Indische Heiler geben dir einen Aderlass auf offener Straße und schwören auf ein Wunder

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Indische Heiler geben dir einen Aderlass auf offener Straße und schwören auf ein Wunder

Vergiss die teuren Ärzte: In Indien gehen die Kranken schon lange für den Aderlass zum Heiler an der Straßenecke. Mit Kräutern werden ihre Wunde versorgt und zur Not gibt es eine Tetanusspritze.

Mohammad Gyas praktiziert Aderlass und ist schon lange im Geschäft. Er sieht seinem Sohn dabei zu, wie er in den Gärten von Jama Masjid, einer Moschee in Alt-Delhi, einem Kranken Hände und Füße, die mit einem Druckverband verbundenen sind, mit der Klinge eines Einwegrasierers aufschneidet. Nur wenige Meter entfernt springt ein Arthritiskranker mittleren Alters schwungvoll auf eine Backsteinrampe. Während er auf und ab springt, erklärt er grinsend, dass seine Genesung das Resultat einer traditionellen Behandlung sei, für die er geduldig in der Schlange ansteht. In Indien laden Ärzte auf der Straße zu Aderlass ein. Das „schlechte Blut“, das einfach den Bordstein entlang wegrinselt, wurde vorher mit Wasser von den Gliedmaßen der Patienten gewaschen.

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Der alte Brauch des Aderlasses soll, in Kombination mit einem genauen Essensplan, von Herzschmerzen und Arthritis bis hin zu Krebs und Diabetes alles heilen. „Je dunkler das Blut ist, umso länger musst du bluten“, erzählt mir Gyas. Der typische Behandlungsverlauf dauert sechs Wochen. Gyas Sohn wird von einem halben Dutzend Assistenten unterstützt, die die Druckverbände anlegen, die aufgeschnittenen Wunden mit Wasser ausspülen und mit einer Gewürzmischung behandeln. Ein Arzt, der Tetanusspritzen verabreicht, ist auch vor Ort.

Gyas wurde von seinem Großvater zum Phlebologen ausgebildet und hat diese Kenntnisse an seinen Sohn weitergegeben. Seit 1980 praktiziert und beaufsichtigt er hier jeden Tag die Behandlungen. Seitdem hat er jede einzelne Rasierklinge aufbewahrt, die er stolz in 20 Plastiktonnen herzeigt. „So viele Jahre, so viele Menschen, so viele Rasierklingen“, sagt er und zeigt auf seinen Schatz. „Wieso sollte man an meiner Arbeitsmethode zweifeln?“

Gyas leidet an Parkison, das ihn seit 2008 daran hindert, seine Arbeit zu verrichten. Weder er noch sein Sohn haben irgendwelche Kerben oder Schnittwunden an den Beinen. Dass Ärzte das nicht unterstützen, scheint die Patienten der beiden „Heiler” nicht zu stören, die teilweise aus weit entfernten Teilen Indiens oder sogar anderen Ländern wie Japan und den USA angereist sind, um „geheilt“ zu werden. Viele von ihnen schwören auf die Behandlung—vielleicht ist es der Aderlass, der funktioniert, aber vielleichtliegt es auch an der alkohol- und zigarettenfreien und gemüsereichen Diät.

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So oder so ist die Stimmung unheimlich positiv. „Sieh mich an“, sagt einer von Gyas langjährigen Arthritis-Patienten in gebrochenem Englisch und springt dankbar wie eine unbeholfene Ballerina herum: „Ich kann alles bewegen. Ich habe keine Schmerzen.“