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Sex

Men For Sale

Der Filmemacher Rodrigue Jean plante bereits in den 90ern eine Dokumentation über männliche Prostituierte. Nun ist sie fertig.

Der Filmemacher Rodrigue Jean aus Montreal plante eine Dokumentation über schwule Prostituierte in London, als er in den 90ern dort gearbeitet hat. Doch damals rannte er gegen eine Wand aus Schweigen.Vor ein paar Jahren, als er wieder daheim in Montreal war, nahm er die Idee wieder auf - nachdem er Hilfe von der Organisation Action Séro Zéro gekriegt hat. Er hat ein Jahr mit 11 Strichern verbracht und sie vor einem Fenster, gefilmt, während sie ihre Geschichten erzählt haben. Men For Sale, der kürzlich auf DVD erschienen ist, ist eine schmutzige, berührende und absolut fesselnde Dokumentation - Rodrigue spricht mit einer Vielfalt an jungen Männern mit brutaler Ehrlichkeit, von denen viele drogenabhängig sind und fast alle arbeiten nur im Sexgewerbe, um ihre Sucht zu finanzieren. Ich habe Rodrigue in Montreal angerufen, um mit ihm über seinen Film zu reden.

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VICE: Hey, Ich mochte deinen Film. Warum hast du ihn gemacht?

Rodrigue: Ich habe die 90er in London verbracht und ich wollte dort einen Film machen. Die Redakteure von Fernsehkanälen wollten das auch, aber sie haben zu viel redaktionelle Kontrolle beansprucht. In Großbritannien ist die Prostitution von Jugendlichen viel heftiger als in anderswo. Wegen der Klassenstruktur in Großbritannien haben die Kinder weniger Bildung, also ist auch ihr Leben noch viel elender.

Wow, das ist ziemlich bitter. Stand das überhaupt in den Zeitungen?

Nein, nein, nein, nein, nein. Das hörten wir auch von den jungen Leuten.

Was hast du in den 90ern in London gemacht, hast du mit diesen Kindern gearbeitet?

Ja, es gab ein Projekt in Earl's Court namens Streetwise Youth, ich glaube nicht, dass es das noch gibt, heute gibt es andere Projekte. Ich glaube, es war weltweit eines der ersten Projekte für junge Sexarbeiter. Ich habe als Ehrenamtlicher angefangen, mit der Idee, einen Film zu machen. Ich habe dort Geschichten für diese Dokumentation, die nie gemacht wurde, auf Video aufgenommen. Alles war fertig, als ich in Kanada dann doch damit angefangen habe, war ich mit der Recherche durch und wusste genau, was ich machen wollte.

Und was war das?

Junge Leute für sich selbst sprechen zu lassen. Ich habe mir über die Jahre so viele Filme wie möglich über Prostitution angeschaut und viele von ihnen sind sich sehr, sehr ähnlich, die Leute kommen mit ihren Ideologien an und treffen die Sexarbeiter, nur um zu beweisen, dass Prostitution erbärmlich ist. Ich wollte die Sexarbeiter für sich selbst sprechen lassen. Wenn du mit ihnen arbeitest, merkts du, dass ihr Leben sehr vielseitig ist. Weil sie so viele Leute treffen und so viele Schwierigkeiten haben, haben sie ein ziemlich bestimmtes Weltbild. Das fand ich schrecklich interessant. Die Leute schauen sich diesen Film an und das könnte ihr Sohn, ihr Bruder, ihr Freund sein.

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Warum spricht dich das alles so sehr an?

Wie viele Menschen bin ich vom Land in die Stadt gekommen. Wenn du als junge Person in die Stadt kommst, dann bist du egal wo ein Immigrant, der niemanden kennt. Also freundest du dich mit Leuten an, die alles mögliche machen, und viele Leute, mit denen ich mich angefreundet habe, haben sich als Sexarbeiter durchgeschlagen. Ich habe viele von ihnen kennengelernt, deshalb war ich da immer nah dran.

Und Action Séro Zéro hat dir geholfen?

Ja, Action Séro Zéro ist wie Streetwise Youth, eine große Organisation mit verschiedenen Projekten und eins davon beschäftigte sich mit Sexarbeitern. Es hat lange gedauert, weil sie fast jede Woche Anfragen von Journalisten kriegen. Aber sie haben bald erkannt, dass ich weiß, von was ich rede. Aber wir haben ungefähr eineinhalb Jahre verhandelt, bis ich angenommen wurde.

Hat es lange gedauert, bis du das Vertrauen von den Kids gewonnen hast?

Nein, sie brauchen nicht lange, um zu erkennen, wer du bist. Stell dir vor, sie steigen in ein Auto ein oder sind im Haus eines Fremden. Sie müssen sehr aufpassen, sehr schnell und sie müssen Leute unter die Lupe nehmen. Ihr Überleben hängt davon ab. Also haben sie dich schnell durchblickt. Ich lehre Film an einer Universität und spaßeshalber sage ich immer, dass ich viel lieber mit Sexarbeitern zusammenarbeiten würde, als mit jungen Studenten, weil sie viel interessanter sind.

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Sie sind auf jeden Fall sehr fesselnd in dem Film. Der erste Typ, auf den du oft zurück kommst, redet davon, Geschäftsmänner Crack-abhängig zu machen und ihre Beziehungen zu ruinieren, und er sagt „Das ist es, was wir tun, wir zerstören Leben - wir wollen einfach nur Crack."

Ich sehe ihn noch immer und ich glaube, dass er sich selber zeigen und beweisen wollte, dass er Kontrolle über sein Leben hat. Er ist noch immer abhängig von Crack. Vor 20 Jahren, haben die älteren Sexarbeiter gesagt, war das Geschäft annehmbar, weil kein Crack im Umlauf war. Jetzt, da es überall auf der Straße Crack gibt, haben sie absolut keine Kontrolle über ihr Leben. Und das wissen sie.

Die Diskussionen sind auch sehr faszinierend. Im Film deutest du einmal an, dass Prostitution dabei helfen könnte, sexuelle Identität rauszufinden und darauf kriegst du widersprüchliche Reaktionen. Ein Typ sagt, dass er überhaupt nicht schwul ist, dass es nur Arbeit sei, und der nächste sagt, dass man in Frage stellen soll, warum man keine Abneigung empfindet, wenn man es schon eine Weile gemacht hat.

Wir alle wissen, wer wir sind und was wir mögen, zumindest glauben wir das. Aber die Leute, mit denen ich arbeite, haben nicht den Luxus einer schwulen Identität, wie andere ihn vielleicht haben. Also hat es den Anschein, dass sexuelle Identität Luxus ist. Sie haben Sex mit Männern und sie haben Freundinnen. Ihre Situation erlaubt es ihnen nicht, sich so festzulegen.

Wie wird das anderswo wahrgenommen?

Das Thema ist nicht sehr bekannt. Die Leute machen immer großen Wirbel um weibliche Prostitution, aber die meisten haben in meinem Film das erste Mal von den Problemen der Männer gehört. Darum ging es in dem Film auch, dass es medial nicht so wahrgenommen wird wie weibliche Prostitution, die meisten Leute wissen davon gar nichts.

Einer der Typen in dem Film sagt: „Die Leute, die für Gesetzte gegen uns stimmen, sind die, die nachts zu uns kommen." Glaubst du, deshalb ist es kein größeres Problem, weil die Leute davon Abstand halten?

Nicht wirklich. Mit weiblichen Prostituierten ist es das gleiche, erst haben geben sie jemanden umsonst Sex und dann werden sie von demjenigen festgenommen. Die Polizei, die Richter, es ist eine ganze Wirtschaft darum angelegt. Es geht bis ganz nach oben.