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Kunstunterricht und LSD-Erfahrungen mit Daniel Richter

Vergiss alles, was du über die deutsche Kunstszene oder Neo Rauch aus Leipzig weißt, denn Daniel Richter ist Deutschlands größter Künstler.

Daniel Richter ist insgeheim Deutschlands größter Künstler. Er kommt aus Hamburg, lebt jetzt aber in Berlin. Seinen Ruhm erlangte er durch seine Kunst über Politik, doch jetzt malt er nur noch coole, psychedelische Gemälde, die wie Bayern auf LSD aussehen.

Setz dich 20 Minuten mit Daniel Richter hin und du wirst merken, dass er ein echt entspannter Typ ist. Er trägt Cordhosen und seine Haare sind auf 60er Jahre gestylt. Und vielleicht erinnerst du dich an seinen Folge bei Art Talk. Der 50-jährige Künstler unterrichtete früher an der Universität der Künste (mittlerweile aber in Wien) und macht Bilder mit Sprühfarbe, was manchmal wie Graffiti aussieht. Seine Kunst ist im Museum of Modern Art in New York (uh lala) und im Centre Pompidou in Paris zu bewundern.

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Richter hat sechs große, neue Bilder gemalt, die noch bis zum 30. April im Contemporary Fine Arts in Berlin ausgestellt werden—einer der schicksten Galerien in Mitte, die normalerweise ihre Arbeiten für Millionen verkauft (der Golden-Globe-Gewinner und Regisseur von Bevor es Nacht wird Julian Schnabel hat dort auch mal ausgestellt). Das ist der wichtigste und bekannteste Ort, um seine Kunst auszustellen, und sie haben dort sogar zwei Sicherheitsleute am Eingang, die deinen Rucksack durchchecken. Das ist wie ein Museum für Künstler, die noch am Leben sind.

Ich bekam per E-Mail eine Einladung der Galerie, um Richter an einem Samstagnachmittag dort zu interviewen. Er gab erst gar keine große Eröffnungsfeier mit Hunderten Gästen.

Wir gingen also in den Hinterraum mit schicken Designerstühlen und Bildern von Leuten, die ich nicht kannte. Ich schmiss mein Diktiergerät an und nahm ein 20-minütiges Interview auf (obwohl ich eigentlich nur zwölf Minuten zugesagt bekommen hatte). Richter ist sehr philosophisch. Dieser Rücklick auf seine Kunstschule fühlte sich an, als wäre ich die ganze Zeit auf LSD gewesen.
 
VICE: Kannst du mir sagen, worum es in den Bildern geht?
Richter: Oh! Wenn überhaupt geht es darum, eine gewisse Abbildung nicht mehr zu machen. In den letzten zehn oder zwölf Jahren habe ich mich mit der Figuration beschäftigt, und dabei handelt es sich sehr oft um politische Ideen. In den letzten Jahren ging es um heroische Landschaften und die Romantik von klischeehafter Männlichkeit, wie rauchenden Cowboys und Waffen. Das sind alles unterbewusste Bilder der Männlichkeit. Aber ich wollte das nicht nochmal machen …

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Stimmt.
Am Ende des Tages sind alle Gemälde einfach flache Gegenstände. Ich dachte, es wäre gut, auch mal nichtrepräsentative Bilder zu malen, die Freiheit der Gesten und Experimente darstellen. Ich wollte also nichts Figuratives mehr machen und Reinheit vermeiden. Ich bin kein großer Purist. Es ging mir ums Malen und den Versuch, einen Code zu gestalten, wo das Experiment eine größere Rolle spielt als eine Ideologie.

Ist es schwierig, über die Malerei zu sprechen?
Es ist schwieriger, als über die meisten anderen Themen zu sprechen.

Daniel Richter, Zweifel an der Monokausalität, 2013

Oder Autounfälle.
Aber über Autounfälle zu reden, wäre komplizierter. Das ist ein bisschen so wie bei der Musik. Die Vagheit macht es so besonders für mich. Ein Bild bewegt sich nicht, so wie ein Berg. Es ist ein lebloser Gegenstand. Wie der Berg evoziert es Reflektionen der malenden Person. Die Malerei ist wie die Musik—präzise aber auch unklar. Die Qualität eines Bildes ist nichts, was du in eine Sprache übersetzen kannst. Wenn du es übersetzen könntest, bräuchtest du kein Bild dafür. Die Malerei unterscheidet sich von anderen Kunstarten, da ein Werk oder ein Körper betrachtet wird. Es ist nicht wie ein Film, den man für anderthalb Stunden anschaut und der dir was erzählt. Musik findest du in einem dreiminütigen Lied oder im Jazz, wo du gut zuhören musst, um die Struktur des Liedes zu erkennen. Die Malerei bewegt sich nicht und du entscheidest, wie viel Zeit du damit verbringen willst. Entweder du verstehst das Werk sofort oder überhaupt nicht. Das Bild wirkt auf dich irgendwie, selbst wenn du Chaos veranstaltest oder Materialen anordnest, die nicht zusammenpassen. Alles liegt innerhalb von einer Sekunde vor dir. Wie du es deutest, hängt von dir ab. Das gilt für alles. Für meine Großmutter war es sehr schwer, Popmusik zu verstehen. Für sie klang alles nach Free Jazz, da sie nichts damit anfangen konnte.

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Wo wohnst du?
Ich komme aus Hamburg, aber ich lebe seit zwei Jahren in Berlin.

Wie gefällt es dir?
Berlin ist eine beschissene Stadt, aber ich wohne trotzdem gerne hier.

Bist du also eher alleine oder treibst du dich in der Stadt herum?
Berlin ist mir fremd, als wäre es Toronto.

Ich komme aus Toronto!
Siehst du? Unterbewusste Kommunikation.

Deine Kunst scheint sehr unbearbeitet und roh.
Das Politikdrama hat mich früher sehr interessiert, genauso wie die Zweideutigkeiten, die du findest, wenn du beispielsweise eine Demonstration siehst—es kann eine Demonstration sein, aber auch etwas komplett anderes.

Wie Gesellschaftstänze?
Ja. Also, ich wohne in Berlin, aber ich weiß nichts über diese sogenannte Szene. Ich weiß, dass es dort viel improvisierte Musik gibt und Hunderte Leute super Sachen machen. Ich habe im Studio viel Zeit mit Lesen und Musikhören verbracht und ich saß viel in Restaurants. Diese Bilder sind in den letzten acht Monaten entstanden. Es war viel Arbeit. Wenn ihr es aufhängt, bin ich glücklich damit. Ich denke nicht darüber nach, wie schwer es war. Aber es war viel Arbeit, und das vergesse ich oft.

Es scheint viel Frische zu besitzen.
Interessante Bemerkung. Vorher ging es um kulturellen Pessimismus und eine düstere Melancholie. Jetzt verdoppelt das Bild die Melancholie meiner Meinung nach. Es ist ein antikulturelles Bild.

Daniel Richter, Erfindung des guten Irrtums, 2013

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Wie hat diese Veränderung angefangen?
Ich hatte eine Ausstellung in L.A. und kam im Sommer zurück. Ich hatte im Studio noch Arbeit, die ich nicht beendet hatte, und konnte mich einfach nicht mehr einfühlen. Ich wusste mal, was ich machen wollte, aber es gab keinen Grund mehr, es zu tun.

Menschen verändern sich.
Ja, so in der Art.

Viele Künstler haben auch Angst vor Veränderung und davor, nicht mehr erkannt zu werden.
Na ja, nicht unbedingt. Jeder versucht, wie ein Fremder auf seine eigene Arbeit zu schauen. Manchmal besteht die Gefahr, den Kontakt zu verlieren. Du sagst zu dir selber: „Das ist zu formalistisch.“ Mir fehlt ein wenig Aggression darin oder eine gewisse entgegenwirkende Beschaffenheit. Aber du findest es nur, indem du es tust.

Also hast du es getan!
Ich glaube, es ist gut geworden. Sich zu wiederholen, ist doch langweilig.

Wann hattest du das Gefühl, deinen großen Durchbruch zu haben?
Ich hatte nie das Gefühl von einem großen Durchbruch. Ich fühle mich eher, als hätte ich damals und auch jetzt einen Zusammenbruch gehabt. Zweimal. Ich glaube nicht an Höhen und Tiefen. Ich glaube daran, dass sich Gebiete verändern. Wenn du von der Gestaltung zur Non-Figuration übergehst, ist es wichtig, sich Bilder anzuschauen, die sich auf unsere Welt beziehen. Ich mache mittlerweile auch andere Sachen. Höhlenmalerei mit Flächenelementen, oder Geschichten, die sich mehr darauf konzentrieren, Bilder herauszuschneiden. Ich glaube, alles, was du für dich selber neu machst, bringt dich auf ein neues Level. Jetzt sind es psychedelische, paranoide, surreale Gefühle und Emotionen. Früher war ich präziser in Bezug auf Dinge, die in der Vergangenheit passierten.

Es sieht aus wie Bayern auf LSD.
Haha. Ich mag hohe Farbauflösungen.

Was steht bei dir als Nächstes an?
Ich werde im Studio malen.

Was ist dein größter Wunsch?
Lange zu leben, Friede für die Menschheit und dass böse Menschen brutal bestraft werden.