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​In Chemnitz sitzt die erste GEZ-Rebellin im Knast

In einem Interview mit der ‚Welt am Sonntag' schildert sie ihre Rebellion und erklärt, warum sie lieber für sechs Monate ins Gefängnis geht, als den Öffentlich-Rechtlichen den Rundfunkbeitrag zu zahlen.

Sieglinde Baumert könnte die Märtyrerin der Rundfunkgebühren-Verweigerer werden. Seit 2013 hat die 46-jährige aus Geisa in Thüringen keine Rundfunkbeiträge mehr gezahlt—jetzt sitzt sie als erste Deutsche überhaupt für die Nichtzahlung im Gefängnis.

In einem Interview mit der Welt am Sonntag schildert sie ihre Rebellion. Sie fühle sich von den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten nicht umfassend informiert, darum habe sie aufgehört, ihre Rundfunkgebühren zu zahlen. Zunächst sei es um 190 Euro Beitrag gegangen, den der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio von ihr gefordert habe. Mahnungen kamen ins Haus, offizielle Schreiben ignorierte sie. Pfändungen und Gerichtsvollzieher standen vor verschlossenen Türen, von Baumert ist kein Cent zu holen. Da sie sich schließlich weigerte, eine Vermögensaufstellung zu unterschreiben, wurde sie am 4. Februar während der Arbeit in einer Metallfabrik verhaftet. Jetzt ist sie nicht nur ihren Job los. Ihr drohen auch bis zu sechs Monate Gefängnis.

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„Ich habe nie Einspruch erhoben, Schreiben ignoriert", erzählt sie derWamS, „ich wollte dagegen von der Justiz die Rechtmäßigkeit des Gebühreneinzuges erklärt bekommen. Ich ließ alles auf mich zukommen." Laut eines Facebook-Accounts, der unter ihrem Namen geführt wird, sieht sie die Rundfunkbeiträge als unrechtmäßig, und den deutschen Massenmedien steht sie sehr kritisch gegenüber. Der Account teilte zum Beispiel einen Artikel über die deutsche „Lügenpresse".

„Mit meiner Unterschrift würde ich die Rechtmäßigkeit der Zwangsgebühren bestätigen. Das will ich nicht. Ich kann nicht verantworten, dass ich diesen Rundfunk mitfinanziere", sagt sie weiter.

Mit ihrer Verweigerungshaltung ist B. nicht alleine. „4,5 Millionen Beitragskonten waren am Stichtag 31.12.2014 in Mahnverfahren oder Vollstreckung", sagt Christian Greuel, Sprecher der Beitragskommunikation von ARD/ZDF/Deutschlandradio, gegenüber der WamS. Wie viele davon zu Beitragsverweigerten gehören, kann er nicht verraten: Datenschutz.

Im Frauengefängnis der JVA Chemnitz wartet die gelernte Krippenerzieherin jetzt auf ihre Freilassung. Maximal sechs Monate darf ihre Freiheitsstrafe dauern, danach muss sie freigelassen werden. Die Erzwingungshaft soll sie endlich dazu bringen, ihre Beiträge zu zahlen, doch Baumert weigert sich weiter, bekommt sogar Zuspruch und Unterstützung von ihren Mitinsassinnen. „Eine Minute Sportschau kostet 40.000 Euro, da frage ich mich, warum ich dafür nur einen Cent investieren soll", erklärte sie der WamS, sie fühle sich bevormundet, wofür sie ihr Geld ausgebe. Wenn sie dabei bleibt, könnte sie in zwei Jahren wieder ins Gefängnis müssen.

Die Gebühreneinzugszentrale GEZ als solche wurde 2013 abgeschafft, der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist ihr Nachfolger. Die Rundfunkgebühr heißt jetzt Rundfunkbeitrag und wird nicht mehr pro Gerät, sondern pro Haushalt erhoben und muss nur noch einmal pro Wohneinheit gezahlt werden.

Vielleicht müssen die Gefängnisse bald extra Abteilungen für die Gebührenverweigerer einrichten: Laut WamS überlege die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, ab 2021 die Rundfunkbeiträge auf über 19 Euro zu erhöhen. Das habe ein Kommissionsmitglied gegenüber WamS bestätigt. Christian Greuel weißt darauf hin, dass es sich beim Rundfunkbeitrag um einen Solidarbeitrag handelt, der für die Möglichkeit gezahlt wird, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme empfangen zu können. Ähnlich wie bei Krankenkassen. Man kann zum Arzt gehen, man muss aber nicht. Jetzt soll das Bundesverfassungsgericht klären, ob der derzeitige Beitragseinzug einen Eingriff in die Grundrechte der Bürger darstellt.


Titelfoto: Imago | Karina Hessland