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Illegale Holzfäller wollten mir den Kopf abhacken

Sie teilten mir außerdem mit, dass sie mich danach an die Schweine verfüttern würden.

Bild: Cătălin Banu

Ich heiße Alex Nedea. Ich bin Journalist und ich bin nur knapp dem Tod entkommen, denn man wollte mir „mit dem spitzen Teil zwischens Geweih hauen.“ Nein, diesen Ausdruck wirst du nicht bei Google finden, denn diese Art Ausdruck schafft es normalerweise nicht ins Internet (OK, dieser Artikel ist die Ausnahme). So etwas hört man eigentlich nur in einem rumänischen Wald nahe dem Dorf Dămuc—dort habe zumindest ich zum ersten Mal davon erfahren.

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Wir schrieben das Jahr 2009 und ich war den Sommer über in der Gegend, um eine Reportage über das mysteriöse Verschwinden von hunderten Hektar Wald um das Dorf herum zu machen. Die gesamte Landschaft wurde platt gemacht, um genau zu sein—als hätte man eine Rasur mit einer Kettensäge durchgeführt. In dem Wald, der sich einst über drei Berge und sieben Täler erstreckte, befanden sich jetzt weniger Bäume als in deinem örtlichen Biergarten.

Dămuc ist zu einer Art Paradies für Holzbarone geworden. Du warst schnell der Dorftrottel, wenn sich in deinem Garten keine Maschinen befanden, mit denen du in deiner Freizeit das Holz verarbeiten konntest (wobei sich das ganze illegale Holzfällen eher nachts abspielte). Einige Axtbesitzer sind so reich geworden, dass sie sich neben ihre Bauernhöfe kleine Paläste gebaut haben.

Es war auch nicht zu übersehen, dass die von Pferden gezogenen Karren inzwischen von riesigen 18-rädrigen Sattelschleppern ersetzt wurden—die Sorte, die Santa Claus in der Cola-Werbung fährt. Die Leute dort fuhren diese Sattelschlepper Tag und Nacht spazieren: Nachts zum Transportieren der Waren und tagsüber, um von A nach B zu kommen. Man fuhr auch schon mal mit dem Laster quer durch das Dorf, nur um mit Freunden ein paar Bierchen zu trinken. Die Sattelschlepper waren auch ein guter Aussichtspunkt, um Ausschau nach der Polizei zu halten.

Bevor ich mich für die Aufnahmen der Zerstörung in den Wald begab, sprach ich zwei Tage lang mit den Dorfbewohnern, um herauszufinden, wie diese katastrophalen Umstände zustande gekommen waren. Ich brachte in Erfahrung, dass das Ganze auch einen multikulturellen Aspekt an sich hatte: Dămuc befand sich genau auf der Grenze der Bezirke Neamţ und Harghita. Dort, wo ich war, wohnten also Rumänen und auf der anderen Seite der Bezirksgrenze Ungarn. Zwischen ihnen befand sich ein bewaldeter Berg.

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Zuerst gab es nur Wortgefechte: Die Rumänen beschuldigten die Ungarn, ihr Holz zu klauen, und die Ungarn meinten zu den Rumänen, dass der Wald ihnen gehören würde. Das Ganze ging so ungefähr zehn Jahre lang hin und her. Dann wurde die nächste Stufe eingeläutet. Die Rumänen bestiegen den Berg und begannen mit der Abholzung, um den Ungarn zuvorzukommen. Diese wiederum wollten natürlich nicht klein beigeben und fingen deswegen ebenfalls damit an, Bäume zu fällen. Als ich dort ankam, wurde endlich ein Waffenstillstand erreicht. Beide Seiten waren zufrieden: Die Ungarn machten sich nicht mehr am Wald der Rumänen zu schaffen und vice versa—es war ja schließlich kein Wald mehr übrig.

Der Großteil unserer Story war im Kasten und wir waren auf dem Weg in den Wald, um die letzten Szenen zu filmen. Das Team bestand aus mir, meinem Assistenten, dem Kameramann und zwei Forstinspektoren, die beim Anblick des Baummassakers die Hände über dem Kopf zusammenschlugen. Ihre Münder standen so weit offen, dass darin zwei Bären Winterschlaf hätten halten können.

Als wir zurück zu unseren Autos gingen, die wir an der Straße abgestellt hatten, befanden wir uns plötzlich inmitten einer Situation, die auch sehr gut in Der Herr der Ringe gepasst hätte: eine Gruppe Menschen rannte den Hügel wie eine schreienden Armee Orks hinunter und auf uns zu. Es handelte sich dabei um ungefähr hundert mit Mistgabeln und Äxten bewaffnete Dorfbewohner. Sie riefen etwas, das ich nicht ganz verstanden habe—ich glaube, es war „Te omor“ (Ich werde dich umbringen).

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Wir wurden eingeholt und im Grunde verschleppt. Ich konnte zuhören, wie zwei alte Männer darüber stritten, wer sich uns zuerst annehmen dürfe. Sie alle rochen nach Pflaumenschnaps. Einer packte mich im Nacken, einer packte mich an den Haaren und ein Dritter packte mich sowohl im Nacken als auch an meinen Haaren. Einer schrie: „Waaaaah, was macht ihr hier im Wald?“ Ich weiß nicht, ob das die Angst war, aber meine Zunge war wie gelähmt. Ich wollte etwas sagen, brachte aber keinen vernünftigen Satz heraus.

Schon bald fand die Menge eine Lösung: Sie würden uns töten. Dabei hatte jeder eine eigene Vorstellung von diesem Akt: Einige wollten uns köpfen, andere unsere Schädel mit der Axt einschlagen, aber die Meisten wollten uns einfach nur „mit dem spitzen Teil zwischens Geweih hauen.“ Ich wusste nicht genau, was das bedeuten sollte, aber es hörte sich nicht gerade spaßig an.

Was folgte, war eine stundenlange Befragung inklusive Schlägen. Ich erzählte einem Typen, der meinen Hals umklammerte, was wir in seinem Wald machten. Ich sagte ihm, dass wir Journalisten seien und die Gegend filmen wollten. Er schien damit kein Problem zu haben, aber dann rief ein anderen Typ: „Dein verdammtes Fernsehen ist mir scheißegal! Was zum Teufel macht ihr in meinem Wald?“

Ich wollte die Polizei rufen, hatte aber keinen Empfang. Dann wurde mir mein Handy weggenommen und in eine Lacke geworfen. Mir wurde nochmals gesagt: „Du weißt schon, dass wir dich köpfen werden?“ Ein anderer Typ nahm meine Brille und machte sie kaputt. Einem der Förster wurde ins Genick geschlagen. Sein Kollege versuchte, seine Tasche vor all den Leuten zu schützen, die daran herumzerrten. Er wurde allerdings auch so lange mit Fäusten bearbeitet, bis er wie ein gerupftes Huhn aussah.

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Von dem ganzen Chaos sind mir zwei Leute besonders im Gedächtnis hängen geblieben. Da war einmal dieser einbeinige Mann mit einer Krücke—jedes Mal, wenn sich die Situation etwas zu beruhigen schien, schrie er: „Tötet sie!“ Die Jugendlichen schlugen dann in die gleiche Kerbe und riefen lautstark „köpfen, zermahlen, zerhacken und würfeln“ oder „Werft sie den Schweinen zum Fraß vor!“. Und dann war da noch ein blauäugiger Blondschopf, der die ganze Zeit still wie eine Wildkatze war. Er schoss immer zwischen den wütenden Mitgliedern des Mobs hervor und schlug auf den Kameramann oder die Förster ein. Er schlug von hinten und zog sich dann still und leise zurück.

Nach zwei Stunden wurden wir in eine Hütte gebracht. Dort kam mir eine Idee. Ich stieg auf einen Bierkasten, damit mich jeder sehen konnte. „Setz dich verdammt noch mal wieder hin“, sagte jemand zu mir, während man mich wieder runterziehen wollte. Ich konnte mich jedoch losreißen und begann meine Ansprache mit den Worten „Liebe Leute, lasst mich nur eins sagen!“. Danach versuchte ich, jeden regionalen Ausdruck einzubauen, der mir noch aus meiner Kindheit auf dem Land bekannt war. Ich erzählte ihnen, dass wir vom Medienmogul Sorin Ovidiu Vântu, dem Besitzer des Fernsehsenders, in den Wald geschickt wurden. „Vântu soll herkommen und hierfür gerade stehen!“, riefen sie mit gereckter Faust. Ich kam mir fast vor wie auf einem Rockkonzert.

Ich sagte ihnen, dass ich Vântu anrufen und Geld anfordern könne, wenn sie mich gehen und telefonieren ließen. Er würde mit dem Helikopter hergeflogen kommen, der manchmal im TV zu sehen ist. „Mach, dass Vântu mit seinem Hubschrauber herkommt!“

So bin ich entkommen—ich musste jedoch den Rest meiner Crew als Sicherheit zurück lassen. Nachdem ich in meinem Büro angerufen hatte, kam zwar nicht Vântu in seinem Helikopter, dafür aber die Polizei—genauer gesagt zwei Busse der Bereitschaftspolizei, die bereit war, sie mit dem spitzen Teil zwischens Geweih zu hauen. OK, sie benutzten dafür wohl eher Schlagstöcke.

Als alles vorbei war, gingen wir auf die Polizeiwache, um unsere Angreifer zu identifizieren. Uns wurde gesagt, dass wir richtig Glück gehabt hätten: „Wenn ihr nicht in einem Leichensack abtransportiert werdet, dann ist alles OK. Sie wollten euch mit dem spitzen Teil zwischens Geweih hauen und dann einfach zurücklassen.“ Das spitze Teil war ein Werkzeug zum Baumfällen—da jetzt aber keine Bäume mehr da waren, musste eine andere Verwendung dafür gefunden werden.