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Sex

Eine unglaublich vornehme Swingerparty in einem Londoner Porno-Kino

Selbst beim Swingen sind die Briten so höflich und warten geduldig in der Schlange, bis sie an der Reihe sind.

„Hey, bist du noch nicht soweit?"

„Nein. Sorry, Kumpel."

Es ist schon witzig, wie höflich die Teilnehmer eines Gangbangs sein können. Im schummrigen Licht weicht der junge Mann von der Couch zurück, auf der die Frau mittleren Alters mit hochgezogenem Rock und gespreizten Beinen sitzt und dabei die zehn, vielleicht auch zwölf Typen anschaut. Sie treten beiseite, um ihn durchzulassen. Vielleicht nicht so ganz überraschend war er der Situation nicht gewachsen. Allerdings erntet er dafür keinen Spott—die warmherzige Atmosphäre zeigt, dass es sich hierbei um ein Berufsrisiko der Swingerszene handeln muss, über das man kein Wort verlieren muss.

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Es ist Samstag Nacht und wir befinden uns im Club 487, ein neues Pornokino, das Anfang des Jahres in einer ruhigen Nebenstraße im Süden Londons eröffnet hat. Zwar haben viele vorausgesagt, dass es nicht lange bestehen bleiben würde, aber wenn man sich die Geschehnisse von heute Nacht anschaut, dann wird das Etablissement immer erfolgreicher.

Jane und Mike sind beide Anfang 40 und ein Paar. Sie swingen bereits seit über zehn Jahren und haben sich hier in einem beliebten Sextreff-Forum für heute verabredet. Begleitet werden sie dabei von Adrian, einem modischen Asiaten in schwarzem Anzug, und neun oder zehn erwartungsvollen Gefolgsleuten—Männer in Jeans und Turnschuhen, die lüstern dreinblicken, E-Zigarette rauchen und Red Stripe-Bier trinken, das sie im Kiosk nebenan gekauft haben.

Nach einem kurzen Rundgang mit dem Management, das sich schon fast unterwürfig dankbar zeigt und man meinen könnte, dass es sich bei Jane um Angelina Jolie handelt (Frauen sind im Club 487 keine oft gesehenen Gäste), betritt das Pärchen eines der kleineren „Privatzimmer". Dort machen sie es sich gemütlich, während auf einem großen Fernseher der Porno How Stella Got Her Tube Packed läuft. Ein Mann bekommt die Aufgabe, es Jane mit der Hand zu besorgen, während die anderen dabei zusehen und sich selbst befriedigen. Jane, die zwischen Mike und Adrian sitzt, scheint es zu gefallen. Aber dann sagt sie plötzlich:

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„Verdammt! Deine Hände sind ja nicht mal lauwarm."

„Entschuldigung!", antwortet der glücklose Anheizer und zieht sich schnell zurück. Nach einer kleinen Pause übernimmt ein anderer seine Position und kurz darauf ist Jane bereit, ihre Fans zu unterhalten. Mit heruntergezogenen Hosen und steifem Schwanz warten die Männer geduldig darauf, bis sie an der Reihe sind.

Nach gut zehn Minuten gibt es für Jane eine Verschnaufpause. Derweilen unterhält man sich über die Swingerszene.

„Warst du schon mal in Dagenham im ‚Paradise'?", fragt ein Typ.

„Einmal", antwortet ein anderer. „Allerdings nicht lange. Ich fand es dort ziemlich düster."

„Später bin ich erstmal weg", sagt Adrian, „und treffe mich um 11 mit drei Frauen aus dem Forum. Wenn sie mir gefallen, dann bleibe ich bei ihnen."

Cap d'Agde ist das Paradies", erzählt Mike. „Da kann England einpacken. Musst du mal ausprobieren. Überall wird gefickt. Am Pool, in der Sauna, um 10 Uhr morgens am Strand. Am Ende wird es dann sogar fast zu viel. Nach einer Woche können die Frauen nicht mehr laufen und bei den Männern fühlt es sich an, als würden sie Batteriesäure pissen."

Es wird höflich gelacht. Mike und Jane wissen offensichtlich, wovon sie reden. Mike und Jane haben ihr Leben voll ausgekostet.

„War jemand schon mal im ‚Rio's' in Kentish Town?"

„Ja. Ziemlich schäbig."

„Dieser Herr hat jetzt schon sehr lange geduldig gewartet. Wie höflich von ihm."

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Während die Beiden reden, kniet ein anderer Typ vor Jane und fängt mit seinem Programm an. Schon bald fängt sie an zu stöhnen und wirft ihren Kopf zurück, der freudige Glanz ihres Gesichts ist dabei ein schöner Kontrast zu der Dunkelheit des im Keller gelegenen Vorführraums.

„Ich glaube, dass Jane jetzt wieder kann", sagt Adrian. Jane nickt ekstatisch. Mike hält sie fest und beobachtet genau jeden Vorgang—dabei zeigt er keine Gefühlsregung, weder positiv noch negativ.

„Dieser Herr hat jetzt schon sehr lange geduldig gewartet", meint Adrian und zeigt dabei auf einen Mann mittleren Alters mit Seitenscheitel, Cordhosen und Fleecejacke. „Wie höflich von ihm."

Jane nickt und winkt ihn zu sich heran.

Ein wenig angeekelt ziehe ich weiter in den Hauptvorführraum. Darin verweilen ein paar schräge Typen, die sich mal eine Pause gönnen: Ein alter Knacker mit einem Haufen Tragetaschen, der wie ein kranker Michel Houellebecq aussieht, und ein Typ in einem gesteppten Fußballmanager-Mantel und Beanie. Der Film, den sie sich anschauen, zeigt eine junge Frau, die eine Dildo umgeschnallt hat, der irgendwie an eine in Alu-Folie eingewickelte Salatgurke erinnert.

Wieder unten setzt sich sofort der Geruch von Amylnitrat und Kondomen in der Nase fest.

Während am vorherigen Standort des Kinos eher ein homosexuelles Klientel anzutreffen war, scheint das neue Vorhaben eine breiter gefächerte Kundschaft anzuziehen. Der Hype auf den Swinger-Websites hat dabei sicherlich geholfen. Wenn Mike und Jane ihren Erfahrungsbericht von heute Nacht online stellen—was mit Sicherheit passieren wird—, dann werden auf jeden Fall noch mehr Leute vorbeischauen.

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„Mundpropaganda bringt einiges, oder?", meint Danny, der Manager, zu mir. „Ich bin wirklich überglücklich darüber, wie hier gerade alles läuft. Langsam aber sicher wird das was. Es kommen immer mehr Leute, nach oben sind keine Grenzen gesetzt."

Wieder unten setzt sich sofort der Geruch von Amylnitrat und Kondomen in der Nase fest. Ein grüner Leuchtstreifen weist dir den Weg vom Treppenabgang bis hin zum Privatzimmer, wo Mike und Jane sich immer noch vergnügen.

„Nicht da rein, mein Lieber", sagt Jane zu einem Typen, der daraufhin sofort ganz bestürzt zurückweicht—aus Angst, einen Kardinalfehler begangen zu haben. Adrian und Mike sind an der Reihe.

„Jetzt Mike, wir sind doch hetero. Da stehe ich nicht so drauf!"

In der Dunkelheit ist es wohl schwierig auszumachen, was genau man da gerade anfasst.

Mike und Adrian bringen Jane für eine weitere Verschnaufpause in eine dunkle Ecke. Besagte Verschnaufpause hört sich jedoch ziemlich anstrengend an.

Die achtungsvolle, ja schon fast andächtige Atmosphäre bedeutet auch, dass fast nicht geredet wird. Bizarrerweise scheinen die Dialoge des Pornos (inzwischen wird Blowjob Impossible gezeigt) perfekt zu der Situation zu passen, die sich hier abspielt: „Oh ja, zeig mir doch mal dein Gerät … Wow, so groß!" Hier läuft wirklich alles nach dem Motto ‚Alles kann, nichts muss' ab—nur einvernehmlicher, ziemlich dreckiger Erwachsenenspaß.

Ein paar Minuten später verkündet Adrian, dass Jane wieder eine Verschnaufpause braucht. Mike und er bringen sie in eine dunkle Ecke—besagte Verschnaufpause hört sich jedoch ziemlich anstrengend an.

Schließlich ist es an der Zeit zu gehen. Adrian führt Mike und Jane am Hauptzimmer vorbei.

„Danke, Leute", sagt er und winkt dabei wie ein Presseagent, der ein Promi-Pärchen von einem Interviewtermin wegbringt. Die Typen, die sie schon am Anfang des Abends im Schlepptau hatten, folgen ihnen. Übrig bleiben nur Houellebecq und zwei Spanier, die Bier trinken und über Fußball reden.

„Adrian ist ein Guter", sagt Danny noch zu mir, als ich ebenfalls am Gehen bin. „Freundlich. Positiv. Gute Gesellschaft. Für ein Etablissement wie dieses das Salz in der Suppe."

Natürlich hat er damit Recht. Das, was ich an diesem Abend erlebt habe, gefällt vielleicht nicht jedem, aber es herrschte die ganze Zeit eine respektvolle und anständige Atmosphäre, die für alle Beteiligten sicher angenehmer war als eine Nacht vor dem Laptop.