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Drogen

Kiffen im Club

Morgen wird ein großer Tag für alle Kiffer Deutschlands, denn ein neuer Gesetzesentwurf zur Legalisierung von Cannabis wird im Parlament diskutiert.

Die Linke fordert eine Legalisierung von Gras, wenn es in sogenannten Cannabis Social Clubs (CSC) angebaut wird. Du wirst also Mitglied in einem dieser Vereine, ziehst dann Pflänzchen hoch und nimmst dir jeden Tag dein Gramm mit nach Hause. Außerdem sollen Autofahrer, die nicht gerade beim Fahren mit einem Joint im Mund erwischt werden, nicht mehr so schnell ihren Lappen verlieren. In Spanien und Belgien clubben die Leute schon haufenweise. Wir sprachen mit dem Typen, dessen Petition von 2010 mit dem schlichten Titel „Cannabiskonsumenten entkriminalisieren“ sich fast 1:1 im Antrag der Linken wiederfindet. Herr Wurth ist seit 2002 Sprecher, Leiter und Inhaber des Deutschen Hanf Verbandes. 1996 hat er sich wegen Besitz von vier Gramm Cannabis selbst angezeigt, um die Legalize-Debatte ins Rollen zu bringen. Zu seinem Pech (oder Glück?) ging das Verfahren bis ans allerheiligste Bundesverfassungsgericht. VICE: Wäre das Gesetz ein großer Schritt zur Legalisierung?
Georg Wurth: Für deutsche Verhältnisse wäre das schon ein großer Schritt. Dabei geht es in dem Antrag der Linken gerade nicht um Legalisierung, sondern eher um Entkriminalisierung—dass man die Konsumenten nicht mehr so verfolgt, inklusive des Anbaus. Ein weiterer Vorschlag ist die Grenze des Eigenverbrauchs auf 30 Gramm hochzusetzen, was ich sehr sinnvoll finde. Die CSCs gehen über diese Forderung weit hinaus, denn der Anbau an sich wird in Deutschland sehr hart verfolgt. Wer als Konsument selbst anbaut, geht juristisch ein viel größeres Risiko ein als jemand, der sich die gleiche Menge auf dem Schwarzmarkt besorgt, weil nach der Ernte der Vorrat groß ist. Das ist kontraproduktiv, weil diejenigen, die selbst anbauen, dem Schwarzmarkt quasi den Umsatz entziehen. Das sind die Dealer, zum Teil zwielichtige Gestalten. Die CSCs sind für Leute gut, die aus irgendwelchen Gründen nicht selbst anbauen können oder wollen. In Spanien soll es um die 200 solcher Clubs geben mit Tausenden von Mitgliedern. Wie funktioniert das?
Das funktioniert wunderbar. Die haben strenge Regeln, arbeiten mit den Behörden zusammen, melden an, wo und wie viel sie anbauen und so weiter.

Wie kann man kontrollieren, ob die Mitglieder wirklich nur die erlaubten 30 Gramm zum Konsum verwenden? Darf dann jeder nur eine Pflanze haben?
Das muss man sehen, wie man das dann genau macht. In Belgien gibt es auch einen CSC. Da wird eine Pflanze pro Person geduldet und nicht verfolgt. Hauptsache ist, dass mit den Behörden vor Ort zusammengearbeitet wird und Abgabemengen dokumentiert werden. Die meisten Clubs werden ein Interesse daran haben, das ehrlich anzugeben, weil sie dann bei Verstößen ihre Lizenz verlieren könnten. Insofern gehe ich davon aus, dass die Regeln weitgehend eingehalten werden, zum Beispiel dass nicht an Jugendliche abgegeben wird. Kann ich mir dann als Mitglied auch Samen aus dem Club mit nach Hause nehmen und dort  züchten?
Ich kann mir das schon gut vorstellen. Voraussetzung für solche Clubs wäre, dass man den Eigenanbau von Personen zu Hause in irgendeiner Weise regelt. So waren zumindest die Anfänge der CSC in Spanien und Belgien, die dieses gemeinsame Anbauen vor Gericht durchgekämpft haben. Man könnte aber auch sagen: Anbau zum Eigenverbrauch ist nur in solchen Clubs möglich. Halte ich aber nicht für sinnvoll. Auch der, der zu Hause eine Pflanze hat–ich würde eher für fünf plädieren–ist nicht ein Verbrecher. Darf jeder Mitglied in solchen Clubs werden?
Es sollten Erwachsene sein. Das ist die wichtigste Voraussetzung. Was ist, wenn man einen Eintrag im Register wegen häufigen Konsums hat, oder beim bekifften Autofahren erwischt wurde?
Einträge für Konsumdelikte sollten doch gar nicht mehr entstehen. Darum geht’s in dem Antrag. Wir haben etwa vier Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland und jedes Jahr 100.000 Strafverfahren nur wegen solcher Delikte. Ein riesiger Aufwand für Behörden und Polizei und eine Drangsalierung dieser Menschen, die sich nichts weiter haben zu Schulde kommen lassen, als Hanf zu rauchen, statt Alkohol zu trinken. Was soll das? Warum sollten Leute, die schon aufgefallen sind, nicht in die CSCs dürfen? Und im Straßenverkehr?
Wer bekifft fährt, sollte auch seinen Führerschein verlieren können. Aber woher er sein Cannabis hat, ob vom Schwarzmarkt oder vom CSC spielt dabei erstmal keine Rolle. Im Moment ist es ja so, dass viele Leute wegen Cannabis ihren Führerschein verlieren, obwohl sie noch nie bekifft gefahren sind. Die Polizei schreibt „regelmäßiger Konsum“ auf, wenn man bei einer Kontrolle vorgibt, nur am Wochenende zu kiffen und dann verliert man seinen Führerschein. Jemandem, der jedes Wochenende ein Bier trinkt, passiert das nicht. Das ist eine Diskriminierung von Cannabiskonsumenten und hat nichts mit Verkehrssicherheit zu tun. Sie haben eine offizielle Stellungnahme zu dem Antrag der Linken abgegeben. Wie glauben Sie, stehen die Chancen morgen?
Es wird in dieser Legislaturperiode keine positive Entscheidung zu Stande kommen. Die CDU sperrt sich ganz massiv dagegen, die FDP auch. Mit liberal hat das nichts zu tun, was die FDP da macht. Die haben ja auch ne sehr konservative, repressive Drogenbeauftragte, an der sie das nicht vorbei entscheiden können. Auch die SPD ist sehr zurückhaltend. Immerhin kommen sie an einer Diskussion nicht vorbei. Immer mehr Sachverständige sind zudem für eine Veränderung. Wenn man sich die Stellungnahme von Herrn Gaßmann von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen anschaut, ist die Sache ziemlich eindeutig. Man hat fast den Eindruck, dass die konservative Seite Schwierigkeiten hat, überhaupt noch Experten zu finden, die ihre Meinung stützen. Zum Beispiel ist Prof. Thomasius in Wissenschaftlerkreisen äußerst umstritten, weil er geblendet ist von seiner Praxis, wo er mit Psychiatriepatienten zu tun hat und da gibt es vereinzelte Extremfälle, die er zu Gesicht bekommt und das dann verallgemeinert. Wie kommen Sie dazu, für die Legalisierung bzw. die Entkriminalisierung zu kämpfen?
Die Argumente sprechen alle gegen das Hanfverbot. Der Konsum wird durch das Verbot nicht zurückgedrängt. Dazu gibt es noch ne ganze Menge negative Begleiterscheinungen: von Streckmitteln über Förderung organisierter Kriminalität über entgangene Steuereinnahmen. Wenige Themen haben eine so eindeutige Faktenlage und trotzdem passiert nichts. Glauben Sie, dass wir nach einer Legalisierung von Säufern zu Kiffern werden?
Nein. Es besteht kein Zusammenhang zwischen Verbot und Konsumverbreitung. Holland, wo jeder Erwachsene im Laden was kaufen kann, ist durchschnittlich im Konsum. In den USA wird dreimal so viel konsumiert, obwohl die Kifferverfolgung da sehr hart ist. Die Regierung sagt immer: Wir wollen uns durch die Legalisierung kein zusätzliches Problem neben Tabak und Alkohol reinholen. Aber darum geht es gar nicht. Wir haben einen Markt in Deutschland. Millionen konsumieren Hunderte Tonnen im Jahr. Die Frage ist jetzt nur, wie wir damit umgehen: Es dem Schwarzmarkt überlassen oder vernünftige Regeln finden. Es gibt andere Gründe, warum weniger Cannabis als Alkohol konsumiert wird. Vielen Leuten gefällt diese Art Rausch nicht, viele werden davon müde, viele probieren es, lassen dann die Finger davon. 13 Millionen Deutsche haben es in ihrem Leben schon probiert.