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Kinder werden zu Sexsklaven und kriminelle Banden verdienen Geld damit

Für Gangs in Nordengland ist es bloß ein weiteres lukratives Geschäft, junge Mädchen zur Prostitution zu zwingen.
Eine Straße in Keighley, in der Drogen verkauft wurden und Bordelle existierten

Susie und Elizabeth sind nicht die richtigen Namen der Opfer. Diese wurden von der Redaktion geändert, um die Privatsphäre der Mädchen zu wahren. Die Namen der mutmaßlichen Täter wurden aus rechtlichen Gründen geändert.

Susie wusste nicht, dass sie Opfer sexuellen Missbrauchs werden würde, als sie den 24-jährigen Tariq das erste Mal traf.

Im Sommer 2001 trafen sich ihre Augen in einem überfüllten Einkaufszentrum. Susie war damals 14 und verbrachte den Samstagnachmittag nach der Ballettstunde immer mit ihren Freundinnen im Einkaufszentrum. Sie kannte Tariqs jüngeren Bruder Sajid aus der Schule und hatte Sajid auch schon mal geküsst, als sie betrunken war. Sie mochte Sajid nicht „auf diese Art", aber mit Tariq war das anders.

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Susie hätte nicht wissen können, dass der attraktive, charmante Tariq ein ​Lov​erboy ist, der sein Geld unter anderem mit ​Gro​oming, der Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuelle Zwecke verdiente. Die Behörden allerdings wussten, dass Tariq und seine drei Brüder mit dem sexuellen Missbrauch von und dem Handel mit Dutzenden junger Mädchen in Rotherham, Sheffield und Bradford in Verbindung standen.

Susie hätte wahrscheinlich ohnehin nicht auf sie gehört. Innerhalb von 24 Stunden war Susie verliebt. Nach 48 Stunden wurde sie als vermisst gemeldet. Susie sagte: „Meine Eltern taten alles, um Tariq von mir fernzuhalten, aber ich war überzeugt davon, dass ich in ihn verliebt war."

Zwölf Monate später stand Susie in der Obhut des Jugendamts in Rotherham. Ihre Pflegefamilie ließ zu, dass Tariq sie vor dem Haus abholte.

Tariq war Heroin-Dealer mit weitreichenden Verbindungen. „Er war in alles verwickelt, was ihm Geld einbringen würde. Er machte die großen Deals klar und seine Mitarbeiter machten dann die Arbeit. Niemand rief ihn an, um ihn um dieses oder jenes zu bitten. Er machte sich nie die Hände schmutzig", sagt Susie.

Susie hatte als Tariqs „Freundin" einen besonderen Platz in der Hierarchie inne—zusammen mit 18 anderen Mädchen, die ihm ins Auge gefallen waren—und wurde unablässig sexuell missbraucht. Mit 14 geriet Susie in einen Drogenteufelskreis, in dem sexueller Missbrauch die Norm war. Mit 16 hatte sie schon zwei Schwangerschaften hinter sich und wurde zur Sexarbeit gezwungen.

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In den vergangenen Monaten wurde bekannt, wie viele Kinder Opfer ähnlicher Gräueltaten geworden sind. Diejenigen, die wussten, was vor sich geht, waren von den Enthüllungen seit dem Sexskandal von Rotherham nicht überrascht. Am verstörendsten ist vielleicht eine Tatsache, die die Regierung partout nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen scheint, nämlich dass in den Klein- und Großstädten in England der sexuelle Missbrauch von Kindern nur ein Teil eines millionenschweres Netzwerks des organisierten Verbrechens ist.

Professor Jenny Pearce, Leiterin des „​Internati​onal Center", das zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Kinderhandel forscht, sagte uns: „Einer der Skandale unserer Zeit ist die Tatsache, dass wir Kindesmissbrauch nicht als eine Form des organisierten Verbrechens sehen. Es hat viele Ebenen und Verwicklungen. Der Handel mit jungen Menschen wird von sehr manipulativen und erfahrenen Erwachsenen organisiert."

Als ich beim Innenministerium nachfragte, ob Ministerin Theresa May diese Verbindung je in einer ihrer Reden über Kindesmissbrauch hergestellt hatte, konnte mir niemand Auskunft geben.

Beim Durchsuchen von Zeitungsausschnitten fällt auf, dass der Horror der Kinderprostitution im Norden Englands das erste Mal in den 90ern Schlagzeilen machte, als herauskam, dass Kinder aus Kinderheimen in Bradford in Manningham, dem Rotlichtbezirk der Stadt, für Sex verkauft wurden. Vor den Augen der Behörden. Barnardo's eröffnete 1994 ein Streets and LanesBüro in Manningham. ​Barnar​do's ist die erste Stiftung in Großbritannien, die sich der Hilfe für missbrauchte Kinder verschrieben hat und eröffnete 1994 das Projekt „​Streets and​ Lanes", mit dem betroffenen Kindern geholfen werden sollte. Innerhalb weniger Jahre entstanden ähnliche Projekte in Sheffield und Rotherham. 20 Jahre danach besteht das Problem immer noch.

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Susies Geschichte ist kein Einzelfall. Das Grooming von Kindern folgt einem ähnlichen Muster wie das Hineinziehen von Jugendlichen in die Sex- und Drogenindustrie. Im Jahr 2000 gab das Innenministerium Richtlinien heraus, in denen es Forschungsergebnisse von Streets and Lanes zitierte: „Ein Mädchen wird von einem älteren Mann herausgepickt, der dann ihr ,Freund' wird. Schrittweise macht er das Mädchen emotional abhängig, er entjungfert es und trennt es von anderen Einflüssen wie ihren Freunden oder ihrer Familie, indem er emotionale oder körperliche Gewalt anwendet. Dieser Missbrauch geht so weit, bis der ältere Mann das Mädchen irgendwann für Sex verkauft."

Opfer, die einander nicht kannten, zeigten mir dieselben verlassenen Häuser in Rotherham und Keighley, in denen sie alle in den vergangenen zehn Jahren mehrfach missbraucht worden waren. Man kennt diese Häuser als „Partyhäuser". Eine Mutter zitterte, als sie mir davon erzählte, dass ihre Tochter von ihrem Vergewaltiger Heroin gespritzt bekommen hatte, während sie unter dem Einfluss von K.O.-Tropfen stand. Sie entwickelte durch Zwang eine Abhängigkeit. Sie war zu der Zeit 14.

Susie wusste, dass die „Partys", zu denen sie mitgenommen wurde, nicht das waren, was sie anfangs zu sein schienen. Außer einer Matratze auf dem Boden und ein paar Kondomen waren die Häuser völlig leer. In der Nachbarschaft wusste man, dass es Bordelle waren und dass Drogen und sexuelle Ausbeutung Hand in Hand gingen. „Tariq sagte, dass er Crack in einen Joint mischen und ein Mädchen so abhängig machen würde", sagt Susie. „Du glaubst, du rauchst bloß einen Joint, aber die Dealer weichen in vorher in Heroin ein. So verdienen sie ihr Geld: indem sie dich abhängig machen."

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Shakeel Aziz arbeitet als Sozialarbeiter für das Star-Projekt in Keighley und leitet seit über zehn Jahren Workshops zum Thema Schutz vor Loverboys. Seiner Meinung nach ist die Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuelle Zwecke eng mit dem organisierten Verbrechen verwoben. „Grooming ist bloß ein weiterer Bestandteil eines kriminellen Lebensstils", sagt Aziz.

Kinder werden schon früh in die Welt der Kriminellen eingeführt. In Keighley habe ich acht- oder neunjährige Jungs getroffen, die scheinbar ganz unschuldig in einem Park spielten. Sie erzählten mir, dass sie „eingestellt" wurden, um die Gegend auf unauffällige Weise zu überwachen und die Dealer zu warnen, wenn sie ungewöhnliche Dinge oder Fremde in der Nähe der Partyhäuser bemerken. Sobald diese Kinder die Pubertät erreichen, werden sie Teil der rücksichtslosen Missbrauchskultur.

Aziz erklärte mir, wie die Sache funktioniert. „Während des Tages arbeitet Herr A als Drogendealer für einen örtlichen Drogenlieferanten, der Cannabis und Kokain liefert. Herr A hat einen Kumpel, der immer mit ihm mitfährt und ihm hilft. Er verkauft Drogen und macht pro Tag ungefähr 200 Pfund Gewinn. Das Grooming beginnt, wenn Herr Straßendealer mit einem Haufen Geld, ein paar Flaschen Wodka, etwas Kokain und etwas Cannabis in seinem Auto herumfährt. Herr A sieht zwei junge Mädchen auf der Straße und parkt einfach neben ihnen und beginnt ein Gespräch."

Mütter in Rotherham haben mir erzählt, dass ihre Töchter schon ab dem Alter von 11 Jahren zur Zielscheibe werden, auf den Spielplätzen ihrer Grundschulen. Wenn sie dann die weiterführende Schule besuchen, werden sie von älteren, charmanten Jungs umgarnt, die ihnen Wodka in die Limonade gießen.

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Seit 2001 engagiert sich ​Angel​a Sinfield zusammen mit Ann Cryer, der Abgeordneten für Keighley, erfolgreich für eine Gesetzesänderung, die die Strafverfolgung von sexuellem Missbrauch an Kindern ermöglichen sollen. Sinfields Tochter wurde Opfer von sexuellem Missbrauch und Sinfield verbrachte vier Jahre mit dem Versuch, ihre Tochter vor einer mächtigen, gewalttätigen Bande zu schützen, die scheinbar immun gegen Strafverfolgung war. Von 2006 bis 2008 war Sinfield im Stadtratsmitglied für Keighley und trug ihre Bedenken wiederholt bei der Polizei, dem Rat, dem Sozialdienst, Barnardo's, Parents against Child Exploitation und beim Innenministerium vor.

Sinfield zeigte mir die verlassenen Gassen in Keighley, in denen Kinder immer noch dem Grooming zum Opfer fallen. Im Gebüsch lagen leere Pizzakartons, Verpackungen von Süßigkeiten, Zigarettenschachteln und zerbrochene Wodkaflaschen. Das schien zunächst unschuldig, doch Sinfield sagte mir: „Ich habe schon Mädchen in Schuluniformen gesehen, die darauf warteten, abgeholt zu werden. Ich habe ältere Männer gesehen, die den Mädchen aus ihren Autofenstern Flaschen reichten. Die Dealer sitzen mit den Mädchen auf einer Mauer, es ist offensichtlich, dass sie zusammen sind. Du hörst, wie die Mädchen sich übers Telefon verabreden. Sobald die Mädchen betrunken sind, fahren die Autos vor und bringen sie zu einem nahegelegenen, verlassenen Spielplatz. Der Hausmeister der Schule muss den Hof jeden Tag fegen, weil immer überall Flaschen, Dosen und benutzt Kondome herumliegen. Es ist immer noch ein großes und ernstzunehmendes Problem."

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Wir haben der Gasse nachts in strömendem Regen einen Besuch abgestattet. Luxusautos, deren Fahrer uns misstrauisch beäugten, fuhren die Straßen auf und ab. Nachdem wir uns zurückgezogen hatten, um die Autos aus einer gewissen Entfernung zu beobachten, wurden die Freier in ihren Autos deutlich langsamer.

Trotz all der Erfolge, die Sinfield zu verzeichnen hat, ist sie mit ihrem Engagement gegen die Wand gefahren, als sie behauptete, dass ein bekanntes Mitglied der Gemeinde in organisierte Kriminalität verwickelt sei. Sinfield: „Von einer Behörde hörte ich, dass ich auf mich allein gestellt sei. Ich sagte: ,Das ist schon in Ordnung. Ich war immer auf mich allein gestellt.'"

„Wenn die Banden nicht das ganze Geld aus dem Drogenhandel hätten, gäbe es bei weitem nicht so viel sexuelle Ausbeutung. Schließlich brauchen sie Geld. Sie brauchen Geld, um die Mädchen einzuladen, um die tollen Autos und die ganzen Sachen zu kaufen, die sie den Mädchen schenken. Ohne das Geld aus dem Drogenhandel könnten sie das gar nicht", sagt Sinfield.

Zwei Jahre nachdem Susie Tariq kennengelernt hatte, stellte ihm sein Bruder Sajid Elizabeth, ein weiteres Opfer vor. Elizabeth erzählte uns, wie sie beim Shoppen an einem Samstagnachmittag „zufällig" eine Gruppe junger asiatischer Typen (einschließlich Sajid) getroffen hatte. Eine Freundin, die bereits in Teil des Systems war, stellte sie vor. Elizabeth, damals 13, und ihre Freundinnen begannen, die Männer regelmäßig zu treffen und sich in der Innenstadt von Rotherham oder im Clifton Park zu betrinken und sich zu amüsieren. Im Handschuhfach eines der Autos, die Sajid und seine Brüder fuhren, lagen immer Wodka und Joints. Sie hatte das Gefühl, dass sie Teil einer Gruppe von älteren, interessanteren Freunden war, die Geld, Autos und Zeit hatten und ihr sehr viel Aufmerksamkeit schenkten.

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Elizabeth fiel dem einschüchternden Charisma der Bande zum Opfer und wurde mit 14 einer grauenhaften sexuellen Initiation unterzogen. Während eine Freundin zu Tode erschrocken zusah und Angst hatte, dass sie als nächstes dran sein würde, wurde Elizabeth massenvergewaltigt. Die Vergewaltiger, eine Gruppe von ungefähr sechs Männern, begannen zu filmen. Solche Videos bringen sehr viel Geld ein, wenn sie auf internationalen Pornoseiten hochgeladen werden.

Außer Mädchen dazuzubringen, sich (freiwillig oder nach Gewaltanwendung) zu betrinken und Drogen zu nehmen, haben die sogenannten Loverboys auch noch andere Methoden. Einmal nahm Tariq die 14-jährige Susie zu einer „Party" mit und mischte ihr etwas in ihr Getränk. „Ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht mehr an besonders viel", sagte sie uns. „Es dauerte den ganzen Tag und die ganze Nacht. Wir hatten einfach nur Sex, so viel und so lange, dass ich richtig wund wurde. Das ist das einzige, woran ich mich erinnere, der Sex. Ich weiß gar nicht, wie lang ich da war. Später wurde ich dann in ein anderes Haus in der gleichen Straße gebracht."

Elizabeth wurde für Sex in Autos, Parks, Gassen, Hotels und Partyhäusern in ganz Yorkshire an Männer verkauft. Die Deals wurden immer so eingefädelt, dass die Opfer nichts davon mitbekamen. Sie wurde „zum Spaß" an die Bandenmitglieder ausgeliehen, alle anderen mussten bezahlen.

„Sie brachten immer Männer mit, die Sex mit mir haben wollten. Auch ältere", sagte sie. Die Bande kassierte Geld von den Männern, denen sie die Mädchen bereitstellte. Elizabeth war auf dem Weg zu einem weiteren Partyhaus, als der Fahrer sagte: „Wir haben ganz schön viel Geld mit dir verdient." Er erzählte ihr, dass Blowjobs von Kindern sehr viel mehr Geld einbringen als Blowjobs von Erwachsenen.

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Elizabeth erhielt zu jeder Tages- und Nachtzeit Textmitteilungen von der Bande. Sie schlief mit wem auch immer, wo auch immer, aus Angst davor, was passieren würde, wenn sie sich den Anweisungen verweigerte.

„Sie sagten Sachen am Telefon wie: ,Wir haben ein Mädchen hier. Komm vorbei, wir amüsieren uns und feiern eine Party'", erzählte Elizabeth. „Dann spazierten acht oder neun Männer durch die Tür, alle gut drauf. Sie brachten Jack Daniels mit, Zigaretten und ein bisschen Kokain. Dann wurde mir klar: „Verdammt, ich bin das einzige Mädchen in diesem Haus und da sind so viele von denen. Du bist das einzige Mädchen und sie sind alle wegen dir hier. Sie laufen nackt herum und sind schon total aufregt, weil sie als nächste mit dem Ficken dran sind. Und du kommst da einfach nicht raus."

Häufig nahmen die Mädchen zur Sicherheit andere Mädchen mit. „Wenn sie 20 Männer anschleppen, dann musst du es nur mit zehn machen", erklärt Elizabeth. „Es wird mit der Zeit einfacher. Du gehst rein, gibst ihnen, was sie wollen, und gehst wieder raus. Wenn du das nämlich nicht tust, werden sie dich nicht aus dem Haus lassen."

Sie macht eine Pause und sucht mit ihren Augen nach Bestätigung. „Ich war 14. Ich war ein Kind."

Es ist zehn Jahre her, dass der Missbrauch endete, doch Elizabeth hat immer noch mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen. Eine halbe Stunde vor unserem Gespräch war sie noch eine selbstsichere, professionelle junge Frau gewesen, die fest entschlossen war, von ihren Erfahrungen zu berichten. Nach unserem Gespräch sagte sie kein Wort mehr.

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Beim Kindesmissbrauch und anderen Bereichen des organisierten Verbrechens wird Einschüchterung benutzt, um Menschen gefügig zu machen. Das betraf nicht nur die Mädchen. Die Familien und die Gemeinden waren auch betroffen. Ein Brandanschlag, eine Prügelattacke gewährleisten Jahre des Schweigens. Diese Männer waren als mächtig und gewalttätig bekannt. Ein Vater erzählte mir, dass seine Tochter ihn anflehte, nichts zu sagen, weil sie Angst vor der Bande hatte: „Sie sagte, dass ich ermordet werden würde, dass ich angezündet werden würde." Sie war damals 13 Jahre alt.

Gill Gibbons von Parents Against „​Child Expl​oitation" bestätigte mir, was mir vorher schon andere Organisationen gesagt hatten: dass alle aufgebracht und frustriert seien, weil dieselben Täter in Rotherham und Bradford wieder und wieder von Dutzenden von Opfern identifiziert worden seien und trotzdem keiner je zur Rechenschaft gezogen wurde.

Sinfield hat zusammen mit anderen Müttern über 50 mutmaßliche Täter identifiziert, die ihre Töchter missbraucht haben sollen. Die Liste mit den Namen wurde einem Ratsmitglied vor Ort, der Abgeordneten und der Polizei übergeben. Gegen keinen dieser Männer wurde je ermittelt, keiner von ihnen wurde je strafrechtlich verfolgt. Auch wurden die Opfer nicht befragt. Die Männer auf der Liste sind die Söhne von wichtigen Mitgliedern der Gemeinde.

Aziz sagt, ihm sei aufgefallen, dass die Geschäftspraktiken einheitlicher und ausgeklügelter geworden sind. Sie haben raffinierte Fassaden für die Geldwäsche und politischen Einfluss, um ihre Pfründe zu schützen. Wenn sexuelle Ausbeutung erfolgreich ablaufen soll, benötigt sie eine Infrastruktur. Wie die Banden in Keighley betreibt Tariqs Großfamilie mehrere Gewerbe (Taxi-Unternehmen, Imbisse) und besitzt Immobilien. Die Familie hat bis heute mächtige politische Verbindungen und Familienmitglieder arbeiten für Polizeibeamte, Ratsmitglieder, Richter und Rechtsanwälte.

Der Sex-Skandal von Rotherham hat allerdings dazu geführt, dass jetzt alle fest entschlossen sind, die Sexbanden zur Rechenschaft zur ziehen. Die Polizei in West und South Yorkshire hat Ermittlungen wieder aufgerollt, die Beschuldigungen in älteren Missbrauchsfällen betreffen. In Rotherham werden zwei weitreichende Ermittlungen vorbereitet, die 283 Opfer und 18 Verdächtige betreffen. Nur dass die Opfer, die nach Gerechtigkeit streben, dieses Mal älter und nicht so leicht manipulierbar sind. Sie lassen sich nicht mehr zum Schweigen bringen. Momentan sind drei Männer wegen Straftaten aus dem Jahr 2001 in Haft.

Stadt- und Gemeinderäte, Sozialarbeiter, die Polizei und das Innenministerium wissen sehr wohl, dass Kinder in ganz Nordengland seit Jahrzehnten für Sex verkauft werden. Trotzdem stellt man einen Widerwillen fest, wenn es darum geht zuzugeben, dass sexueller Kindesmissbrauch nur ein Teil eines millionenschweren, organisierten kriminellen Netzwerks ist, das mit Sexarbeit und Drogenhandel sein Geld verdient.

Dieses Jahr musste Großbritannien ca. 12,5 Millionen Euro Gewinn aus Drogenhandel und Prostitution gegen die Staatsverschuldung aufrechnen. Trotzdem will niemand anerkennen, wie viel dieser Summe—oder zu welchem Preis—von Kindern wie Susie und Elizabeth erwirtschaftet worden ist.