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Melvins Youtube-Favoriten: Drei fantastische Schlägereien

Solltest du dir Gedanken machen, wenn in deiner YouTube-Empfehlungsliste Titel wie „Fat bitch gets hit by a car in gangfight“ auftauchen?

YouTube erstellt ja anhand des eigenen Videoverlaufs personalisierte Empfehlungen und schlägt einem Clips ähnlichen Inhalts vor. Sollte man sich Gedanken machen, wenn in dieser Empfehlungsliste Titel auftauchen wie „Fat bitch gets hit by a car in gangfight“?

Fakt ist, Schlägereien auf YouTube gehören zu meinen guilty pleasures. Gerade jetzt, da ich seit Tagen an einer Grippe laboriere, gibt es neben heißer Brühe und unterhaltsamen Fieberträumen kaum etwas, das besser geeignet wäre mein Gemüt aufzuhellen, als ein paar ebenbürtige Gegner, die sich in rasender Wut gegenseitig zu Matsch hauen. Es hat etwas Beruhigendes, dabei zuzusehen. Frag mich nicht, wieso. Es ist wohl derselbe Effekt, der sich einstellt, wenn man vor dem warmen Kamin eine Doku über katastrophal gescheiterte Everestbesteigungen anschaut. Hier sind auf jeden Fall meine drei Favoriten:

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Der Taco Bell Fight

Was dieses Video wirklich außergewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass es in mehreren verschiedenen Versionen existiert. Der Kampf wurde von drei Überwachungskameras aufgenommen, und glücklicherweise wurden alle Aufnahmen einzeln auf YouTube geladen. Manchmal lasse ich alle drei Videos gleichzeitig ablaufen, switche hin und her und überlege, welche Einstellung die Wucht eines bestimmten Schlages wohl am besten zur Geltung kommen lässt. Dann fühle ich mich wie ein Cutter im Schneideraum.

Großartig ist auch, wie viel Zeit sich die Videos nehmen, bevor die Schlägerei ausbricht. Fast eine gesamte Minute lang passiert erst einmal gar nichts. Das macht das blitzartige Einbrechen der Gewalt in den ereignislosen Taco Bell-Alltag noch viel effektvoller. Wenn dann nach kurzem, heftigem Schlagabtausch die spärliche Inneneinrichtung des Restaurants verwüstet ist und alle Kontrahenten den Raum verlassen haben, kann man den stoischen Angestellten dabei zusehen, wie sie wieder Ordnung herstellen. Diese Taco Bell-Mitarbeiter sind meiner Meinung nach die eigentlichen Helden des Videos. Sie und die beiden Mexikaner, die in der Mitte des Lokals ihren Kaffee trinken und noch gemütlich sitzen bleiben, als sich die Gegner schon mit erhobenen Fäusten umtanzen.

Finks vs. Hell’s Angels

Zwei verfeindete Bikergangs während eines MMA-Kampfes. Ein Wort ergibt das andere. Und plötzlich fliegt so ziemlich jeder Gegenstand durch die Luft, den man werfen kann, Schüsse werden abgefeuert und dutzende 100 Kilo schwere Rocker verkeilen sich ineinander, um organische Haufen aus Blut, Hass und Metallstühlen zu formen. Gewaltiges Chaos und totale Zerstörung. Außerdem: Schöne Kameraarbeit. Gekonnt wird geschnitten zwischen malerischen Schwenks in der Totale, bedächtigen Zooms aus der Vogelperspektive und dem aufregenden Steadycam-Material der Ringkamera. Vier Minuten Genuss auf höchstem Niveau.

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The Best Fight Ever

YouTube Titel sind immer etwas marktschreierisch. Aber dieser hier passt wirklich wie die Faust aufs Auge (haha). Als ich das folgende Video zum ersten Mal gesehen habe, hat es mir das Hirn raus geblasen. Danach war ich schweißgebadet und habe fünf Minuten gebraucht, um wieder Luft zu bekommen. Und dann habe ich sofort wieder auf Play gedrückt. Ein Meisterwerk, ein Monolith. Bitte:

DER BESTE KAMPF ALLER ZEITEN

Rein technisch handelt es sich hier natürlich nicht um eine Prügelei, sondern um einen sportlichen Wettkampf, aber ich kann diese Aussage nicht einmal tippen, ohne zu lachen. Don Frye und Yoshihiro Takayama verwirklichen in diesem MMA Fight eine Kneipenschlägerei im god mode. Gleichzeitig schlagen sich die beiden, meiner Meinung nach, aber auch im Dienste einer höheren kampfsportlichen Wahrheit:

Immer wenn ein UFC-Kämpfer seinen Sport als „kinetisches Schach“ bezeichnet, dann denke ich an dieses Video und muss schon wieder lachen. Im Grunde geht es im Kampfsport doch nur darum, wer mehr einstecken kann, bevor er sein Gesicht verliert — im wahrsten Sinne des Wortes. Don Frye und Yoshihiro Takayama demonstrieren uns das mit bemerkenswerter Konsequenz und Selbstlosigkeit. Der YouTube-User

drunkboots

unterstützt ihre wahrheitsfinderischen Bemühungen durch sein geniales Editing und die grandiose Sounduntermalung.

Ein anderer Filmemacher, der den Wahrheiten der körperlichen Auseinandersetzung nachgespürt hat, ist Martin Scorsese, sozusagen der Großmeister der ästhetischen Inszenierung von stumpfer Gewalteinwirkung und deformierten Visagen. Sein Meisterwerk

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Raging Bull

über den mit exzeptionellen Nehmerqualitäten „gesegneten“ Mittelgewichtsboxer Jake LaMotta schwelgt geradezu in den Auswirkungen, die brutale Faustschläge auf die Gesichtspartie haben.

In der ersten Szene des Films sehen wir den verfetteten, gealterten Jake LaMotta, der sich inzwischen als Alleinunterhalter in Nachtclubs versucht. Er probt seinen Bühnenmonolog, und zu seinen abschließende Worten „That’s entertainment!“ wird auf den jungen Boxer LaMotta geschnitten: Er bekommt einen Schlag in die Fresse. Das sagt eigentlich alles, oder?

Neben all den anderen großen Themen, die dieser Film hat: Raging Bull zeigt, was es heißt, im Dienste der Unterhaltung Gesichter zu zertrümmern und das eigene Gesicht der Zertrümmerung preiszugeben. In hochstilisiertem, melodramatischem Schwarz-Weiß.

Der best fight ever ist mehr so die bunte Komödienvariation dieser Thematik. Aber wie heißt es schon in Thomas Manns Doktor Faustus (haha): „Tragödie und Komödie wachsen auf dem selben Holze. Ein Beleuchtungswechsel genügt, aus dem einen das andere zu machen.“