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Deine Freunde lügen wahrscheinlich, um nichts mit dir machen zu müssen

Laut einer US-Studie sind Videospiele, Haushaltspflichten und "Entspannen" wichtiger, als sich mit Freunden zu treffen.

"Sorry, ich kann heute Abend nicht, muss für ein Stockfoto herhalten." | Foto: Getty

Eigentlich hat es nie eine unrealistischere TV-Serie als Friends gegeben. Ich meine, das ganze Szenario von sechs Mittzwanzigern, die sich ohne augenscheinliche Planung immer miteinander treffen, ist doch völlig an den Haaren herbeigezogen. Stell dir doch nur mal vor, wie viele Gruppenkonversationen, E-Mail-Ketten und anderweitige Verpflichtungen vonnöten wären, um so etwas Komplexes wie ein Treffen von sechs Personen in einem Café zu organisieren. Wenn Friends wirklich realistisch gewesen wäre, dann hätten wir wohl nur sechs Menschen dabei beobachten können, wie sie sich gegenseitig anrufen und irgendwelche Ausreden erfinden, damit sie zu Hause bleiben und TV schauen können.

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Letzte Woche hat das US Bureau of Labor Statistics die sogenannte American Time Use Survey veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine jährliche Analyse davon, wie Menschen ihre kostbare Zeit verbringt. Und es hat sich herausgestellt, dass Schlaf (durchschnittlich fast neun Stunden pro Tag), Arbeit (an Werktagen knapp unter acht Stunden) und der Fernseher (etwas unter drei Stunden) den Alltag von US-Amerikanern bestimmen. So verbringen sie täglich auch nur magere 41 Minuten damit, von Angesicht zu Angesicht mit anderen Menschen zu sozialisieren. Dieser Wert ist im Laufe des vergangenen Jahrzehnts um neun Prozent gefallen. Bedeutet das, dass sich die Gesellschaft von dieser "Jeder hängt ständig miteinander ab"-Friends-Utopie immer weiter wegbewegt? Oder dass wir jetzt lieber online kommunizieren?

Vielleicht gibt es ja noch eine ganz andere Erklärung. Vielleicht hängen wir nicht mehr miteinander rum, weil wir uns alle in unseren Wohnungen verstecken und uns komplizierte Ausreden ausdenken, warum wir nicht mit weggehen können.

Zu diesem Schluss kam vor Kurzem eine Studie des Essenslieferanten Yelp Eat24. Und ich sehe absolut keinen Grund, warum ich ich dem Pressetext eines Lieferservices zum menschlichen Sozialverhalten nicht trauen sollte. Deswegen nehme ich die Verantwortlichen auch beim Wort, wenn sie schreiben: "Vielleicht hat FOMO—also die Angst, etwas zu verpassen—ausgedient, denn in einer neuen Studie hat man herausgefunden, dass sich POMO [Pleausre of Missing Out]—also das Vergnügen, etwas zu verpassen—auf dem Vormarsch befindet."

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Laut dieser Studie sind fast 30 Prozent der Befragten von Partynächten enttäuscht und mehr als ein Drittel deswegen sogar gestresst und verunsichert. Außerdem geben geben viele Kater und Streitereien als häufige Begleiterscheinungen an. Deshalb überrascht es auch nicht, dass 80 Prozent zugeben, "schon mal eine Ausrede erfunden zu haben, um nicht mit weggehen zu müssen". In anderen Worten: Sie haben ihre Freunde angelogen, um sie nicht sehen zu müssen.

Jeder kennt es doch: "Mein Hund ist krank", "Ich habe schon etwas vor", "Bandprobe", "Ich versuche, mit dem Trinken aufzuhören", "Wir sind nicht mehr zusammen" oder "Ich glaube, du hast da eine falsche Nummer". Solche und ähnliche Ausreden hast du bestimmt schon mal zu hören bekommen und auch schon selbst gebraucht, um die Fassade aufrechtzuerhalten, dass du zwar wirklich gerne zu irgendeinem Noise-Musikfestival mitkommen würdest, aber eben irgendwelche Insekten aus der Wand kommen und außerdem noch dein Cousin in der Stadt ist. Solche Lügen sind das Wundermittel, das unsere soziale Interaktion nicht unangenehm werden lässt—das machiavellistische Netz, das uns zusammenhält.

Warum sagen wir nicht einfach die Wahrheit? Nun, laut den Daten von Yelp Eat24, denen ich noch immer kein bisschen skeptisch gegenüberstehe, sind folgende Dinge beliebter als Draußenaktivitäten mit Freunden:

1.) TV schauen
2.) Entspannen bzw. ein Nickerchen machen
3.) Zu Hause essen
4.) Zeit mit dem Partner/der Partnerin verbringen
5.) Zeit mit dem Kind/den Kindern verbringen
6.) Lesen
7.) Musik hören
8.) Hausarbeiten erledigen
9.) Trinken
10.) Videospiele spielen

OK, "Zeit mit dem Partner bzw. der Partnerin zu verbringen" ist schon ein guter Grund, um nicht weggehen zu müssen. Und auch den Haushalt kann man nicht einfach so links liegen lassen. "Musik hören" ist jedoch nicht gerade eine Aktivität, die den ganzen Abend andauert. Genauso wenig wie "Zu Hause essen". Nicht wegzugehen, um zu "Trinken"—und das wahrscheinlich noch allein—, erscheint mir auch nicht gerade wie eine erstrebenswerte Abendaktivität. Und ich gehe mal stark davon aus, dass "Entspannen" einfach nur ein Umfrage-Codewort für Selbstbefriedigung ist—und auch das sollte nicht den ganzen Abend dauern.

Motherboard: Die besten medizinischen Ausreden, warum du dir keine Namen merken kannst

Man kann nun vom Feiern halten, was man will, aber die Ergebnisse dieser Studie sind doch ziemlich erschreckend. Dem Bureau of Labor Statistics zufolge wenden die US-Amerikaner heutzutage also weniger Zeit auf, um Kinder zu erziehen, um zu arbeiten und um unter Menschen zu kommen. Dafür verbringen sie dann mehr Zeit vor dem Fernseher. Und anscheinend lassen sie sich immer wieder neue Ausreden einfallen, um diese Tatsache zu verschleiern. Dann heißt es, dass man mal wieder Sport machen muss, während man sich in Wahrheit bei Call of Duty betrinkt und sich dann unter der Kuscheldecke "entspannt", bis die freundlichen Mitarbeiter von Yelp Eat24 mit dem bestellten Essen vorbeikommen.

Wenn man in dieser ganzen Sache zumindest irgendetwas Positives sehen will, dann wohl den Umstand, dass wir alle das Gleiche machen. Anders gesagt: Deine Faulheit und deine Unfähigkeit, in Bezug auf dein Leben ehrlich zu anderen Menschen (und auch zu dir selbst) zu sein, sind keine persönlichen Probleme. Nein, das sind nur Symptome eines allgemeinen Unbehagens. Und genau deswegen kann ich leider auch nicht zu deiner anstehenden Party kommen, denn die Gesellschaft rutscht immer weiter in einen Zustand der Lethargie ab. Beim nächsten Mal bin ich aber bestimmt dabei!