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Mathematik prophezeit Revolutionen

Systemtheoretiker, die schon vor mehr als einem Jahr den Arabischen Frühling prognostizierten, haben mit ihrer Formel auch die Unruhen in der Ukraine und Venezuela kommen sehen.

Es passiert in der Ukraine, in Venezuela, Thailand, Bosnien, in Syrien und anderswo—Revolutionen, ziviler Ungehorsam und Aufstände lassen sich überall auf dem Globus finden. Die fast gleichzeitig ausbrechenden gewaltsamen Proteste wirken zufällig und chaotisch; unvermeidliche Symptome einer instabilen Welt. Aber es gibt zumindest eine Gemeinsamkeit zwischen den unterschiedlichen Nationen, Kulturen und Menschen, wodurch solche Aufstände nachweislich wahrscheinlicher werden: die weltweit ansteigenden Nahrungsmittelpreise.

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Vor etwas mehr als einem Jahr warnten uns Systemtheoretiker vom New England Complex Systems Institute, dass mit einem weiteren Anstieg der Lebensmittelpreise auch die Wahrscheinlichkeit für Unruhen auf der ganzen Welt steigen würde. Und genau diese Prognose scheint sich jetzt zu bestätigen. Der Autor der Studie, Yaneer Bar-Yam, hat den Anstieg im FAO-Lebensmittpreisindex dargestellt und stellte fest, dass jedes Mal, wenn ein Wert von 210 überschritten wurde, weltweit Unruhen ausbrachen. 2008 passierte dies nach der globalen Wirtschaftskrise und dann erneut im Jahr 2011, als sich ein tunesischer Straßenhändler, der seine Familie nicht mehr ernähren konnte, aus Protest selbst in Brand setzte.

Bar-Yam prognostizierte anhand seines Datenmodells, dass sich so etwas wie der arabische Frühling ereignen würde—und zwar nur wenige Wochen bevor die Aufstände tatsächlich seine Rechnungen bestätigten. Vier Tage bevor die Selbstverbrennung von Mohammed Bouazzi auf entscheidende Weise, die brodelnde Unruhe zu einer Revolution ankurbeln half, die sich schließlich auf die ganze Region ausbreiten sollte, legte NECSI einen Bericht vor, der hervorhob, dass steigende Lebensmittelpreise ein Risiko für die globale Stabilität darstellen. Aktuell hat sich das Modell wieder einmal als zutreffend bestätigt—denn im Jahr 2013 wurden die dritthöchsten Lebensmittelpreise aller Zeiten verzeichnet, und der Samen für die aktuellen weltweit schwelenden Konflikte schien gesät zu sein.

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„Ich habe eine lange Liste von Ländern, in denen es in den vergangenen 18 Monaten zu großen sozialen Unruhen kam, die unseren Prognosen entsprachen,“ sagte Bar-Yam. „Die Lebensmittelpreise sind sicherlich ein wesentlicher Faktor—unsere Analyse sagt, dass auf dem FAO-Index ein Wert von 210, wie eine Art Siedepunkt funktioniert und wir bewegen uns seit 18 Monaten in diesem Bereich.“

Es gibt sicherlich sehr viele andere Faktoren, die Massenproteste auslösen, aber Hunger—oder die Verzweiflung, die durch den Hunger ausgelöst wird—stellt häufig einen prägnanten Knackpunkt dar. Manchmal ist es ganz deutlich: In Venezuela sind die Lebensmittelpreise beispielsweise aktuell auf dem höchsten Stand seit 18 Jahren.

„In einigen Fällen ist die Verbindung deutlicher, während in anderen Fällen die Unruhen auch von anderen Ursachen ausgelöst werden können, da wir uns ohnehin schon am Siedepunkt befinden. An diesem Siedepunkt entscheiden dann auch immer auch die lokalen Bedingungen über die Auswirkungen,“ sagte Bar-Yam. Hohe Lebensmittelpreise können auch Länder beeinflussen, die nicht so stark unter Hunger leiden. „Es kann ausserdem auch einen Dominoeffekt geben: Angesichts der weit verbreiteten sozialen Unruhen, die durch hohe Nahrungsmittelpreise angetrieben werden, kann ein Land auch Unruhen in einem anderen Land auslösen.“

Welche Länder gerade mit extremen Lebensmittelpreisen zu kämpfen haben und laut Bar-Yam kurz vor einem Umsturz stehen, erfährst du auf Motherboard.