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In 25 Schritten zum ultimativen Glück

Befolge diese unglaublich tiefgründigen, schlauen Ratschläge und du wirst für den Rest deines Lebens unendlich glücklich sein. Es ist ganz einfach.

Da war ich also: um zehn vor acht an einem Dienstagmorgen, in einen Bus gequetscht, neben mir ein Typ, der mit seinem Handy eine billige YouTube-Version von diesem Duke-Dumont-Song spielt, während er irgendeinen Energydrink in sich reinschüttet. Ich war auf dem Weg zu meinem Job in einem fensterlosen Keller, wo ich Schokolade und Kokoswasser an Austauschstudenten verkaufe, deren Eltern sicher mehr Geld haben, als ich jemals in meinem Leben verdienen werde. Als ich zusah, wie die Autos und Busse sich durch den Berufsverkehr hupten, vorbei an Kebapständen und irgendwelchen anderen Geschäften, wurde mir klar, dass ich gerade wie ein Komparse in einem Dido-Video 20 Minuten lang ins Leere gestarrt hatte. Es war dieser Moment, in dem ich mich gefragt habe, ob ich jemals wieder glücklich sein würde.

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Dann bin ich auf so eine Umfrage gestoßen, bei der über „2000 Erwachsene zwischen 18 und 65” gefragt wurden, was die 50 wichtigsten Dinge sind, die das Leben lebenswerter machen. Ich war mir sicher, dass das meine Laune verbessern würde—die besten Ratschläge zum Glücklichsein würden mich mit einem positiven Gefühl von Hoffnung erfüllen. Wenn ich nur diese 50 Schritte auf dem Weg zum Glück gehen würde, verschwänden meine Probleme wie selbstauflösende Anti-Deppressiva und alles würde für immer gut.

Es stellte sich heraus, dass diese Leute unglaublich optimistisch oder komplett bescheuert sind (wahrscheinlich beides). Ich habe mir nun diese 50 Schritte zum Glück genauer angesehen, um herauszufinden, ob sie realisierbar sind (50 sind ganz ehrlich einfach zu viel des Guten). Kann einer wie ich, der seine glücklichsten Momente empfindet, während er beschissene TV-Sendungen schaut, mit diesen Ratschlägen glücklich werden?

Ich wollte es herausfinden:

Schritt Eins—Höre auf, dir Sorgen wegen Geld zu machen.
Vor Kurzem habe ich meinen Abschluss gemacht, habe nach nur zwei Wochen meinen Bürojob wieder gekündigt und jetzt sitze ich wieder nur vor meinem Computer herum und arbeite in dem besagten Schoko-Kokoswasser-Geschäft. Geld ist die absolut größte Sorge in meinem Leben. Es quält mich. Es verfolgt mich. Ich habe physische Schmerzen, wenn ich einen Zehner beim Bankomaten abhebe und ich schmuggele mein eigenes billiges Dosenbier in Bars. Dass ich aufhöre, mir über Geld Sorgen zu machen, ist ungefähr so unwahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass ich mich meinen Schuldenproblem stelle, anstatt konstant vor ihm davon zu laufen.

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Kann ich das? Nein.

Schritt Zwei—Fahre zweimal im Jahr in den Urlaub
Vielleicht gibt’s ja Urlaubsdeals für zehn Euro. Wenn nicht, wird das, was Urlaub am nächsten kommt, wohl sein, dass ich Urlaubs-TV-Shows schaue und Bier in mein Goldfischaquarium kotze. Bei mir überleben Goldfische normalerweise nicht sonderlich lange.

Kann ich das? Nein.

Schritt Drei—Genieße die kleinen Dinge im Leben
Im Grunde gibt es keine großen Ereignisse, die dich mit purer Freude erfüllen, deinen Charakter verbessern und dein Leben grundlegend verändern. Akzeptiere das. Freue dich über die Genugtuung, eine neue Tiramisu-Sorte zu finden, die billiger ist und noch besser schmeckt. Genieße den Moment, in dem einer der Menschen, die du scheiße findest, einen peinlichen Witz über irgendeine Sendung auf Facebook postet, der niemandem gefällt. Sei dankbar dafür, dass du, egal wie tief du sinkst, niemals so wie Karl Moik sein wirst.

Kann ich das? Ja. Das ist eins der wenigen Dinge, die mich schon glücklich gemacht haben, bevor ich diese Liste gelesen habe.

Schritt Vier—Arbeite, um zu leben, lebe nicht, um zu arbeiten
Nettes Konzept, allerdings ein bisschen unpraktisch. Das läuft doch immer gleich ab: Man arbeitet den ganzen Tag, kommt nach Hause und will nur noch ein eiskaltes Bier trinken und sich mit ein paar Freunden vor den Fernseher hocken. Leben voll ausgekostet, würde ich sagen.

Kann ich das? Nein.

Schritt Fünf—Zahle deine Schulden ab
Ja, warum habe ich da selbst noch nicht dran gedacht? Ich sollte einfach alle meine Schulden abbezahlen. Funktioniert auch so gut, weil mein Dasein ja so gut bezahlt ist. Wenn ich also nicht in nächster Zeit einen Millionär finde, der einen Typen mit mehr und mehr schrumpfenden Jobaussichten unterstützen will, dauert das mit dem Schuldenabzahlen noch ein bisschen. Außerdem, wie soll ich denn dann meinen Urlaub noch zweimal im Jahr finanzieren und mir keine Sorgen mehr um Geld machen, wenn ich noch mehr sparen muss?

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Kann ich das? Wahrscheinlich nicht.

Schritt Sechs—Bleibe dir selbst treu
Ich bleibe mir treu, immer wenn ich zu Hause bin, mich selbst bemitleiden darf und dabei auf der Couch rumgammle, mir die Chipsbrösel von den Fingern schlecke und zwischen Rotten.com, PornHub und Nachrichtenseiten hin- und herspringe. Kann ich dann sowohl mir selbst treu als auch glücklich sein? Ich hoffe es zumindest.

Kann ich das? Ja, aber um mal ehrlich zu sein: Das könnte auch jemand, der im Koma liegt.

Schritt Sieben—Konzentriere dich auf das, was du hast und nicht darauf, was du nicht hast
Vernünftiger, solider Ratschlag. Allerdings bin ich nie sicher, ob das wirklich glücklich macht oder ob es nicht noch mehr den Hass auf mein ständig kaputtes BlackBerry, mein konstant nasses Handtuch und meine Boxershorts mit Comics drauf und Löchern drin schürt.

Kann ich das? Na ja …

Schritt Acht—Buche spontan einen Last-Minute-Urlaub
Nachdem meine Freundin in meinem ersten Studienjahr mit mir Schluss gemacht hat, habe ich trotzdem schlauerweise spontan mit ihr einen Kurztrip nach Barcelona gemacht. Es war echt toll—vor allem, als Polizisten mir das Armgelenk gebrochen haben, als ich während einer Demo gegen eine Tür gepinkelt habe—, mit meiner Freundin lief es natürlich auch suuuper. Beschissene Erfahrung. Kann ich nicht empfehlen (und schon wieder—es kostet ja schon wieder Geld und ich dachte, ich soll Schulden abbauen …).

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Kann ich das? Habe ich schon gemacht, habe auch das Röntgenbild noch irgendwo herumliegen.

Schritt Neun—Finde deine wahre Liebe
Es ist sehr großzügig, diese komische, einfach zu erledigende Aufgabe mit reinzunehmen. Ich meine, es ist ja nicht so, dass die Suche nach der einen Person, die dich aus der Schlucht der Langeweile zieht und dein Leben einfach perfekt macht, die Menschheit nicht schon lange genug verrückt gemacht hat, oder?

Kann ich das? Kann irgendjemand das? Gewöhnt euch gefälligst daran, dass euer Leben so einsam sein wird wie van Goghs abgetrenntes Ohr.

Schritt Zehn—Reise in mindestens 25 verschiedene Länder
Schon wieder das mit dem Reisen … Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung, weil man dafür sowohl hohe Summen Geld braucht als auch ein einigermaßen ausgeprägtes geografisches Verständnis. Um ehrlich zu sein, fallen mir, außer Disneyland und Ibiza, keine Orte ein, die ich unbedingt besuchen will. Der Rest schaut nur nach Felsen und Sand aus.

Kann ich das? Nein.

Schritt Elf—Gehe mehr nach draußen
Ja, das ist generell schon eine effektive Art, sich weniger schlecht zu fühlen. Du stehst auf, duschst, schaust auf Google Maps, suchst dir einen Ort genau fünf Kilometer von deinem Haus entfernt, gehst los, hältst zwischendrin an, kaufst dir ein Mars und ein Spezi, findest dann eine Bushaltestelle, fährst nach Hause zurück, erzählst deinen Mitbewohnern, wie dir der Spaziergang einen klaren Kopf verschafft hat, bist selbstzufrieden, planst, das jetzt jedes Wochenende/jeden freien Tag zu machen, wiederholst das drei Monate später und machst es nie wieder.

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Kann ich das? Ja, aber es bringt nichts.

Schritt Zwölf—Besuche alle österreichischen Denkmäler
Endlose Streifzüge durch sämtliche Nazi-Gedenkstätten, Heimatmuseen in Bad Schießmichtot und Möchtegern-Patriotismus vor der gefühlt hundertsten goldenen Johann Strauss-Statue? Ich gehe mal davon aus, dass die Leute, die das vorgeschlagen haben, sehr viel Zeit haben. Klingt nach einer All Inlusive Busreise für Senioren, in Wirklichkeit ist es aber wahrscheinlich noch viel schlimmer.

Kann ich das? Schon aus Prinzip nicht.

Schritt 13—Probiere alle Arten von Essen
Na ja, es gibt doch eh nur Bosna, Kebap, Pizza, Burger, Nudeln und Pho, oder? Also, ja, ich habe sie ausprobiert und ich mag sie alle.

Kann ich das? Ja.

Schritt 14—Verschwende eine Riesenmenge Geld beim Shoppen, einfach, weil du es kannst
Manchmal schaue ich auf die Instagram-Seite von Juicy J und denke mir: „Verdammt, ich hätte auch gerne so viel Geld um mich herumliegen. Wenn ich an all die Sachen denke, die ich davon kaufen könnte! All diese Bände mit zeitgenössischer Literaturtheorie, die sich in meinen Regalen aneinanderreihen würden! Ich könnte mir richtig gute Hendlbrust leisten und müsste am Ende des Monats nicht ranziges Butterbrot essen!“

Dann erinnere ich mich daran, dass die einzigen Male, an denen ich etwas Größeres als einen Zwanziger bei mir habe, meine Geburtstage sind. Obwohl, am Zahltag, am Anfang des Monats denke ich manchmal über einen Shopping-Rundumschlag im Papiergeschäft nach. You gotta think big!

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Kann ich das? Ich freue mich nur, dass ich hier wiederholt an meine Armut erinnert werde.

Schritt 15—Lerne, ein neues Instrument zu spielen
In meinem Kinderzimmer sind drei Gitarren, die 14 Saiten unter sich aufteilen. Ich kann ungefähr drei Akkorde spielen, das Bassintro zu „So Fresh, So Clean“ von Outkast und die Leadgitarre von „Boys Don't Cry“ von The Cure. Ich habe das alles mit 13 gelernt und bin nie weiter gekommen. Später haben die coolen Typen in der Schule, die eine Band hatten, mit den scharfen Mädchen geflirtet und sind mit ihnen in ihren Ford Fiestas zu Gigs in irgendwelche Bars gefahren. Scheiß drauf und scheiß auf sie.

Kann ich das? Wahrscheinlich, aber es ist sehr viel einfacher, stellvertretend durch Bands zu leben, die du kennst und mit denen du dich dann einfach backstage betrinken kannst.

Schritt 16—Gründe eine Familie
Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich mir tagträumend Frau, Kinder, Kindermädchen und Hund wünsche—andere lebende Einheiten, die mein Leben mit mir teilen. Dann merke ich, dass gerade Milch auf die Socken, die ich schon seit drei Tagen anhabe, läuft, weil ich meine Cornflakesschüssel, die mein Abendessen ist, vor lauter Träumerei schief halte und es macht mich nur traurig …

Kann ich das? Noch nicht wirklich.

Schritt 17—Besorge dir ein Haustier
Tiere sind scheiße. Sie stinken, sie verlieren überall Haare, sie können nicht sprechen und du musst mit ihnen Gassi gehen/ihr Klo sauber machen. Meiner Ansicht nach eine Geldverschwendung.

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Kann ich das? Ich scheiß drauf.

Schritt 18—Fahre mit einem richtig schnellen Auto
Wie schnell ist „richtig schnell“? Wo fahren wir hin? Können wir uns das Benzin leisten? Verbraucht man bei höheren Geschwindigkeiten nicht mehr Benzin und brauchen wir deshalb nicht mehr Geld? Hast du eine Versicherung für das Auto? Können wir demnächst an einer Bar anhalten?

Kann ich das? Siehe unten.

Schritt 19—Bestehe deine Führerscheinprüfung
Zieh in eine echte Stadt, wir haben da dieses Ding, das wir „öffentliche Verkehrsmittel“ nennen.

Kann ich das? Nein.

Schritt 20—Mache einen Abschluss
ALTER, ICH HABE FAST ZWEI AKADEMISCHE ABSCHLÜSSE UND ICH BIN ABSOLUT NICHT GLÜCKLICH.

Kann ich das? Ja.

Schritt 21—Rette jemanden, damit du für eine Weile ein Held bist
Ohne Witz: In der siebten Klasse bin ich auf eine Sportwoche gefahren. An einem Nachmittag, während wir von ortsansässigen Schülern malträtiert wurden, gingen wir einen steilen Hügel hinunten und mein bester Freund stolperte. Ich habe alles wie in Zeitlupe gesehen. Er wäre mit seinem Gesicht auf einen spitzen Felsvorsprung geprallt, wäre ich nicht aufgesprungen, Kopf zuerst, und hätte nicht seinen Schuh ergriffen und ihn hochgerissen. Ich habe ihm sein Leben gerettet. Ich war dieser Held. Es hat sich toll angefühlt.

Kann ich das? Na ja, ich zehre immer noch von der Geschichte, die nun über ein Jahrzehnt her ist. Ich könnte es vielleicht nochmal machen. Aber dazu braucht es erstmal die Gelegenheit. Nicht so einfach, schnell mal Superman zu werden.

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Schritt 22—Date jemanden, der aufregend, aber komplett falsch für dich ist
Wiegt der anfängliche Nervenkitzel mehr als der langfristige psychologische Schaden? Diese Leute scheinen das zu glauben. Denkt aber daran: Es gibt einen Grund, aus dem ihr normalerweise nicht mit Mädchen ausgeht, die wie Cher aussehen, aggressiv zu Happy Hardcore abgehen und fett und hässlich sind.

Kann ich das? Also, ich könnte. Aber es wäre wahrscheinlich nicht so schlau und macht mich nicht an. Also lasse ich es.

Schritt 23—Komme mit 40 auf dem Höhepunkt deiner Karriere an
Ich habe einen Bachelor in Literatur und einen Magister in Amerikanischer Literatur. Vor mir liegt keine Karriere und erst recht kein Höhepunkt.

Kann ich das? Haha. Nein.

Schritt 24—Betrinke dich eine ganze Nacht lang
Ein bisschen eigenartig, denn ich weiß nicht, was daran erfüllend sein soll, sich die ganze Nacht anzusaufen. Es ist situationsbedingt: Haben diese Leute eine ganze Nacht damit verbracht, auf einer Dachterrasse Cocktails zu schlürfen und faul an Davidoff Gold Slims zu ziehen, während die Sonne langsam aufgeht, und dann geplant, vorm Frühstück im Bett kurz im Pool zu schwimmen, betrunken und glücklich? Oder sind es eher die Typen, die nach einem beschissenen Abend in einem beschissenen Club ein Billigbier nach dem anderen hinuntergekippt und an die 30 Zigaretten geraucht haben, während sie sich auf YouTube Videos von Leuten angeschaut haben, die irgendwas Peinliches machen, das lustig sein soll?

Kann ich das? Das Erste: Nein. Das Zweite: Ja.

Schritt 25—Lasse dich auf Adrenalinabenteuer ein, wie Sky-Diving oder Bungee-Jumping
Oh, scheiß auf sowas. Das Leben ist schon aufregend genug, ohne diesen künstlichen „Suche nach Nervenkitzel“-Scheiß. Wer weiß, was am Morgen im Briefkasten liegen wird? Wer weiß, wie lange du in der Schlange bei McDonald's warten musst, um die Gutscheine einzulösen, die du seit Wochen in deinem Rucksack mit dir herumträgst? Wer weiß, wie viele Leute du an diesem Tag siehst, die in dir Mordgelüste auslösen?

Kann ich das? Nein, meine Version von Zorbing ist es, samstags zum Billa zu gehen.

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Ich habe viel gelernt, als ich diese Liste gelesen und darüber nachgedacht habe. Erstens, und das ist offensichtlich, Geld macht glücklich. Es macht dich nämlich definitiv nicht glücklich, in Jogginghose die Pizza von gestern zu essen und dabei deinem Mitbewohner beim Tony-Hawk-Spielen zuzuschauen, aber das scheint niemanden (also mich) daran zu hindern, das zu tun.

Dass so ziemlich alles auf dieser Liste entweder nicht in meinem Budget liegt oder schlicht Geldverschwendung ist, war auf eine komische Art irgendwie befreiend. Ich habe festgestellt, dass ich glücklicher mit meinem Schicksal bin, als ich dachte. Warum musst du auf Safari gehen, wenn du uTorrent und Das Buch der lustigsten Zitate zu Hause hast?

Zweitens waren die Dinge, für die man viel Geld benötigte, in der Regel Symbole einer universellen, kitschigen Sentimentalität, die eher abstoßend als anziehend ist. Abgesehen davon kann ich verstehen, dass man gerne etwas außerhalb der beschissenen Welt, in der man feststeckt, machen will. Ich werde aber trotzdem nicht rausgehen und bei irgendwelchen Rollenspielen und Experimenten mitmachen.