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Fotos

Max Merz und seine Morgue Maestros

Max Merz ist in dem bayrischen Dorf Füssen aufgewachsen. Füssen ist dieses verschlafene, kleine Städtchen, neben Neuschwanstein, unserer beliebtesten Touristenfalle.

Anscheinend reichte es Max irgendwann jedoch mit all diesen Touristen und so zog er 2008 nach Berlin, wo er 18 Monate lang für die Filmkoryphäe Ralf Schmerberg arbeitete. Vor kurzem schickte er uns einen Haufen Fotos von seinen privaten Projekten, wie z.B. von den Morgue Maestros in unserer aktuellen Photo-Issue.

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VICE: Wie hast du die beiden Brüder kennengelernt?

Ein Freund von mir aus Vilnius hat uns vorgestellt. Er war ein Jugendfreund von den Brüdern.

Haben sie gezögert, dich von ihnen Bilder machen zu lassen?

Nur ihr Chef war anfangs nicht so ganz davon überzeugt, er hat mir erstmal ein paar Regeln auferlegt, was ich fotografieren darf und was nicht. Doch daran hielt ich mich natürlich nicht. Irgendwie war ihm sowieso nach zwei bis drei Tagen alles egal und er hat immer für mich übersetzt, da die Brüder kein Englisch sprechen. Das war auch wichtig, denn ich wollte, dass sie so arbeiten, als wäre ich Luft. Was prima geklappt hat.

Wie war das für dich, all diese toten Menschen zu sehen?

Es war wie der Sprung ins kalte Wasser. Ich saß bei meinem Freund zuhause rum, als sie uns angerufen haben. Ich dachte, wir schauen da jetzt einfach mal vorbei, sagen „Hallo“, er zeigt mir, wie es dort so aussieht, dann machen wir einen Termin aus und ich leg los. Aber nichts da! Ich kam an, er meinte, sie holen jetzt eine Leiche und ich hätte drei Stunden Zeit, sie bei der Arbeit zu fotografieren. Mein Freund musste nach fünf Minuten raus, aber ich konnte umschalten und habe mir vorgestellt, dass das alles nicht echt ist, dass da nur Puppen liegen würden! Ich hatte nur Angst davor, dass die drei Stunden gleich vorbei sein könnten und ich etwas verpasse. Diesen Augenblick werde ich aber nie vergessen, als der Reißverschluss aufgezogen wurde und ich diese alte Frau da liegen sah … mir wurde klar, jetzt geht‘s los, keine Zeit zur Vorbereitung.

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Hat es da komisch gerochen?

Erstaunlicherweise gab es so gut wie keine "toten" Gerüche. Das Zeug, was in die Körper gepumpt wurde, roch einfach nach irgendeinem chemischen Reiniger. Zum Glück werden die Leichen bei minus 20 Grad gekühlt, da riecht dann nichts mehr. Die schlimmsten Geräusche gab es jedoch, als die steifen Finger wieder gerade gebogen wurden, da gab es so ein Knirschen, bei dem man denkt, ein morscher Ast bricht langsam ab.

Was war für dich der tollste Moment?

Einer der tollsten Momente war, als die Jungs an einem Samstag am Aufräumen waren und ein Mülleimer umkippte, wobei eine leere Wodkaflasche rausfiel und laut über den gekachelten Boden rollte. Wir beobachteten sie alle, bis sie stehen blieb und dann brachen alle in Gelächter aus. Man hat am Lachen gehört, dass es ihnen in keinster Weise peinlich war, das fand ich sehr sympathisch.

Und was war der schlimmste bzw. der schockierendste Moment?

Der schockierendste Moment war definitiv der Moment, wo mir Remigijus ALLE Leichen gezeigt hat. Was ich da sah, überstieg meine Vorstellung. Gewaltverbrechen, verbrannt, verkohlt, verprügelt, erhängt, erstochen, entstellt. Und das war ausgerechnet dann, als ich am Tag davor mit den Jungs Wodka trinken musste, ich hatte ihnen auch noch die Flasche als ein kleines Dankeschön gekauft. Da meldet sich dann mal kurzzeitig mein Magen … Zum Glück hat sich meine schlimmste Befürchtung nicht bewahrheitet und ich musste keine toten Kinder sehen.

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Was meinst du, wie die beiden über ihren Beruf denken? Was mögen sie daran, was nicht?

Also, ich weiß von beiden, vor allem von Remigijus, dem älteren, der schon etwas länger dabei ist, dass sein Hobby auch sein Beruf ist. Beide sind glücklich, überhaupt einen Job zu haben, denn sie waren immer wieder mal arbeitslos, bis sie dann diesen Job gefunden haben. Remigijus ist da einfach vorbeigekommen und hat angefragt. Er wollte unbedingt so etwas machen, bis ihn Danas (ihr Chef) mal rangelassen hat. Er hat es gut gemacht und zählt jetzt, Danas‘ Meinung nach, zu den besten Einbalsamierern in Litauen. Für Remigijus sind die Leichen die besten Kunden. Als sein Bruder anfing, hat ihm Remigijus alles beigebracht, was er wusste und sie wirken nun beide sehr professionell in dem, was sie tun. Man merkt, dass sie schon ein eingespieltes Team sind. Das einzige, was sie an ihrem Job nicht mögen, ist natürlich der Papierkram.

Warum hast du alles in schwarz-weiß fotografiert?

Ich steh auf schwarz-weiß, das reduziert das Bild auf das Wesentliche und unterstützt den morbiden Charakter der Serie. Die Arbeit mit dem Tod, die Black Metal-Musik, ihre schwarze Kleidung, da passt einfach schwarz-weiß.