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Japan möchte die Welt mit kleinen, grünen, käferartigen Kreaturen ernähren

Wenn es nach dem Erfinder dieser Wunderalgen geht, werden sie schon bald den Welthunger bekämpfen und der Armut ein Ende bereiten.

Bild via YouTube

Der heiße, neue Scheiß aus Tokio ist das genaue Gegenteil von heiß oder neu. Es ist ein neongrüner Mikroorganismus, der sich, wie sich herausstellt, sehr gut als ziemlich nährstoffreiche Nahrung anbietet.

Der Organismus namens Euglena ist eine Anomalie der Natur. Er hat sowohl gesundheitliche Vorteile einer Pflanze als auch eines Tiers, da er einerseits Energie durch Photosynthese produzieren kann und andererseits eine Menge Aminosäuren, Proteine und Fette in sich trägt.

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Und die Leute in Japan essen das Zeug ohne Ende. Das Wall Street Journal hat sich vor Kurzem das Unternehmen—das ebenfalls Euglena heißt—, das die grünen Käfer produziert, angesehen. Das WSJ berichtet, dass es eine Anschubfinanzierung in Millionenhöhe von einigen der größten Firmen und Risikokapitalgebern des Landes—unter anderem vom früheren japanischen Präsidenten von Microsoft—kassieren konnte. Auch an der japanischen Börse läuft es mehr als gut für Euglena, dessen Wert momentan auf 15,35 Millionen US-Dollar geschätzt wird; mit steigendem Gewinn. Die Einnahmen haben sich in den letzten drei Jahren verdreifacht.

Die Firma hofft, letzten Endes einen Biokraftstoff aus diesem Organismus zu entwickeln. In der Zwischenzeit aber verdient sie sich eine goldene Nase mit ihrer Produktpalette grüner Nährstoffprodukte: Proteinpulver, Kekse, grünes Curry und Nahrungsergänzungsmittel.

Du denkst vielleicht, Ernährungsexperten hypen diese Supernahrung schon seit Jahren. Das stimmt auch. Nichtsdestotrotz scheint es so, als sei dieser kleine Pflanzen-Tier-Hybrid wirklich, wirklich gut für dich. Die Forschung zeigt, dass er das Immunsystem stärkt, den Cholesterinspiegel senkt und den Insulinspiegel mäßigt. Euglenas Präsident, Mitsuru Izumo, bezifferte den Nährwert in einem Firmenbericht des letzten Jahres. Dementsprechend enthält ein einziges Gramm der Alge:

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so viel Beta-Carotin wie sieben eingelegte Aprikosen (50 Gramm) 
- so viel Vitamin B12 wie 50 Gramm Kuhleber
- so viel Folsäure wie eine Sardine
- so viel Zink wie 50 Gramm Muscheln
-so viel Dehydroascorbinsäure (oxidierte Ascorbinsäure, also Vitamin C) wie 50 Gramm gegrillter Aal

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Jeder Keks beinhaltet etwa 200 Millionen Euglena-Organismen, was bedeutet, dass über eine Milliarde grüne Käfer in jeder Packung zu finden sind. Izumos Bericht zufolge können 50 Gramm eines Euglena-Riegels oder -Kekses ein Kind mit all den Vitaminen, Mineralien und Proteinen versorgen, die es pro Tag braucht; und das für umgerechnet nur etwa 10 Cent. Meines Wissens nach schafft das keine Süßkartoffel.

Wenn man Izumo so sprechen hört, könnte man meinen, er hält Euglena für nahezu superheldenhaft. In einem Interview mit der Post verglich er Euglena mit der fiktionalen Senzu-Bohne—die berühmte Superbohne aus den japanischen Manga-Comics. Eine einzelne Bohne ist dort in der Lage, einen Menschen für 10 Tage satt zu machen und jede noch so schlimme Verletzung zu heilen.

Der Geschäftsführer der Firma ist wirklich der Meinung, bei den Organismen handle es sich um den entscheidenden Schlüssel zur Bekämpfung der drohenden Probleme von Armut, Unterernährung und Hunger. Und wenn wir schon mal dabei sind, warum nicht auch gleich eine Kosmetiklinie veröffentlichen? Außerdem interessieren sich Wissenschaftler dafür, Euglena-Produkte für die zukünftige Kolonisation des Weltraums zu nutzen. Im Vergleich dazu könnte ein 800 mal 800 mal 1 Meter großer, mit Euglena gefüllter Tank knapp 200.000 Menschen einen Tag lang ernähren.

Hier auf der Erde hingegen bereitet sich das Unternehmen darauf vor, nach Übersee zu expandieren. Das bedeutet wahrscheinlich, dass dabei der Geschmack der westlichen Konsumenten etwas auf die Probe gestellt werden wird, da diese es nicht so sehr gewohnt sind, Produkte aus Seetang zu essen. Oder aus Käfern. Obwohl es auch hier in letzter Zeit verstärkt zu Diskussionen kommt.

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Erst im Mai veröffentlichten die Vereinten Nationen einen großen und total ernst gemeinten Bericht, der die Leute dazu auffordert, mehr Käfer zu essen—da uns sonst womöglich die Nahrung ausgeht. Bei geschätzten neun Milliarden Menschen, die 2050 auf unserem Planeten leben werden, müssten wir nämlich doppelt so viel Nahrung wie jetzt produzieren, um alle zu ernähren. Ganz zu schweigen davon, dass es bereits eine Milliarde hungernde Menschen auf der Welt gibt.

Die Antwort darauf, zumindest laut Bericht, soll es sein, Insekten zu essen, da diese sehr reich an Proteinen und Nährstoffen sind. Außerdem ist es verträglicher für die Umwelt, sie zu züchten. In dem Bericht malt man sich aus, wie die Insekten neben Massentierhaltungsbetrieben gezüchtet werden, um sie auch dort an die Tiere zu verfüttern. So als ob sie bereits mit dem kollektiven „Igitt!“ der westlichen Bevölkerung gerechnet hätten, verweisen die UN außerdem darauf, dass bereits mehr als 1.900 Insektenspezies als menschliche Nahrung identifiziert wurden und dass Insekten bei etwa zwei Milliarden Menschen bereits Teil des traditionellen Speiseplans sind.

Der Guardian schrieb dazu:

80 verschiedene Arten von Grashüpfern werden regelmäßig gegessen; in Ghana sammelt man während des Regens im Frühling geflügelte Termiten und frittiert sie oder verarbeitet sie zu Brot. In Südafrika isst man sie zusammen mit einem Maisbrei. Schokoladenüberzogene Bienen sind sehr beliebt in Nigeria, bestimmte Raupenarten werden in Zimbabwe favorisiert und knusprige Wespen mit Reis waren das Lieblingsessen des ehemaligen japanischen Kaisers Hirohito.

„Tatsächlich ist unser Konzept, die Welt durch Euglena zu retten, nicht neu“, schreibt Izumo. Wissenschaftler der Universität von Tokio hatten den Nährstoffreichtum der kleinen grünen Käfer bereits vor 50 Jahren untersucht, allerdings konnte niemand sie in Massen züchten. Erst Izumo hat herausgefunden, wie man das im großen Stil bewerkstelligen kann: Indem man sie in ihrer natürlichen Umgebung heranreifen lässt.

Die Leute die kleinen Organismen in großem Maße essen zu lassen, dürfte da schon etwas schwerer werden.