeweils sechs oder sieben, mit drei oder vier Hunden pro Käfig. Dackel, Bulldoggen, Beagle, Huskys, Doggen, Möpse, Rottweiler—alle weniger als acht Wochen alt. Es war alles voll mit ihnen, Hunderte, aufgestapelt, und alle winselten sie verzweifelt um Aufmerksamkeit. Das war nicht das aufgeregte, freudige Bellen, das man aus YouTube-Videos kennt. Diese Geräusche hätte man mit nichts verwechseln können. Es waren Schmerzensschreie.

Und wer würde ihnen das verübeln? Ich hätte ja selbst am liebsten geschrien. Der Gestank von Hunderten Hunden, die in einem geschlossenen Raum ihre Notdurft aufeinander verrichteten, löste bei mir Brechreiz aus. Ich rannte zur Toilette und erbrach meinen Kaffee. Wir trugen zwei Collies und drei dänische Doggen zum Transporter. Keiner der Welpen war größer als ein Brotlaib. Wie im Hangar auch waren die Käfige im Transporter übereinander gestapelt. Ich fing an, die Hunde einzuladen, einen Welpen pro Drahtkäfig. Die Käfige waren mit Sägemehl ausgelegt, um die Fäkalien aufzufangen. Mein Kumpel Pete packte gleich zwei oder drei Hunde in einen Käfig, so hatte er genug Platz für die Unmengen an Welpen, die noch kommen sollten. Mein Scooby-Doo-Tagtraum von einem halben Dutzend Welpen war offensichtlich naiv gewesen.

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In der ganzen Zeit, in der wir die Welpen einluden, bellte uns eine angekettete Hündin hilflos an. Sie musste zusehen, wie ihre Babys weggebracht wurden. Ihr Gebell war schwach und heiser. Später erfuhr ich, dass man ihr den Kehlkopf entfernt hatte.

An diesem Punkt werde ich häufig gefragt, warum ich die Reise trotzdem angetreten habe. Warum ich die Arbeit nicht abgelehnt habe und nach Hause gegangen bin?

„Heute Morgen bei McDonald’s hast du einen Burrito zum Frühstück gegessen. Was glaubst du denn, wie es da aussieht, wo das Hähnchen für den Burrito herkommt?”, fragte mich Pete, als wir im Transporter saßen und ich ihm erzählt hatte, dass es mich anwiderte, wie die Welpen behandelt wurden. „Die Leute, die diese Welpen in den Zooläden im Einkaufszentrum kaufen, können es sich leisten, keine Fragen nach deren Herkunft zu stellen. Wir nicht. Wir sind arm, wir sehen, was hinter den Kulissen abläuft. Wir arbeiten hinter den Kulissen.”

Pete war auf einer Farm aufgewachsen. Er musste Sperma von Ebern zapfen und Truthähnen die Kehle durchschneiden. Mein Mitgefühl mit Tieren war in dieser Welt eine Bürde, einige Jahre des Mobbings in der Schule hatten mich gelehrt, es für mich zu behalten. Als ich ein Kind war, hatten meine Freunde Spaß daran gehabt, Katzen und Eichhörnchen zu quälen. Wenn ich meine Tränen nicht zurückgehalten hätte, hätte ich riskiert, auch mit Petroleum übergossen und angezündet zu werden. (Bis ins 19. Jahrhundert waren öffentliche Katzenverbrennungen eine beliebte Form öffentlicher Unterhaltung in Frankreich.)

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Mein Mitgefühl mit Tieren hatte ich mit Sicherheit nicht aus meinem Elternhaus. Das Konzept von Haustieren hatte mein Vater nie verstanden. Für ihn waren Tiere entweder Fleischlieferanten oder Schädlinge. Woher also diese Wut? Mit 22 wusste ich das nicht. Mir dämmerte gerade mal, dass auch andere Menschen den Schmerz in den Augen von Tieren fühlen konnten. Allerdings fehlte es mir noch an Entschlossenheit, um mich querzustellen und aufzumucken, wenn ich Unrecht sah.

Mit mehr als 100 Hunden war der Transporter dann auch voll beladen. Da wir ununterbrochen fahren sollten, musste eine Person schlafen, während die andere fuhr. Wir hatten kaum Zeit, um die Hunde zu füttern oder ihnen Wasser zu geben. Um sie aus den Käfigen zu lassen, war gar keine Zeit. Wir öffneten die Fenster einen Spalt, um den Gestank erträglicher zu machen, aber es war Januar im Mittleren Westen und die Windchill-Temperatur betrug -35°C. Von unserem Arbeitgeber haben wir die Ansage bekommen aufzupassen, dass die Welpen sich keine Lungenentzündung holten, weil sie daran sterben konnten. (Wenn sie gestorben wären, hätte man es allerdings als Kollateralschaden beim Transport verbucht.)

Pete und ich wurden während des Trips ziemlich krank. Grippesymptome vermischten sich mit Müdigkeit und dem unablässigen Weinen der Welpen. Jedes Mal, wenn wir einige Tiere bei einem Zooladen abgegeben hatten, war ich erleichtert. In Chicago allerdings sagte uns einer der Zooladenbesitzer, der uns zum Auto begleitet hatte: „Lasst euch in Illinois bloß nicht von der Polizei anhalten. Die stecken euch wegen Tierquälerei ins Gefängnis.” Ich brach in Tränen aus.

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Sieben Jahre nach dieser Unterhaltung wurden zwei Männer festgenommen, die haargenau den gleichen Job machten, für haargenau die gleiche Firma. Sie wurden wegen Dutzender Fälle von Tiermisshandlung angeklagt—ein Fall pro Welpe. Von all den Dingen, wegen derer ich festgenommen werden könnte, wären mir Landesverrat oder Entführung oder bewaffneter Raub lieber als Tierquälerei.

Anklagen gegen Hundezuchtbetriebe sind aber eher die Seltenheit.

„Hier und da gibt es mal eine Verwarnung, aber nichts wirklich ernstzunehmendes”, sagt Mary LaHay, Vorsitzende von Iowa Friends of Companion Animals. „Das US-Landwirtschaftsministerium verbiegt sich regelrecht, um diesen Leuten zu helfen. Wenn sie bestimmte Vorschriften nicht einhalten, bekommen sie ewig Zeit, um Abhilfe zu schaffen.”

Das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) hatte Farmer nach den Missernten während des Zweiten Weltkriegs aufgerufen, Hunde zu züchten. 1966 unterschrieb Präsident Lyndon Johnson den Animal Welfare Act, der jeden Züchter mit mehr als drei Hunden verpflichtete, eine Lizenz zu beantragen. Die Zwinger mussten laut dem Gesetz allerdings nur 15 cm höher sein als das Tier selbst. Es war auch erlaubt, die Hunde in Drahtkäfigen zu halten. Es konnte vorkommen, dass die Tiere nie den Erdboden berührten oder das Tageslicht sahen. Die Gesellschaft für Tierschutz in den USA (American Society for the Prevention of Cruelty to Animals) schätzt, dass es ungefähr 10000 Massenzuchtbetriebe für Hunde in den USA gibt. In vielen davon werden über 1000 Hunde gehalten.

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Iowa ist nach Missouri der Bundesstaat mit den meisten Massenzuchtbetrieben. Es war allerdings der erste Staat, der Gesetze erlassen hat, die das Filmen von Tierquälerei in der Landwirtschaft unter Strafe stellen. LaHay zufolge ist Iowa außerdem der einzige Bundesstaat, in dem es keine staatlichen Kontrollen der Betriebe gibt.

„Ein Grund dafür, warum nichts unternommen wird, um die Hundezucht streng zu regulieren, ist die Tatsache, dass die Betreiber viel Geld haben”, sagt Devin Kelly, ein Anwalt aus Iowa, der auf Tierschutzfälle spezialisiert ist.

Zu den gutbetuchten Regulierungsgegnern zählen unter anderem der Dachverband der Rassehundezüchter (American Kennel Club), der Lobbyisten bezahlt, um Tierschutzgesetze zu verhindern. Sie argumentieren dabei genauso wie die National Rifle Association in ihrem Kampf gegen eine Verschärfung der Waffengesetze: Jede Form der Regulierung würde die Hundezucht im Allgemeinen gefährden. (Die NRA betreibt ebenfalls Lobbying gegen Tierzuchtgesetze, und das unter dem Vorwand, die Züchter von Jagdhunden schützen zu wollen.)

Gesetzgeber in Missouri nahmen 2011 ein Gesetz gegen Hundemassenzuchtbetriebe auseinander, dem die Wähler zuvor zugestimmt hatten. Sie argumentierten, dass die neuen Kontrollstandards den Staat zu viel Geld kosten würden (allein in Missouri macht die Hundezuchtindustrie einen geschätzten Jahresumsatz von 1 Milliarde Dollar (ca. 785 Mio. Euro)). Missouri führt die Liste der „101 schlimmsten Hundezuchtbetriebe” an, die von der Tierschutzorganisation Humane Society of the United States (HSUS) erstellt wird. Die Riverfront Times berichtete letzten Mai, dass vielen Hunde „rohes Rindfleisch gefüttert wird, welches von Maden zersetzt ist. Ihre Gesichter sind von Fäkalien verkrustet, sodass die Tiere nichts mehr sehen können. Sie haben blutende und eiternde Wunden, die nicht behandelt werden. Man sperrt sie in Drahtkäfige und lässt sie draußen erfrieren.”

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Missouri hat ein Gesetz gegen Hundequälerei erlassen (Canine Cruelty Prevention Act), welches zwar nicht so streng ist wie der ursprüngliche, von den Wählern gebilligte Gesetzentwurf, aber dennoch wesentlich höhere Standards für die gewerbliche Hundezucht vorschreibt als Missouri noch vor fünf Jahren hatte.

Viele der Gesetze gegen Massenhundezucht sind weniger auf Tierschutz bedacht als auf Steuern und Verbraucherschutz. Viele dieser Betriebe geben häufig ihre Umsätze nicht an und machen keine Umsatzsteuererklärung. So umgehen sie die Steuer während sie gleichzeitig Millionen von Dollar umsetzen. LaHay schätzt, dass die Hundezuchtbetriebe allein in Iowa 15 Mio. Dollar einbringen. Und weil bei der Haltung und Pflege der Tiere an allen Ecken und Enden gespart wird, haben die Hunde häufig zahlreiche Erkrankungen, mit denen dann der neue Besitzer fertig werden muss.

„Viele der Welpen aus diesen Betrieben sind krank und genetisch belastet”, sagt LaHay. „Die fehlende Sozialisierung führt häufig zu Aggressionen oder Angstzuständen. Normalerweise erzieht die Mutter die Welpen stubenrein, aber die Hündinnen in den Zuchtbetrieben sind nicht stubenrein. Hinzu kommen genetische Anomalien wie Hüftdysplasie, Allergien, Patellaluxation. Menschen kaufen diese Welpen, verlieben sich in sie und stellen erst viel später die ganzen Probleme fest.”

In meiner Woche als Hundelieferant stellten Zooladenbesitzer bei den Hunden ernstzunehmende gesundheitliche Probleme fest. Jeder Welpe wurde kurz auf Zwingerhusten, Augenentzündungen und andere Krankheiten untersucht. Stellten sie Symptome fest, lehnten sie die Welpen ab, die dann wieder zurück nach Iowa geschickt wurden. Mir ging jedes Mal das Herz auf, wenn einer dieser Hunde in einen Korb voller Spielzeug zu anderen Welpen gesetzt wurde und das warme Sonnenlicht spüren konnte, das durch das Schaufenster des Zooladens schien. Es gab also nichts Schlimmeres, als wenn ein Welpe abgelehnt wurde und wieder in den dunklen, kalten Transporter zurück musste.

Als wir in New York ankamen, waren nur noch sechs Welpen übrig. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir keine Kraft mehr, uns die Stadt anzusehen, über die Lou Reed so häufig gesungen hatte. Ich wollte nur noch nach Hause. Pete und ich hatten Fieber und hatten die Woche über kaum geschlafen. Die verbliebenen Hunde waren auch krank.

Pete war inzwischen genauso angewidert von der ganzen Geschichte wie ich. Er rief seinen Chef in Iowa an und kündigte. So hatten wir Zeit, um in Ruhe zurück nach Hause zu fahren. Irgendwo in Ohio hielten wir in der Nähe eines Parks an und ließen die verbliebenen Welpen aus ihren Käfigen. Es war ein ungewöhnlich warmer Nachmittag und wir spielten auf einem mit Gras bewachsenen Hügel mit den ihnen. Sie sprangen aufgeregt herum. Das war das erste Mal, dass sie Gras fühlten und frische Luft atmeten. Wir rannten weg und sie jagten uns hinterher. Ich fiel hin und die Hunde stürzten sich auf mich. Sie leckten mir das Gesicht ab und kitzelten mich mit ihrem weichen Fell. Sie verstanden nicht, dass wir die Bösen waren. Wir waren diejenigen, die an ihrem Elend Schuld hatten. Sie genossen diesen einen glücklichen Augenblick, einen Ausdruck der Gnade. Wahrscheinlich der einzige, den sie je erfahren würden.