Ich war auf der Berliner Fashion Week und es war schrecklich

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Popkultur

Ich war auf der Berliner Fashion Week und es war schrecklich

Der Berliner Fashion Week fehlt es vor allem an einem: Relevanz. Das liegt zum einen am allgegenwärtigen Proll-Publikum, zum anderen ist es ein strukturelles Problem.

Der Berliner Fashion Week fehlt es vor allem an einer Sache: Relevanz.

Die Gründe dafür sind in diesem Jahr nicht anders als in den vorherigen 12 Editionen zu suchen: zu viele D-Promis, Jahrmarktatmosphäre, das peinliche Gerangel irgendwelcher selbsternannter Models oder DSDS-Stars um kostenlosen Sekt und Goodie Bags. Nicht zu vergessen die peinlichen Designer à la Guido Maria Kretschmer, die eher ins Fernsehen gehören als in irgendein Fashion-Week-Zelt dieser Welt. Ist die Berliner Fashion Week also eher Porno als Fashion? Den Charme der jungen, wilden Modewoche hat die MBFW längst verloren, das Debakel im Zelt am Brandenburger Tor kann man sich nicht mehr schönreden, für Entschuldigungen ist es jetzt auch zu spät und die Generalprobe längst vorbei.
Der indonesische Modeblogger Andy Suryandi erklärt: „Die Fashion Week Berlin ist einfach noch in ihrer ‚Beta-Phase' und es muss noch viel verbessert werden." Bitte was? Die Berliner Fashion Week ist nicht mehr neu und unerfahren. Berlin, du bist nicht spontan und ungezähmt, du bist pleite und versuchst, aus Scheiße Gold zu machen.

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Das Grandiose, wie man es in Mailand oder Paris erlebt, fehlt hier vollkommen, die großen Labels haben sich längst verabschiedet, von hier geht man weg, wenn man die richtigen Investoren gefunden hat. Dies liegt zum einen am oben genannten Proll-Publikum, zum anderen ist es ein strukturelles Problem.

Die Königinnen der Fashion Week sind die überkandidelten Chefredakteurinnen der Mode- und Klatschblätter sowie die Einkäufer der großen Modehäuser. Ihnen gilt es zu imponieren, diese furchtbaren Menschen bestimmen, was gezeigt wird. Deswegen ist hier alles so langweilig. Aber es ist ja nicht so, dass die Konsumenten etwas anderes erwarten würden. Der deutsche Kunde an sich verlangt langweiligen Scheiß, sogar Pünktchensocken bieten Grund zur Aufregung, bloß nicht auffallen, bloß nicht aus der Reihe tanzen. Und so suhlen sich alle in ihrer fabelhaften Mittelmäßigkeit.

Die MBFW hat sich also an den konservativen deutschen Markt angepasst und anders herum. Die Deutschen wollen gefallen, niemand will aus der Reihe tanzen und wenn doch, dann nur ein bisschen, lieber schön auf Nummer sicher gehen. Dies spiegelt sich auch in den (deutschen) Kollektionen wider: Bei jeder Show werden Floskeln wie „tragbar", „alltagstauglich" und „dezent" durch den Raum gezischelt. Oder die Inszenierungen sind so übertrieben und unreif, dass man sich fragt, in welchem Kindergarten man hier gelandet ist. Oft werden die unspektakulären Kreationen hinter dem Deckmantel des Rebellischen versteckt. So hat die Präsentation von einem Patrick Mohr eher das Niveau einer Abschlussklasse einer internationalen Modeschule wie zum Beispiel Esmod. Die Show von Patrick war ein bisschen wie die eines Modedesignschülers, der sich selbst verwirklichen will. Und alle feiern es. Und ich frage mich: Warum?

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Die Berliner Fashion Week hat der Stadt Berlin eine Möglichkeit gegeben, sich als Modemetropole zu positionieren, und bietet jungen Designern eine Plattform, ihre Kollektionen den Käufern und der Presse zum ersten Mal vorzuführen. So weit so gut. Aber was bringt einem die Bühne, wenn niemand mehr hinsehen will?

Und tatsächlich könnte die MBFW eine gute Chance für junge Designer bieten. Die Shows von u.a. Hien Le, Marc Stone, Barre Noire, Bagaz, Ep_Anoui by Eva Poleschinski, Isabell De Hillerin und Vladimir Karaleev sind der lebende Beweis dafür, dass es bei der Berliner Fashion Week tatsächlich noch um Mode geht. Oder gehen sollte. Denn mir fällt hier wieder eines besonders auf: Wo ist der Mut? Oft bleibt es nur bei zarghaften Versuchen, etwas Neues zu schaffen. Nur nicht zu ausgefallen sein, wir wollen ja alle nicht die Investoren (die Ehemänner der schlecht gealterten Chefredakteurinnen) verärgern. Stattdessen wählt man allzu oft den sicheren Mittelweg oder greift auf die Klassiker zurück. Klar lassen sich solche sicheren Kollektionen auch bei Designern in Mailand, Paris und New York finden, jedoch empfinde ich die dortigen Shows als gewagter, erwachsener, zukunftsweisender. Es ist fast so, als wäre die Berliner Modewelt im frühkindlichen Alter stecken geblieben und würde sich nach wie vor standhaft weigern, erwachsen zu werden. Ist nicht schlimm, dieses Erwachsensein. Muss man sich nur mehr Mühe geben mit allem. Aber ich will mich nicht nur beschweren, denn es besteht tatsächlich eine reale Chance für neue Designer, über den verspießten deutschen Tellerrand zu schauen und ihre Mode auch im Ausland präsentieren zu können. Viele Designer wagen, nachdem sie ihre Kollektionen auf der MBFW gezeigt haben, den Schritt ins Ausland. Anders herum geschieht dies aber nur selten. Karrieren beginnen hier, man tobt sich aus und probiert Dinge, um dann bereit für den richtigen Modezirkus zu sein.

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Designer Julian Zigerli zum Beispiel wird diese Woche noch in Mailand und Paris seine Kollektion zeigen. Zigerli hatte seine erste Show tatsächlich in Berlin 2011 im Happy Shop in Berlin Mitte. Damals ließ er seine Kollektionen von drei Jungs präsentieren, während sie in einer Ecke Tee tranken. Sein Markenzeichen sind Kollaborationen mit Künstlern wie Katharina Grosse, mit der er seine Spring/Summer-Kollektion 2014 zusammen entworfen hat. Geht doch!

Die deutsche Hauptstadt wäre so gern eine echte Modemetropole, aber der ewige Drang nach Konformität und die verspießten deutschen Konsumenten durften dieses Vorhaben in unerreichbare Ferne rücken.

In jeden Fall ist es der perfekte Ort, um seine Karriere zu starten, aber niemand (bis auf wenige Ausnahmen) bleibt hier, wenn es gut läuft. Das würde ja bedeuten, dass man sich weigert, erwachsen zu werden.

Und so schwirren dann die meisten raus in die große weite Welt, und Berlin blickt ihnen nach und hofft, dass sie irgendwann zurückkommen, reich, voller Erfahrungen und mit viel viel Geld. Machen sie aber nicht.

Die Kollektion ist zugleich funktional und elegant. Die Kleider gleiten ganz locker über die Körper der Models.

Julian Zigerlis auf der Theaterbühne des ehemaligen Delphi-Theaters in Weißensee. Der Monolog von Petra Schmidig handelt von dem One and Only, von der Suche und unserem Sehnen nach dem Perfekten. Die Models zogen sich in Zeitlupe an und aus.Laurent Burs

Hier Julian mit einem Model und der sehr talentierten Petra Schmidig.Laurent Burs

Der Favorit der Kollektion. Laurent Burs

Hien Les Kollektion

Hien Les Kollektion ist zwar simpel und auf den ersten Anhieb nicht so auffallend, setzten sich dann im Gedächtnis fest.

Bei der Show von Ep_Anoui ist stimmt vieles: Musik von Live DJ The First Lady OBT, coole Töne, Schuhe, die kleine Skulpturen sind, und Brillen extra angefertigt von Polaire.

Highlight der Show, außer den Kleidern natürlich, war ein älteres Model. Mode sollte für alle sein.

Bei Bagaz sitzen die Models in einem Café, das so aussieht, als ob ein Erdbeben es zerstört hätte. Die Models bewegen sich langsam und haben auf den Händen schwarze Risse, die Gesichter sind blass und die Kleider pechschwarz.

Vielleicht fasst dieses Abendkleid am besten die Opaque-Kollektion von Isabell De Hillerin zusammen; sie will mit dieser Kollektion zeigen, wie auch verhüllte Frauen eine wahnsinnige Präsenz ausstrahlen können.

Besonderes Highlight der Herbst-Winter-Kollektion 2014/15 von Isabell De Hillerin war der Kamelhaar-Mantel.

Vladimir Karaleevs Kleider sind Kunstwerke.

Ein großes Highlight von Karaleevs Kollektion war die Männermode, vor allem dieser blauer Mantel, der aussah wie ein Kaftan.