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Jauch-Talk: Ohne Ausländer gibt es auch keinen Rassismus

Kein Muslim, kein Flüchtling, kein Nichtweißer: Bei der großen Pegida-Show waren die Opfer der Rhetorik nicht eingeladen.
Screenshot: ARD

Der mit Spannung erwartete Jauch-Talk mit Pegida-Mitglied Katrin Oertel war sogar dann eine totale Enttäuschung, wenn man sehr niedrige Erwartungen hatte. Nicht nur, weil kein einziger Gast die Gelegenheit ergriff, Pegida zum ersten Mal öffentlich auf den fremdenfeindlichen Kern ihres schwammigen Populismus festzunageln. Sondern vor allem, weil ein Blickwinkel nie zur Sprache kam: der der Zielscheiben und Opfer der Pegida-Rhetorik: Muslime, Asylbewerber und Migranten.

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Wie ist es überhaupt möglich, dass niemand gemerkt hat, dass allein schon die Zusammensetzung dieser Runde ein Witz ist? Und nicht nur, weil man in einer viertelstündigen Google-Suche bestimmt zwanzig Kandidaten hätte finden können, die die Pegida-Sprecherin mit Freuden mal so richtig in die Mangel genommen hätten.

Stattdessen wurde ihr von den Teilnehmern dauernd so viel „Dialogbereitschaft" versichert, dass man das Gefühl hatte, da säße die Botschafterin irgendeiner zentralasiatischen Diktatur, die gerade über die größte Gasader der Welt gestolpert ist. Das Konfrontativste, das Oertel sich anhören musste, war Wolfgang Thierses eingeschnapptes Gemurmel, dass der Ruf „Wir sind das Volk" eigentlich den Revolutionären von 1989 gehören würde.

Viel schlimmer ist aber, dass niemand in dieser Runde diejenigen repräsentierte, die von Pegida am meisten betroffen sind. Muslime, Ausländer, Asylbewerber, Deutsche mit Migrationshintergrund—was sie über Pegida denken, scheint niemanden zu interessieren.

Hat hier irgendjemand Erfahrung mit Rassismus? Screenshot: ARD

Dabei haben sie durchaus etwas zu sagen, wenn man sie fragt: „Seit das mit Pegida angefangen hat, werden Ausländer beschimpft und teilweise sogar angespuckt", erklärte Ali Moradi, der Geschäftsführer des Sächsischen Flüchtlingsrat, der taz. „Anders aussehende Menschen sind hier nicht willkommen."

Moradi gab das Interview am Rande eines Trauermarsches für den Flüchtling Khalid Idris Bahray, der letzten Dienstag erstochen in einem Dresdner Vorort aufgefunden wurde. Ob der Mord rassistisch motiviert war, ist noch nicht bekannt. Sehr wohl bekannt aber sind die widerlichen Reaktionen einer ganzen Reihe von Pegida-Fans auf der Facebook-Seite der Bewegung.

Bekannt ist mittlerweile auch, dass sich Asylbewerber in Dresden nicht mehr sicher fühlen. Bahrays Mitbewohner berichten, dass ihnen immer wieder Rufe wie „Fuck you!" oder „We are killing you!" hinterhergeschrien werden, in den Hausflur soll jemand Hakenkreuze gemalt haben. Aber auch für Deutsche kann das Leben in Dresden unangenehm werden, wenn sie die falsche Hautfarbe haben. „Der Rassismus hier macht uns platt", berichtet eine verzweifelte Frau auf einem Blog. „Seit Dezember kann ich kaum schlafen und essen."

Das alles hat bei Jauch niemanden interessiert. Natürlich wurde immer mal wieder darauf hingewiesen, dass Pegida Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen wird. Aber was das für Muslime und andere nichtweiße Deutsche wirklich bedeutet, wenn ein paar Hobby-Demagogen mithilfe stumpfester Ressentiments ihren Größenwahn ausleben, scheint sich am Sonntag niemand gefragt zu haben.

Stattdessen ging es dauernd um die „Patriotischen Europäer"—ihre Sorgen, ihre Nöte, ihre Artikulationsschwierigkeiten, ihre Politikverdrossenheit. Die Gäste zerbrachen sich den Kopf darüber, wie man diesen 25.000 Schreihälsen ihre eingebildeten Ängste wieder ausreden kann. Die realen Ängste, die das hasserfüllte Geschrei dieser Menschen ausgelöst hat, hatten in Jauchs blütenweißer Runde nichts zu suchen.