Ein Stalker hat meine Identität gestohlen
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Ein Stalker hat meine Identität gestohlen

Eine Betroffene erzählt von der Hilflosigkeit, die man erlebt, wenn ein Unbekannter deine Accounts kopiert—und die Polizei dir rät, dich vom Internet abzumelden.

Es muss kurz nach Weihnachten gewesen sein, als ich die erste Droh-E-Mail erhielt. Was der Auslöser für das war, das da auf mich zukam, weiß ich bis heute nicht, aber natürlich gibt es die wildesten Theorien dazu.

Seit längerer Zeit war ich eigentlich nur mehr auf einer Seite im Netz aktiv unterwegs—ansonsten konsumierte ich online meist Zeitungen und die nur passiv. Natürlich bin ich manchmal frech. Auch auf Social Media. Und manche Themen ringen mir dann doch ein etwas härteres Statement ab. Wie zum Beispiel Rassismus oder Sexismus. Aber das ist alles kein Vergleich zum Reallife, versprochen. Jedenfalls vermute ich, dass vielleicht eines dieser Statements jemandes Unmut hervorgerufen hat. Aber was weiß ich.

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Leider war es durch einen Fauxpas meiner alten Uni, die eine Seminar-TeilnehmerInnenliste mit diversen Kontaktdaten auf Google geparkt hatte, ein Leichtes, über mich das Wichtigste herauszufinden.

Bei der ersten E-Mail dachte ich noch kurz an Spam. Tatsächlich handelte es sich aber um ganz gezielte, persönliche Botschaften, wie zum Beispiel: „Kleine, du kannst langsam mit deinem Nazigeschreibe auf […] aufhören! Nicht, dass dir noch was passiert in [Wohnort] […] das Mauthausen Komitee wird es sicher freuen, dass wir wieder rechte Betätigung haben." (Sorry, die Sic!s sind leider aus)

Es folgten Einladungen zu Nazitreffen in meiner Umgebung, sowie etliche zweifelhafte Komplimente: „Heil Kameradin, wie wir sehen, entwickeln sich dein Hass und Rassismus gegenüber Asylanten prächtig. Wir würden dich gerne auf unser [Wohnort] Club Meeting einladen. Bei Interesse antworte doch bitte auf diese E-Mail." Er hatte mich offenbar auch in eine Art Pegida-Newsletter eingeschrieben, sodass ich keine rassistischen Neuigkeiten mehr verpasste.

Kurz danach läutete er die nächste Runde ein. Ich bekam E-Mails im Sekundentakt: Passwort-Rücksetzungen von Amazon, Ebay und Co., Newsletter-Anmeldungen bei Otto-Versand, Kick und so weiter, die mich natürlich gerne auch ohne Bestätigung meinerseits mit ihren hochinteressanten Nachrichten versorgten. Zwischen 50 und 100 Nachrichten flatterten nun schon pro Minute in meinen virtuellen Briefkasten.
Ich hatte diese E-Mail-Adresse vor fast 10 Jahren eingerichtet, aber angesichts dieser prekären Situation, die mich restlos überforderte, entschied ich mich, sie sofort zu löschen.

*Ich schreibe hier „er", weil ich aus vielen unterschiedlichen Gründen überzeugt bin, dass es sich bei diesem Menschen um (mindestens) einen Mann handelt.