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Ein Lehrer missbrauchte über Jahrzehnte Dutzende Schüler

Er hat wohl damit geprahlt, dass er es den Kindern ermögliche, tolle Liebhaber zu werden.

Symbolbild | Foto: imago | Science Photo Library

In Hessen gibt es einen neuen Missbrauchsskandal. Nach der Odenwaldschule, in der in den 70er und 80er Jahren weit über einhundert Schüler missbraucht wurden, sind nun weitere Fälle sexuellen Missbrauchs bekannt geworden. An der Elly-Heuss-Knapp-Schule in Darmstadt, der viertgrößten Stadt Hessens, soll ein Lehrer zwischen 1961 und 1994 mindestens 35 Schüler missbraucht haben. Zu dem Schluss kommt der heute vorgestellte Untersuchungsbericht einer Kommission, welche die Vorfälle aufarbeitet.

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Der Bericht sei "ein Dokument unsäglicher Taten und nicht wieder gut zumachenden Leids", sagte Manuel Lösel, Staatssekretär im hessischen Kulturministerium. Er entschuldigte sich bei den Opfern.

Der beschuldigte Lehrer wurde 2005 wegen sexuellen Missbrauchs in lediglich 15 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt und starb 2008. Die Kinder an der Darmstädter Schule soll er über Jahre missbraucht haben, einige bis zu einhundertmal. Die Kommission vermutet, dass es wahrscheinlich sogar "eine weitaus höheren Zahl von Opfern" gibt als die bisher bekannten 35 Personen.

In seinem Tagebuch beschrieb er detailliert den Missbrauch, "dass Kinder sexuelle Wesen sind, sexuelle Aktivitäten zwischen Kindern und Erwachsenen nicht schaden", so der Bericht. Ebenso wird sein aggressives Vorgehen geschildert:

Er habe geprahlt, er ermögliche den Kindern, tolle Liebhaber zu werden, indem er sie in die Sexualität einführe. […] Eltern der missbrauchten Schüler, insbesondere Mütter, Brüder von bevorzugten Liebesobjekten und Konkurrenten werden […] brutal beim Kampf um die Liebe der Jungen ausgeschaltet. […] Auffällig ist die Vielzahl der Betroffenen, die nicht nur sporadisch, sondern über Wochen und Monate bei ihm zuhause statt im Elternhaus lebten.

Der Lehrer hat, so der Bericht weiter, gerne den Sexualkundeunterricht von Kollegen übernommen und sich an den nackten Körpern von Jungen in der Sportumkleide erfreut. Eltern und Schüler berichteten der Schulleiterin mehrfach von sexuellem Missbrauch—getan wurde nichts.

Andere Lehrer blieben ebenfalls untätig—weil sie Angst hatten, mit der Situation überfordert waren oder um den guten Ruf der Schule fürchteten. Es habe ein elitäres Selbstverständnis an der Schule gegeben. "Man hält sich für unverwundbar", schreiben die Verfasser des Berichts.

Auch die Strafverfolgungsbehörden versagten bis zu der Verurteilung des Lehrers im Jahr 2005. Mehrfach nahmen sie Ermittlungen auf, stellten sie aber schnell wieder ein—wegen fehlenden Tatverdachts gegen den Lehrer oder weil ihm die Ermittler mehr Glauben schenkten als den Opfern.

Die Kommission fordert ein Schmerzensgeld für die Missbrauchten, mehr Personal und auch mehr Geld für Polizei und Justiz, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.