Flucht an der mazedonischen Grenze – Bilder aus einer anderen Zeit

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Flucht an der mazedonischen Grenze – Bilder aus einer anderen Zeit

Diese Bilder von Flüchtlingen beim Grenzübergang sind erst knapp zwei Wochen alt. Trotzdem zeigen sie eine Situation, die heute so nicht mehr existiert.

Die kleine mazedonische Grenzstadt Gevgelija war in den letzten Wochen groß in den Medien. Hier, an einem kleinen Bahnhof und im Umland, prallen unterschiedliche Visionen vom Leben in Europa, von Flucht und Hoffnung auf einen Neuanfang aufeinander. Und es sind nicht nur Konzepte, die in Gevgelija aufeinandertreffen—es sind auch Flüchtlinge und Sicherheitskräfte.

Diese Geschichte entstand am 18. August. Kurz darauf errichteten Sicherheitskräfte Blockaden gegen Flüchtlinge und gingen sogar mit Tränengas und Blendgranaten gegen sie vor. Inzwischen haben die Grenzbeamten dem massiven Ansturm wieder nachgegeben und lassen Asylsuchende auf der Durchreise nach Europa wieder passieren. Die Situation, die diese Reportage zeigt, ist trotzdem so nicht mehr existent—und die Bilder sind inzwischen ein Zeitdokument. Auch, wenn diese Zeit erst knappe zwei Wochen zurückliegt.

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Am Bahnhof von Gevgelija erhalten Menschen auf der Flucht Papiere, mit denen sie innerhalb 72 Stunden Mazedonien per Zug, Bus oder, wer es sich leisten kann, mit dem Taxis durchqueren können. Die Zeit ist knapp—Mazedonien hat den Notstand verhängt, die Polizei blockiert immer wieder die griechische Grenze und bis zum Ende des Monats plant Ungarn, einen Zaun zur serbischen Grenze zu errichten, der die Einreise unmöglich machen soll.

Täglich treffen bis zu 2.000 Flüchtlinge, die zu Fuß über die griechische Grenze kommen, in Gevgelija ein. Unter ihnen viele Familien mit kleinen Kindern sowie Minderjährige. Rund um die Bahnhofsgegend und die umliegenden Parks warten massenhaft Flüchtlinge auf ihre Weiterreise. Vereinzelt verteilen Hilfsorganisationen Lebensmittel vor allem an Kinder.

Einige Einheimische ziehen aus der Situation einen wirtschaftlichen Vorteil. Am Bahnhof floriert der Schwarzmarkt. Gehandelt wird mit Chips, Bananen, Zigaretten, Wasser und Soda-Getränken. Gegen eine Gebühr können Handys aufgeladen werden.

Als „Sanitäre Anlagen" stehen den Flüchtlingen eine Handvoll Mobile-Klos im desolaten Zustand und ein Wasserhahn als Dusche zur Verfügung.

Wann und ob ein Zug kommt kann variieren. Die Stimmung am Gleis ist angespannt, immer wieder springen die Wartenden auf und drängen sich am Bahnsteig—Fehlalarm. Viele stehen unter permanenten Stress einen Platz in einem Zug zu erhalten.

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Als dann um 17:00 Uhr der Zug einrollt, herrscht große Ernüchterung, nur zwei Waggons kommen an. Nach den Berichterstattungen in den letzten Tagen wird nun das Einsteigen durch die Polizei, ausgerüstet mit Schildern und Schlagstöcken, kontrolliert. Sie bilden zwei Reihen und lassen vor allem Frauen mit Kindern und minderjährige Burschen in den Zug einsteigen. Dieser füllt sich schnell und nur ein Bruchteil der Wartenden fährt Richtung Norden, als der Zug sich in Bewegung setzt.

Von den großen Hilfsorganisationen sind nur das Rote Kreuz und UNHCR vertreten und auch nur sehr sporadisch. Eine örtliche Hilfsorganisation mit dem Leitspruch „Help a little, change a lot" ist seit Monaten aktiv, genauso wie freiwillige HelferInnen aus Tschechien. Ab und zu kommen Touristen vorbei, die ihr Essen mit den Flüchtlingen teilen.

Manche Flüchtlinge posen für die Kamera und möchten dann „auf Facebook verlinkt werden". Fotografiert werden möchten hingegen die Händler nicht. Denn obwohl der Verkauf am Tag und unter den Augen der Polizei stattfindet, fürchten sie behördliche Konsequenzen. Einheimischen und HelferInnen möchten, dass die Fotos der Flüchtlinge veröffentlicht werden, um auf die Situation in Gevgelija, die seit 6 Monaten herrscht, aufmerksam zu machen.

Wie es weiter geht, wenn Ungarn Ende des Monats seinen Grenzen dicht macht, weiß keiner. Gerüchtehalber ist bereits ein Flüchtlingscamp für 400.000 Menschen in Serbien durch die EU geplant.

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Mehr Bilder von Jakob gibt es unter www.jakobkolar.com_ und auf seiner Facebook-Seite._