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Wasser zu Wein, Stroh zu Gold, Fritten zu Geld

Ob nun der Hausmeister eine Fettecke entfernt oder ein Kunstwerk aus 22 Jahre alten Pommes verloren geht, mit etwas Glück kann einem der Schadensersatz die Rente aufbessern.

Ist das Kunst oder kann das weg? Ob nun der Hausmeister Beuys' Fettecke entfernte oder eine Putzfrau eine Gummiwanne wischte. Passiert halt, kommt vor und wird dann teuer. Für die Fettecke gab es 40.000 DM Schadensersatz, die gewischte Wanne kostete 800.000 Euro und—seien wir ehrlich—da sind 2000 Euro Schadensersatz für zwei 22 Jahre alte Pommesstäbchen, die kreuzförmig übereinander lagen und die Vorlage für ein goldenes Pommeskreuz bildeten, doch ein Schnäppchen. Eben diese Vorlage ging einer Galerie in München verloren und als der Künstler Stefan Bohnenberger sie zurück haben wollte, ging es vors Gericht.
Inzwischen macht er auch gar keine Pommeskreuze mehr und wir überlegen uns, ob wir nicht bald Currywürste versilbern, um unsere Renten aufzubessern. Muss halt nur einer verlieren in 22 Jahren. VICE: Was hast du letzte Nacht geträumt?
Stefan Bohnenberger: Ach ich hab was geträumt. Da war ein Zwerg auf so einer dunklen Ebene und der hat mir irgendetwas gezeigt, aber ich weiß nicht mehr genau was.
Es gibt manchmal Träume, die sind sehr, sehr klar. ich kann mich sehr gut erinnern. Ich weiß auch, woher die kommen und manchmal sind Träume eben diffus und da wird irgendetwas verarbeitet und ich weiß nicht genau was. Das war in dem Fall in der Nacht so. Ein Freund hat mir mal geschrieben, damals mit dem Pommeskreuz. Ich habe geträumt, ich sei ein Pommeskreuz und ich konnte aber nicht reden, weil das Pommeskreuz keinen Mund hatte und dieser Freund redet unglaublich viel, der redet permanent und er war unheimlich blockiert, er wollte immer reden und war ein Pommeskreuz und hatte keinen Mund. Was inspirierte genau das „Pommes d'Or“?
Das goldene Pommeskreuz? Ich wollte sozusagen eine Verwandlung von etwas Profanem—von einem Pommeskreuz—das sind zwei Frittenstäbchen über Kreuz an die Wand genagelt—in etwas Sakrales. Ich wollte eine Art von Transformation erzeugen.
Was interessant ist, zum Beispiel auch beim Pommeskreuz. Normalerweise wenn eine Ausstellung gemacht wird, gibt es immer ein Riesenklimbim um den Transport, mit Verpackungen, mit großen Transportkosten. Mit dem Pommeskreuz. Ich komme mit nichts in die Galerie, ich gehe zehn Minuten vor Eröffnung in die Pommesbude kaufe eine Tüte Pommes, suche zwei aus, Nagel die an die Wand und das war's. Verstehen Sie, es ist quasi ganz im Jetzt und das finde ich faszinierend, es entsteht alles vor Ort.

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Es ist ja nun ne Weile her, dass du das Pommeskreuz gemacht hast, was hast du dir dabei gedacht?
Das war eine Idee. Ich war in Wien und hatte diese Eingebung. Pommeskreuz. Und da gibt es eine Zeichnung von 1989 und 1990 habe ich es realisiert und dann ein Jahr lang Pommeskreuze gemacht an verschiedenen Orten. Zum Beispiel in Österreich war eine größere Gruppenausstellung. Da habe ich eins über die Scheune genagelt. In New York habe ich zwei Pommeskreuze in eine Zigarrenschachtel geklebt. Und so weiter. Ein Jahr lang hab ich mich damit beschäftigt. Also war das Pommeskreuz sozusagen deine Banane?
Von diesem Bananensprayer aus Köln? Nein, es ist nicht mein Markenzeichen. Es war eine Arbeit, die ich gemacht habe auf meinem Werdegang. Einmal habe ich dieses ein Jahr lang gemacht. Der Bananensprayer macht das ja schon 15 Jahre oder so. Es lässt gewisse Variationen zu, aber irgendwann ist es erschöpft. Und dann finde ich, muss man aufhören und was anderes machen. Wenn man dann weiter macht, ist das für mich schlechte Kunst. Stagnation ist also schlechte Kunst?
Das Problem ist, wenn der Kunstmarkt einschläft und sagt, das ist es. Man verdient jetzt richtig viel Geld damit. Also machen viele immer weiter, weiter, weiter, aber das hat mit Kunst ja nicht mehr viel zu tun. Es ist nur noch Reproduktion. Der einzig Große in meinen Augen, der das in genialer Weise konnte, war Andy Warhol. Der hat eben ein Verfahren gefunden. Diese Siebdrucksachen, der konnte dann bis ins Unendliche reproduzieren. Beuys hat Multiples gemacht, aber verschiedene Multiples eben. Das war speziell für Leute, die wenig Geld hatten, man konnte diese kleinen Kisten kaufen, die damals für zehn DM angeboten wurden. Konnte sich jeder kaufen und aufhängen. Das find ich sehr interessant, aber nur so etwas zu machen, permanent, das ist für mich gegen das Kreativitätsprinzip. Der Künstler muss sich auch entwickeln. Ich finde Kunst ist ein Spiegel des Lebens. Man versucht, einen Ausdruck zu finden für den Zustand, in dem man sich jetzt befindet. Das ist ein Kampf, eine Suche, eine Verzweiflung, eine Leidenschaft immer wieder eine neue Sprache zu finden. Ich bin ich gegen Wiederholungen. Andere Pommeskreuze gibt es nicht auf der Welt. Das ist einmalig. War das goldene auch. Ich mache eine Zeichnung und wenn ich dann denke, die sieht aber aus wie von dem und dem Künstler und meine sieht schlechter aus als die Zeichnung, an die es mich erinnert. Ich vernichte meine Arbeit.

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Wirklich?
Das gibt's doch schon, ist besser als meine. Aber es wäre doch schön zu wissen, dass man irgendwie inspiriert wurde.
Aber das weiß ich ja. Vielleicht behalte ich die Zeichnung, aber ich würde sie nie ausstellen. Kunst hat was mit dem Jetzt zu tun. Und es ist die Suche nach was Einmaligem. Für mich ist das Pommeskreuz an sich wesentlich interessanter und radikaler als das „Pommer D'Or“. Es hat einen Zwiespalt von absoluter Banalität und dann Kunst. Und das goldene ist eben durch die Veredelung schon etwas Wertvolles. Da fehlt irgendwie diese Diskrepanz. Aber für die Sammler ist das goldene natürlich interessanter als die Pommes Frites. Weil sie sich da wahrscheinlich denken, dass sie das auch hätten selber machen können.
Gut, es kann jeder selber machen auch im Prinzip. Zum Beispiel wenn die Eltern mit den Kindern ins Museum gehen und die schauen sich ein Bild an von Picasso, dann sagt das Kind auch, das kann ich aber auch malen. Ja, rein theoretisch. Dann mal es doch. Mach's doch. Ist doch kein Problem.

Wie sehen denn Ihre Arbeiten im Moment aus?
Ich mach im Moment Kuckkästen. Das sind kleine Arbeiten, teilweise Tennisbälle, Zigarilloschachteln. Da wird ein Türspion montiert, außen, und dann wird innen eine kleine Installation gemacht. Also schaut man durch ein Loch in einen Raum und durch den Türspion wirkt es wie eine Art Fischauge. Da wird der Raum teilweise riesengroß. Ich nehme zum Beispiel einen Faden oder ein Pralinenpapier, das forme ich dann um und klebe es hinein. Zuckerwürfel. Mit Seife habe ich gearbeitet. Mit Erde zum Beispiel.

Fotos: Stefan Bohnenberger