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Popkultur

Michael Moore im Interview über „American Sniper“, das Ende Sarah Palins und posttraumatische Belastungsstörung

„Ich lebe in einem Land, in dem viele nichts verstehen."

Michael Moore 2013 beim Empfang von Oscar Celebrates Docs. Foto: Tommaso Boddi via Getty

Am 18. Januar, zwei Tage nach der Premiere von Clint Eastwoods American Sniper, tweetete Michael Moore: „Mein Onkel im 2. WK von Sniper getötet. Man lehrte uns, Scharfschützen sind Feiglinge. Schießen einem in Rücken. Sniper sind keine Helden. Und Invasoren sind schlimmer", gefolgt von: „Aber wenn du vom Dach aus dein Zuhause gegen Invasoren verteidigst, die 7000 km gereist sind, bist du kein Scharfschütze, du bist mutig, du bist ein Nachbar." Die Gegenreaktion der Rechten folgte schnell und laut. Breitbart nannte die Tweets „lächerliches Getrolle", John McCain nannte sie „idiotisch" und „empörend", und Kid Rock schrieb auf seiner Webseite: „Fick dich, Michael Moore, du bist ein Stück Scheiße und dein Onkel würde sich für dich schämen." Aber die dramatischste Reaktion auf die Tweets kam von Sarah Palin, die auf einem Foto neben Sergeant Dakota Meyer, Träger der Medal of Honor, mit einem Plakat posierte, auf dem stand: „Fuc_ You, Michael Moore." Die zwei Os in Moores Namen waren als Fadenkreuze gemalt.

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Nachdem Palin sowohl von der Linken als auch der Rechten Kritik erntete, stand sie in ihrer bizarren, wirren Rede auf dem Iowa Freedom Summit am Samstag zu dem Foto: „Auf dem Plakat stand, was der Rest von uns denkt." Moore hingegen hat keine Fernsehauftritte absolviert und abgesehen von ein paar Tweets und Facebook-Posts nicht auf die Kontroverse reagiert, doch er war bereit, ausführlich mit uns über American Sniper, Scharfschützen, Sarah Palin, posttraumatische Belastungsstörung, Clint Eastwoods Morddrohung gegen ihn und eine ganze Menge anderer Themen, die momentan durch den Medienzirkus wirbeln, zu sprechen.

VICE: Hi, Michael. Fangen wir mit deinen Tweets an bevor wir auf die Reaktionen darauf zu sprechen kommen. Du hast die Möglichkeit, klarzustellen was du meintest, was dich dazu bewegt hat, die Tweets zu schreiben, und wie du dich beim Verfassen gefühlt hast.
Michael Moore: Also, das Erste, was ich sagen will, ist, dass ich wirklich kein Bedürfnis habe, klarzustellen oder zu rechtfertigen, was ich geschrieben habe. Ich bin stolz auf das, was ich geschrieben habe. Ich nehme nichts zurück; im Gegenteil, ich habe noch mehr dazu gesagt. Ich lasse mich nicht mobben von diesen Leuten, die eine ganze Nation in einen sinnlosen, rechtswidrigen Krieg gemobbt haben. Also, was die Auswirkungen angeht, auf mich hat es keine. Ich sage, was ich sage. Wenn ich daneben läge oder einen Fehler gemacht hätte, dann würde ich es natürlich richtigstellen, aber das ist hier nicht der Fall. Es frisst mich echt auf, wenn ich im Fernsehen oder von anderen Leuten höre: „Ach ja, Michael Moore hat das zurückgenommen" und in Wirklichkeit ist das einfach nicht passiert. Ich entschuldige mich nicht für meine felsenfeste Überzeugung, dass die Kriegstreiberei in diesem Land ein Ende haben muss.

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Und ich denke, dass der Grund, warum wir diese Unterhaltung hier führen—und das habe ich nirgends anders geteilt, ich habe alle Anfragen für TV-Auftritte abgelehnt—ist das Problem bei Twitter und der Grund warum man, sagen wir mal, klarstellen muss, ist nämlich, dass 140 Zeichen nicht wirklich dafür geeignet sind, Dinge zu vermitteln, die eine enorme Tiefe haben. Facebook und dieses Gespräch mit euch geben mir also eine wirklich gute Gelegenheit, näher auf meine Aussagen auf Twitter einzugehen.

Mir fiel auf, dass es zwei Dinge gibt, über die du dich in verschiedenen Medien äußerst. Auf Twitter sprachst du über das Thema Scharfschützen—ein faszinierendes Thema, das es verdient, weiter diskutiert zu werden—und dann ist da der Film American Sniper. Es scheint, als würdest du von zwei verschiedenen Dingen sprechen. Habe ich Recht?
Das stimmt. Ich habe absichtlich in meinen ursprünglichen Tweets nichts über American Sniper gesagt. Ich habe all das definitiv geschrieben, weil an dem Wochenende aufgrund des Films viel über Scharfschützen gesprochen wurde, aber auch weil es das Wochenende des Martin Luther King Day war und ich es einfach unangenehm fand, dass etwas namens American Sniper, ein Film über einen Scharfschützen, an einem Wochenende herausgebracht wird, and dem wir einen großen Amerikaner ehren, der von einem Scharfschützen getötet wurde. Und wenn jemand daran nichts Verkehrtes findet, wie würdet ihr euch fühlen, wenn morgen angekündigt würde, dass American Sniper 2 am 22. November rauskommt?

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Ja, man würde zum Beispiel auch keinen Katastrophen-Terrorangriff-Film machen und den dann am 11. September rausbringen.
Genau. Der Elektroladen schaltet am Holocaust-Gedenktag auch keine Anzeige, in der steht „Heute großer Ofenausverkauf". Ich meine, das wäre jetzt das extremste und bizarrste Beispiel, aber es macht einfach deutlich, dass es hier einen blinden Fleck gibt. Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht war der Plan ja so: „Alles klar, Selma kam gerade raus. Werden sich Weiße diesen Film ansehen? Lasst uns den Weißen etwas geben, das sie sich am Martin Luther King-Wochenende ansehen können." Ich weiß nicht, aber es fühlte sich sehr unangenehm an. Es brachte mich dazu, über Scharfschützen nachzudenken, und man muss in meiner Familie aufgewachsen sein, um zu verstehen, was für einen empfindlichen Nerv die Vorstellung eines Scharfschützen trifft.

Der Name meines Onkels war Lawrence Moore, aber sie nannten ihn Lornie. Onkel Lornie ist jemand, den ich nie kennengelernt habe, weil ich neun Jahre nach Kriegsende geboren bin, aber mir war schon in jungen Jahren klar, dass sein Tod meine Familie stark geprägt hatte. Er hat meine Großmutter zutiefst beeinflusst. Als sie seine Leiche endlich überführten und ihn auf dem katholischen Friedhof in Flint, Michigan, begruben, überzeugte sie ihren Mann, ihr Zuhause zu verlassen. Sie zogen von ihrem Haus in eines, das zwei Häuser die Straße runter vom Friedhof war. Und sie ging jeden Tag da hinüber und besuchte sein Grab.

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Als wäre all das nicht schlimm genug, stand auf dem Militärgrabstein, den das Kriegsministerium—so der Name bevor es „Pentagon" genannt wurde—an das Grab geschickt hatte, nicht Lornies Name, nicht Lawrence Moores Name, sondern Herbert Moore, der Name ihres Ehemannes, meines Großvaters, Herbert (und sie hatten noch einen Sohn, ein anderer Onkel von mir, der Herbert hieß). Es steht also nicht einmal sein Name auf seinem Grab.

Es war für uns Kinder ein Ritual, das wir zwei oder drei Mal im Jahr begingen, dorthin zu gehen und Fahnen auf das Grab zu tun. Er war ein geliebter Bruder. Für alle Tanten und Onkel war er der Geliebte, der Gutherzige, der, an den sich alle wandten, und es hat die Familie schwer getroffen.

Es war so, der Krieg war auf den Philippinen vorbei und sie hatten im Grunde gewonnen. Sie waren in der Provinz Luzon, und sie marschierten auf einer Straße zum Stützpunkt zurück. Japanische Soldaten waren bekannt dafür, dass sie nicht aufgeben, und ein Scharfschütze schoss ihm von einem Baum aus in den Hinterkopf und tötete ihn damit augenblicklich. Sie konnten einfach nicht fassen, dass es vorbei war—was für eine feige, feige Tat.

Ich habe auch sofort einen zweiten Tweet hinterhergeschickt, weil ich klarstellen wollte, was ich mit „Scharfschütze" gemeint habe. Ein Scharfschütze ist für mich jemand auf der Seite der Invasoren. Das ist der Soldat und das sind die Leute, die Unrecht tun, die auf Gebäude oder Bäume hochsteigen und sich verstecken und Menschen töten ohne dass diese es kommen sehen, ohne dass sie eine Chance haben sich zu wehren. Wenn Truppen aus einem anderen Land den Broadway entlangmarschieren würden und jemand würde auf das Dach eines Gebäudes steigen, um sie aufzuhalten, dann wäre das definitiv kein Scharfschütze. Diese Person ist ein Verteidiger oder eine Verteidigerin ihrer Heimat. Genau wie die Person, die der Scharfschütze war—der arabische Scharfschütze in American Sniper—was hat er getan? Er hat versucht, eine Angriffsarmee aufzuhalten.

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Sniper hießen anfangs auf Englisch „sharpshooter" [auf Deutsch wörtlich „Scharfschütze"] oder „marksman" [etwa "Präzisionsschütze"]; man nannte sie erst im ersten Weltkrieg „sniper", und es waren eigentlich die Deutschen während des ersten Weltkriegs, die das Konzept des Snipers perfektionierten, nicht die Alliierten. Und dann wurde das übertragen. Im zweiten Weltkrieg, ich glaube das kann man auch nachlesen, aber zwei Drittel aller Abschüsse durch Scharfschützen kamen von deutschen und japanischen Soldaten. Und es war während des weiteren Krieges, dass die Russen herausbekamen, wie man es macht. Was Eisenhower 1956, 1957 tat—wir hatten die US Army Sniper School in Camp Perry in Ohio, und er hat sie geschlossen.

Die Leute sollten sich darin üben, es zu sagen. Es wird uns in Zukunft besser gehen, wenn wir sagen, wir haben Vietnam verloren, wir haben Irak verloren, wir haben Afghanistan verloren.

Warum?
Ich weiß es nicht. Ich meine, ich habe diese Woche etwas recherchiert. Sie blieb 30 Jahre lang geschlossen, bis Reagan sie 1987 in Fort Benning wiedereröffnete. Es wurde nach Korea viel geredet—ein Veteran erzählte mir diese Geschichte—und man sagte, es fühle sich einfach nicht an wie die amerikanische Art. Eine Invasionsarmee benötigt Scharfschützen wirklich. Als Verteidiger wird so viel gelauert, weißt du—ich meine, wenn wir tatsächlich angegriffen würden, dann würden wir eigentlich alle zu Snipern, wenn man so will. Aber wenn die Befreier kommen, sind es die Scharfschützen, die die Befreier ausschalten. Und darin liegt natürlich auch die Verwirrung, wenn man FOX News schaut. Ich meine, wo wir von American Sniper sprechen—die reden über amerikanische Soldaten, als wären sie die Befreier des Irak! Wir haben gar nichts befreit. Wir haben es sogar schlimmer gemacht, und wir haben den Krieg verloren! Schreibt das in die Spalte mit der Überschrift „Verluste". Und die Leute sollten sich darin üben, es zu sagen. Es wird uns in Zukunft besser gehen, wenn wir sagen, wir haben Vietnam verloren, wir haben Irak verloren, wir haben Afghanistan verloren. Warum erfinden wir dieses Märchen über uns selbst? Es führt zu nichts Gutem, und es wird uns in Zukunft nur noch mehr Ärger bereiten.

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Die Rechte in diesem Land lobt diesen Film, und er verzeichnet großen Erfolg. Wenn man annimmt, dass Filme erfolgreich sind, weil die Menschen die Hauptfigur lieben, dann könnte man doch sagen, dass Amerikaner echt auf diesen Sniper abfahren, oder? Woran liegt das deiner Meinung nach? Du hast Recht, dass Scharfschützen schon immer bedrohlich waren. Es trifft immer den armen Typen mitten auf dem Marktplatz und der Scharfschütze versteckt sich immer und es ist ein heimtückisches Vorgehen. Aber was tut dieser Scharfschütze für das Bewusstsein der amerikanischen Bevölkerung, das sie so sehr befriedigt und sie in die Kinos treibt? Es spielt sich in der nationalen Psyche ein unfassbares Drama um diesen Film ab.
Ja, und das hat damit zu tun, dass wir unterbewusst wissen, dass wir im Unrecht waren. Wir wissen, dass da keine Massenvernichtungswaffen waren. Wir wissen, dass 4400 amerikanische Kinder und viele zehntausende Iraker ihr Leben verloren haben. Wir wissen all das, und unter diesem Wissen befindet sich ein tiefsitzendes Schuldgefühl.

Außerdem gehen viele von den republikanischen Kalten Kriegern ins Kino; die leben ja nicht hinterm Mond. Sie haben Verwandte oder Nachbarn, sie haben Leute, die aus diesem Krieg kaputt wiedergekommen sind. Wir haben ein riesiges Problem mit posttraumatischer Belastungsstörung. Wir haben hier ein riesiges geistiges Problem mit den Soldaten, die aus diesem Krieg zurückgekehrt sind. Und ich muss sagen, dass es beide Male, als ich den Film sah, am Ende sehr still war. Niemand jubelt. Auch als Bradley Cooper Mustafa, den arabischen Scharfschützen, ausschaltet, hörte man kein Woohoo, und ihr könnt mir glauben, ich saß in einem Publikum, das politisch nicht mit mir übereinstimmt. Und es ging ihnen sehr nahe; sie waren sehr traurig. Alle Hauptfiguren in dem Film sind am Ende entweder vom Krieg traumatisiert, verletzt oder tot. Und das wird auch nicht zelebriert. Die Leute mögen vielleicht „Olé, olé" singend in den Film gehen, aber wenn sie wieder rauskommen, singt niemand mehr „Olé".

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Das Letzte, das ich dazu noch sagen werde, ist, dass viele Leute den Film jetzt wegen der Kontroverse sehen wollen, und auch weil er eine Oscar-Nominierung als bester Film bekommen hat, und die Leute wollen den besten Film sehen. Und dann ist es Clint Eastwood—einige der besten Filme sind von ihm. Es gibt also viele Gründe, warum die Leute ihn sich ansehen, aber ich sag's euch, ich sah ihn am zweiten Abend am Union Square in New York, und es war keine einzige Person, die im Village wohnt, in diesem Kino. Es waren alles Leute, die mit dem Zug aus New Jersey oder Long Island angereist waren. Und die Marktforschung weiß das—das Studio will wissen, wer sich den Film ansehen wird—und das Publikum dieses Films besteht aus Leuten, die einmal im Jahr ins Kino gehen, oder die nie ins Kino gehen. Die Zuschauer in diesen Kinos sind Die Passion Christi-Leute.

Lass uns kurz auf Scharfschützen zurückkommen, und auf die Unterscheidung, die du zwischen Bemerkungen über Scharfschützen und dem Film American Sniper machst. Du hast eine greifbare persönliche Verbindung zu Scharfschützen und ihren Folgen, und es gibt nicht so extrem viele moderne Geschichten über Scharfschützen, die das amerikanische Bewusstsein ansprechen, außer vielleicht, man blickt zurück auf den ersten und zweiten Weltkrieg, wie du sagtest.
Aber selbst da, spontan kannst du keinen Sniper nennen, der in den Augen der Gesellschaft dauerhaft die Stellung eines amerikanischen Helden hatte. Es ist einfach nicht unsere Kultur. Es gibt da die berühmte Geschichte von Jesse James und dem Feigling, der ihm in den Rücken schoss. Er war dabei, in seinem Haus ein Bild an die Wand zu hängen, als ein Typ am Fenster auftauchte und ihn erschoss. Jesse James ist nicht als der Halunke in die Geschichte eingegangen. Er war ein Räuber und Mörder, aber in der Geschichte, die erzählt wurde, war der Typ, der ihn tötete, der Halunke.

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Wir sind mit solchen Geschichten aufgewachsen. Unsere Väter sagten uns—den Jungs zumindest—dass ohne Vorwarnung zuschlagen was für Angsthasen ist. Jemanden schlagen ohne dass die Person einen sehen kann, von hinten zu kommen, das gilt einfach als falsch. Das Wort „sniper" selbst [von „to snipe", etwa: aus dem Hinterhalt oder aus großer Distanz angreifen/schießen, listig oder böswillig verbal angreifen; Anm. d. Übers.]—hast du jemals gehört, das jemand dieses Verb auf positive Art verwendet?

Nein, habe ich nicht.
Es hat einen negativen Kontext. Ich habe mir das neulich auf Twitter nicht ausgedacht. Es ist eine weitverbreitete Meinung, und es ist der Grund, warum wir nie für unsere sogenannten Sniper bekannt waren. In den Kriegen, in denen wir gekämpft haben, war es die andere Seite, die Sniper hatte. Und es ist auch nicht so, als hätten wir nicht schon immer Scharfschützen und Präzisionsschützen gehabt. Ich habe als Jugendlicher den NRA-Schützenpreis gewonnen, Herrgott nochmal. Aber ich glaube, der Sniper wird generell mit der bösen Seite in Verbindung gebracht, mit der Seite, die den Schaden verursacht, ob es die Deutschen in den beiden Kriegen waren oder die Japaner wie im Fall meines Onkels.

Zur Zeit läuft noch ein anderer Film, der Fury heißt. Hast du den gesehen?
Ja, den habe ich gesehen.

In dem Film gibt es auch einen Sniper, und am Ende tötet er den amerikanischen Helden. Es scheint also, als läge der Wert eines Scharfschützen im Auge des Betrachters. Es war der böse Sniper, der getarnt Brad Pitt erledigt, als dieser dabei war, einen Battalion SS-Soldaten auszuschalten.
Ich mochte diesen Film. Es war ein gut gedrehter Kriegsfilm und er hat mich sehr gefesselt. Und als sie vorher im Film in eine Stadt kommen, ist da noch ein deutscher Scharfschütze, und das war das Problem für alle Amerikaner, die in diese Städte gingen. Die Invasionsarmee, die Deutschen, hatten die Stadt besetzt und versucht, die Befreier aufzuhalten. Sie konnten keinen fairen Kampf gewinnen, und man kann sagen, die Amerikaner hatten mehr Truppen, mehr Geld, mehr Schlagkraft, aber ich sehe es mehr auf so eine Zen-mäßige Art: dass die Unterdrücker, die Invasoren, die Besatzer im Laufe der Geschichte eigentlich immer—OK, nicht immer, aber so gut wie—besiegt wurden. In anderen Worten, das Gute triumphiert eben schon über das Böse. Mit ein paar Ausnahmen, wobei die amerikanischen Ureinwohner natürlich eine offensichtliche sind.

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Ich bekomme all diese Emails von Leuten, in denen steht: „Chris Kyle, er hat unsere Soldaten beschützt und Leben gerettet." Also, was bedeutet das dann, „Leben retten"? Die Leben unserer Soldaten hätten niemals überhaupt erst gefährdet sein dürfen. Wir waren diejenigen, die im Unrecht waren. Wir waren unter falschen Vorwänden dort, und wir haben diesen Ort in einem viel schlimmeren Zustand hinterlassen als wir ihn vorgefunden haben.

Kannst du, gerade im Hinblick auf deine persönliche Erfahrung und deine Gefühle im Zusammenhang mit dem Begriff des Scharfschützen, beschreiben, was in dir vorging, als du in den Film gingst und auch als du wieder rauskamst?
Nun, ich ging am zweiten Premierenabend hin. Er lief landesweit nur in vier Kinos. Ich mag Clint Eastwood und ich wollte diesen Film sehen. Ehrlich gesagt hatte er den besten Trailer und die besten Fernsehwerbungen von allen Filmen des Jahres. Aber als ich dort ankam, sagte ich von der Popcornschlange bis zum Kinosaal: „Oh mein Gott. Sieh dich um, wir sind im Village und niemand aus dem Village ist hier." Dann sahen mich ein paar Leute und eine Person sagte: „Hey, klasse, dass du hier bist", und dankte mir für mein Zeug.

Ich war so froh, mit diesem Publikum dort zu sein, denn es hat sie sehr berührt. Es gab Tränen.

Wir waren offensichtlich in einem Kino mit 800 Veteranen, oder aktiv Dienenden, oder deren Angehörigen oder Freunden, und wir waren dort mit Leuten, die nie ins Kino gehen. Tatsächlich lachte die Person, mit der ich dort war, weil ich praktisch als Platzanweiser agierte. In New York ins Kino gehen ist anders als anderswo, und die Leute kamen rein und sahen sich um, sie konnten keine benachbarten Sitze finden und verstehen, wie das ganze System funktioniert. Sie waren so außerhalb ihres Elements. Ich weiß nicht, ich sagte bestimmt ein Dutzend Mal: „Hey, schau, da ist ein Balkon." Und sie sahen verdutzt aus weil sie es selbst nicht gesehen hatten. Und ich fragte Leute: „Könnten Sie diese Jacken hier wegtun? Lassen Sie bitte die Leute dort hin?" Sie sahen so verwirrt aus und hatten so einen Gesichtsausdruck drauf, wie ich ihn wahrscheinlich hätte, wenn ich mir beim Debattierklub der Oxford University meinen Platz selbst suchen müsste.

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Jedenfalls war ich so froh, mit diesem Publikum dort zu sein, denn es hat sie sehr berührt. Es gab Tränen. Die Menschen hatten eine starke Reaktion. Während des Abspanns läuft keine Musik—sehr düster. Alle Hauptfiguren in dem Film sind am Ende entweder vom Krieg kaputt, zu Kriegsgegnern geworden oder tot. Es gibt keine amerikanischen Sieg, den man am Schluss bejubeln kann, und es gibt keinen Fall von „los, sieh dir an, was wir gemacht haben", oder wie am Ende von Der Soldat James Ryan, wo man sieht, wie Tom Hanks stirbt, aber im Hinterkopf hat man den Gedanken: „Okay, aber er ist nicht grundlos gestorben." Das gibt es bei diesem Film nicht. Es gibt keine Katharsis. Aber es ist interessant, erst heute habe ich gesehen, dass er den Kassenrekord für Filme mit einer Freigabe ab 17 Jahren brechen wird, den bisher Die Passion Christi hielt. Und ich denke, sie werden feststellen, dass das Publikum hier ein sehr ähnliches ist. Das sind keine Leute, die normalerweise ins Kino gehen, und wenn sie es tun, dann nicht oft. Fünfzig Prozent der amerikanischen Bevölkerung geht nie ins Kino. Und die nächsten 25 Prozent, die es tun, gehen nur einmal jährlich. Die Kinogänger machen die letzten 25 Prozent aus. Es hat sich einfach angefühlt wie eine totales Passion-Christi-Publikum. Leute, die normalerweise warten würden, bis es auf Video rauskommt, oder die ihn sich im Fernsehen ansehen würde, aber sie wollten dieses kollektive Gefühl, mit anderen dazusitzen und ihn zu sehen.

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Trailer für American SniperDer Scharfschütze

Wenn man mal deine Probleme mit Scharfschützen und Kriegspolitik beiseite lässt, wäre es korrekt zu sagen, dass du mit dem kinematographischen an sich kein Problem hast?
Der Film an sich. Meine Twitter-Follower wissen, dass ich sowas normalerweise nicht kommentiere. Ich, wie die meisten Filmemacher und Regisseure—es gibt da so einen ungeschriebenen, unausgesprochenen Kodex, dass wir die Filme der Anderen nicht kritisieren. Wenn wir den Film eines anderen Regisseurs nicht mögen, dann sagen wir einfach nichts. Wenn wir etwas mögen, dann reden wir laut darüber und animieren die Menschen, es sich anzusehen. Deswegen sieht man es selten, dass ein Filmemacher einen anderen wegen einem seiner Filme angreift. Denn wir wissen alle, wie schwer es ist, einen guten Film zu drehen. Ich habe das in der Vergangenheit nur getan, wenn ich mich wirklich schlecht gefühlt habe, dass so viele Leute, vor allem arbeitende Leute, Geld ausgeben, um etwas zu sehen, von dem man ihnen gesagt hat, es sei dies und jenes, und dann ist es das nicht und die Leute werden am Ende sehr unglücklich. Sie arbeiten die ganze Woche und heutzutage kostet es sehr viel, ins Kino zu gehen und Süßigkeiten und das ganze Zeug für die Kinder zu kaufen. Das ist einfach nur meine Meinung. Also, was den Film angeht, habe ich in diesen ersten beiden Tweets nichts gesagt. Und als ich dann endlich mehr als 140 Zeichen darüber machte, ging ich auf Facebook und sagte: „OK, ich werde nichts über American Sniper sagen, aber eins sag' ich euch: Bradley Cooper—eine der besten Schauspielleistungen des Jahres." Mit Abstand. Wie er sich verwandelt … man denkt nicht mal, dass das Bradley Cooper ist.

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Steve Carell hat in Foxcatcher gerade dasselbe getan. Nach nur einem Augenblick ist dieser Typ namens „Steve Carell" einfach weg und an seiner Stelle ist da nur noch ein Monster.
Genau richtig. Daran erkennt man einen guten Schauspieler, und deswegen ist das mein erster positiver Kommentar über den Film. Die zweite Sache ist die, dass es technisch ein gut gemachter Film ist. Ich finde, es wurden einige gute Entscheidungen getroffen, zum Beispiel: Es war sehr gewagt, keine Abspannmusik zu haben, einfach gar keine Musik und nur der Abspann, der im Dunkeln entlangrollt. Schwarz und still. Was die Handlung angeht, denke ich, dass es das ist, was den Film für mich ein bisschen unaufgeräumt macht, denn Clint will im Grunde genommen einfach einen Western der alten Schule drehen—du weißt schon, alles richtig einfach halten und die Dinge nicht verkomplizieren. Zum Beispiel kriegen sie einen Anruf, als die Twin Towers getroffen werden, und dann sind sie auf einmal im Irak.

Du zeigst den Film in deinem eigenen Kino, stimmt's?
Ja, ich zeige den Film in einem der drei Kinos. Und zwar, weil ich denke, dass er Teil des amerikanischen Dialogs ist und dass die Menschen ihn sehen sollten. Du kannst nicht darüber reden, wenn du ihn nicht gesehen hast. Ich sah, wie John McCain mich gestern dafür kritisierte, was ich über Scharfschützen im Allgemeinen gesagt habe, und ein Journalist fragte ihn, ob er den Film gesehen habe, und er sagte: „Nein, ich habe ihn noch nicht gesehen." Und das erinnerte mich direkt daran, wie er zu Letterman ging und Fahrenheit9/11 kritisierte, und Letterman so: „Haben Sie den Film gesehen?" Und er sagte: „Nein, ich habe ihn noch nicht gesehen." Und Letterman darauf: „Senator, finden Sie es richtig, Dinge zu kritisieren, die Sie nicht gesehen haben?" Und er meinte: „Nein, Sie haben wohl Recht. Ich sollte ihn mir ansehen."

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Ich würde Transformers 5 nicht zeigen, denn das ist einfach nur ein Scheißfilm. Aber das hier ist kein Scheißfilm, und Clint Eastwood hat sogar gesagt, dass es in diesem Film eine sehr starke Antikriegshaltung gibt. Sag' du mir, Eddy, als du aus diesem Film rauskamst, hast du dir da gedacht: „Das ist ein super Film um junge Männer für's Militär zu rekrutieren"?

Ich habe mich innerlich auf ein rechtes Propagandawerk eingestellt, als ich in den Film ging. Es erschreckte mich, ihn anzusehen, denn ich fühlte mich, als sei ich in einem Egoshooter, und ich fand, das ist eine potentiell sehr gefährliche Sache, wenn die Leute das reizvoll finden und sich vielleicht denken: „Wow, der Irakkrieg ist wie eine reale Version von diesem Videospiel, das ich spiele. Cool." Aber der Film fesselte mich komplett von Anfang bis Ende.
OK, als erstes läuft er auf dem Rollfeld seinem Bruder in die Arme. Er ist so erfreut, seinen Bruder zu sehen, der dabei ist, sich in ein Flugzeug zu setzen und von dort abzuhauen. Du kannst sehen, dass der arme Junge völlig traumatisiert ist. Der American Sniper-Typ, Chris Kyle, ist total froh ihn zu sehen, und dann sagt ihm sein Bruder endlich die Wahrheit: „Scheiß' auf diesen Ort." Wie oft habe ich das von Jungs gehört, die von dort zurückkommen. Scheiß' auf diesen Ort. Und dann wird sein bester Freund getötet und er geht mit seiner Frau zur Beerdigung und seine Frau liest seinen letzten Brief nach Hause, einen Antikriegs-Brief, vor. Du weißt schon, Krieg ist falsch.

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Clint Eastwood bei der Oscarverleihung 2007. Foto via Wikicommons

Clint Eastwood ist kein rechter Ideologe. Politisch gesehen ist er eine bunte Mischung. Und wirklich, wenn überhaupt, dann ist er ein Wirtschaftsliberaler. Wenn man ihn unbedingt einordnen will, dann ist es wahrscheinlich das, woran er politisch glaubt. Ich glaube nicht, dass er der Meinung ist, die Vereinigten Staaten sollten Weltpolizei sein. Es war schon ein ziemliches Ding, zu zeigen, dass der Bruder gegen den Krieg ist, sein bester Freund ist gegen den Krieg und Chris wirkt wie der einzige, der so eine Hurra-Einstellung hat. Alle anderen schauen ihn an und denken: „Ist der verrückt? Lasst uns die Köpfe unten halten und verdammt nochmal so schnell wie möglich hier abhauen."

Alle wissen von der Lüge, die Chris sich selbst ständig erzählt, dass es das wert ist. Er muss das sagen, weil er tief im Herzen weiß, dass es nichts wert ist—es hat nichts damit zu tun, die Vereinigten Staaten von Amerika zu verteidigen, und das ist ihr einziger Job. Das ist es, wofür wir unsere Steuern zahlen. Damit wir geschützt sind, wenn wir angegriffen werden oder etwas uns bedroht. Das hier hat uns nicht bedroht. Der Irak hat uns nicht angegriffen und sie hatten keine Pläne, uns anzugreifen.

Ich habe ein Buch mit Briefen von Soldaten veröffentlicht, denn ich bekam so viele von Leuten, die sich nach dem 11. September verpflichtet hatten, die einfach ihren Teil beitragen wollten, und zwei Jahre später wurden sie in den Irak geschickt und fragten sich: „Was zur Hölle mache ich hier? Dafür habe ich mich nicht verpflichtet."

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Es klingt, als würdest du sagen, der Film sei weniger eindimensional als die Diskussion um den Film und die Gegenreaktion, die du bekommen hast, die fast kurzsichtiger ist als der Film selbst.
Ja, genau. Dann muss man die Frage stellen, warum. Wie wurde ich in all dem hier zum zentralen Streitpunkt? Ich meine, ich habe gelesen, was Noam Chomsky über das hier geschrieben hat. Ich habe Matt Taibbi und Chris Hedges gelesen … Ich habe gelesen, was linke Denker darüber sagen, und, ich meine, die sind brutal und boshaft in Bezug auf diesen Film. Und ich stimme Vielem zu, aber die Leute gehen nicht auf diese Denker, sie gehen auf mich. Ich habe das vor langer Zeit kapiert—der Grund, warum sie auf mich losgehen, und der Grund, warum sie auf Seth Rogen losgegangen sind, ist, dass wir den Mainstream der amerikanischen Mittelschicht extrem gut erreichen. Meine Basis, und offensichtlich auch die Kirche der Linken, liebt meine Arbeit und kauft meine Bücher und sieht sich meine Filme an, aber wenn es nur sie wären, dann wäre ich angeschmiert. Meine Filme werden in Einkaufszentren und Multiplex-Kinos gezeigt, und das ist sehr ungewöhnlich für jemanden, der links ist—das unsere Arbeit, unsere Kunst, den amerikanischen Mainstream so gut erreicht. Und das macht mich also zu einer Gefahr für sie, weil sie wissen, dass ich diese Zuhörerschaft habe. Ich liebe es, dass ich ab und zu so Kommentare bekomme wie: „Wie hat er zwei Millionen Twitter-Follower erreicht? Erklärt mir das mal bitte jemand? In was für einer Welt leben wir?"

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Ich habe keine abendliche Show wie Rachel [Maddow]. Ich habe keine wöchentliche Show wie Bill [Maher]. Mein letzter Film war vor fünf Jahren, und mein letztes Buch ist auch ein paar Jahre her. Ich bin nicht täglich da draußen. Ich gehe nicht ins Fernsehen. Und doch habe ich diese riesige Fangemeinde und natürlich hat Seth Rogen das auch, und zwar noch viel mehr, weil er keine politische Person ist. Er ist wirklich, wirklich im Mainstream, speziell bei der jüngeren Generation. Und das macht ihn gefährlich und sie müssen ihn sofort aufhalten. Er hat sich dabei nicht wirklich was Politisches gedacht—ich fand, es war eine echt scharfsinnige, lustige Beobachtung, die er da gemacht hat. Aber jetzt gibt es ein Restaurant in Michigan, wo Seth Rogen und ich nicht essen können. Ich habe den Hashtag #tableforsethandmike [„Tisch für Seth und Mike"] gestartet, damit uns Restaurants, die uns Essen geben würden, ihre Namen schicken. [Lacht]

Here's a tribute to you — Dakota Meyer (@Dakota_Meyer)January 23, 2015

Dakota Meyer tweetete: „Hier ein Tribut an dich @MMFlint Michael Moore. Teilt es und bringt es zum Trenden #michaelmoore"

Offensichtlich hast du das Plakat gesehen, das Sarah Palin hochgehalten hat—Michael Moore mit den zwei Fadenkreuzen in den Os.
Das Plakat, das am Samstag ihre politische Karriere beendete?

Ja.
Ja, ich habe diese beiden Tweets am Sonntag geschrieben, und am Montag dachte ich mir, ich sollte besser einen Facebook-Post machen, weil ich in einem Land lebe, in dem viele Leute nichts verstehen, und 140 Zeichen sind außerdem wirklich nicht viel. Also machte ich das auf Facebook und dann beschloss ich, jetzt bis Freitag zu schweigen. Und ich habe nichts über das hier getweetet, habe nicht darüber geredet, habe nichts gemacht, sondern einfach beschlossen, diese Spinnern sich die ganze Woche heiser schreien zu lassen, sie müde werden zu lassen, und sie werden nicht sehen, dass ich mich verteidige, was wiederum das Geschrei und die Spinnerei intensiviert, und im Grunde lasse ich sie sich selbst die Fresse polieren. Das hatte ich zumindest gehofft. Denk mal darüber nach, die meisten von Palins Unterstützers sind Erweckungschristen. Gute christliche Leute. Sie waren fassungslos, als sie sie mit einem Schild sahen, auf dem „fuck you" stand.

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Sie wurde so wütend auf mich, dass sie unvorsichtig wurde und zeigte, wer sie wirklich ist, und die christliche Rechte sah es und war gründlich schockiert.

Das hier ist jemand, die sich als eine echte, ordentliche amerikanische Mutter ausgibt.
Ja, Familienwerte und Apple Pie, und sie sagt Sachen wie „Menschenskinder". Sie wurde so wütend auf mich, dass sie unvorsichtig wurde und zeigte, wer sie wirklich ist, und die christliche Rechte sah es und war gründlich schockiert. Sie bekam viele negative Reaktionen auf Social-Media-Plattformen, und dann wieder am Samstag bevor sie aufstand um ihre Rede zu halten. Meine Theorie ist: Sie dachte, ihre eigenen Leute wenden sich in dieser Zeit gegen sie und es brachte sie aus dem Konzept, und dann, schätze ich, fiel der Teleprompter aus, oder? Sie konnte es nicht retten, und sie war mittendrin. Ich sollte mir das nochmal ansehen, ich kann mich nicht erinnern. Ich habe es auf C-Span gesehen. Aber am Anfang ging sie auf mich, sie hatte gerade diesen Post gemacht, sie bekommt viel Gegenwind von ihren Leuten und so zielt sie wieder auf mich, und dann stürzt der Prompter ab, aber egal. Ich bin sicher, ein guter Gewerkschaftler oder eine gute Gewerkschaftlerin …

Hat den Stecker gezogen?
[Lacht] Hat den Stecker gezogen. Aber das sei mal dahingestellt. Sie kam aus dem Konzept, und wenn du dir jetzt die Nachrichten über sie ansiehst, in den letzten vier Tagen hieß es überall, es sei aus mit ihr. Sie greifen sie auf Fox an—Bill Kristol, der ein großer Unterstützer war … all diese Leute haben ihr den Rücken gekehrt wegen diesen zwei Dingen, die sie gesagt hat, dass sie ein Schild hochgehalten hat, auf dem „fuck" steht und ihre Verwirrung als sie mich angriff und dann die Peilung verlor und nicht sprechen konnte.

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Die Fadenkreuze in den Os, hatte sie nicht Ärger—hatte ihre Webseite vor ein paar Jahren nicht im ganzen Land Gemeinden mit Fadenkreuzen drüber?
Ja, und das musste sie offline nehmen. Und auf dem "Fuck you"-Schild hat sie die Fadenkreuze in die zwei Os in meinem Namen getan. Und das war ein Teil der Gegenreaktionen—danke, dass du mich erinnerst. Also, sie hat das F-Wort benutzt und ein menschliches Wesen mit Fadenkreuzen bedacht.

Michael Moores Oscarrede für Bowling for Columbine

Ich muss dir eine letzte Frage stellen, denn ich kann das Interview nicht mit Sarah Palin beenden. Du gibst Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) Zugang zu deinen Kinos als Treffpunkt. Wie geht der Film deiner Meinung nach mit dem Thema posttraumatische Belastungsstörung um, da dir das Thema so wichtig ist?
Na ja, ich identifiziere mich mit den Veteranen, denen ich geholfen habe, aber ich identifiziere mich auch persönlich damit. Ich habe nicht durchgemacht, was sie im Irak durchgemacht haben, aber ich hatte auch mit diesem Ausmaß an Bedrohung umzugehen, dem ich nach meiner Oscarrede ausgesetzt war, und nach Fahrenheit gab es ein halbes Dutzend Angriffe auf mich. Ich musste ein Sicherheitsteam einstellen, das aus sechs ehemaligen Navy SEALs und Green Berets bestand, und sie haben diesen Typen erwischt, der eine Düngerbombe gebaut hatte, um mein Haus in die Luft zu sprengen.

Ich war froh, dass PTBS ein Teil des Films war. Weißt du, Clint hat weder die Soldaten noch die Veteranen versucht, wie einen homogenen He-Man-Verein darzustellen. Es gab alle möglichen Figuren. Und ich denke, sie sind … Ich weiß, dass das hier bei Menschen, die sich mit PTBS auseinandersetzen wollen, viele gute Anstöße geliefert hat, und ich glaube, der Film wird dazu führen, dass mehr Leute heimkehrenden Veteranen helfen wollen. Aber auf der kognitiven Kopfebene müssen Amerikaner, die sich diesen Film ansehen, sich wirklich einer „Nie wieder"-Haltung verschreiben. Nie wieder werden wir eine solche Situation zulassen.

Und es wird sehr wenig beachtet … die große Beerdigung am Ende mit dem Konvoi sieht aus wie etwas, das man für jemanden veranstaltet, der im Krieg gefallen ist. Der Krieg, in dem er fiel, war der Krieg zu Hause—der Krieg des heimkehrenden Veteranen, der keine Hilfe bekommt. Aber es ist auch der Krieg einer amerikanischen Kultur, speziell einer texanischen Kultur, die sagt: „Klar, gib' einfach allen eine Waffe. Lass uns auf den Schießplatz gehen. Ach, er hat PTBS? Kein Problem, hier ist noch 'ne Waffe." Die amerikanische Waffe, die amerikanische Kultur und Einstellung gegenüber Waffen, hat Chris Kyle getötet. Und das wird in dem Film ganz kurz angerissen. Uns wird nur gesagt, wie er starb. Clint zeigt uns nicht die Szene, in der er den Typen abholt und sie zum Schießplatz fahren, wie sie am Schießplatz sind, wie er, nach allem, was er im Irak durchgemacht hat, auf diese Art und Weise stirbt, wegen einem anderen Typen aus der Army. Nicht wegen irgendeinem Linken, einem Demonstranten, aber wegen einem seiner Leute.

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Oh Gott. Es ist einfach … und ich kriege dieses Gefühl von Leuten, „aus den Augen, aus dem Sinn. Ich will nicht darüber nachdenken." Aber wenn der Film sie dazu bringt, darüber nachzudenken, dann wird er etwas Gutes bewirkt haben, aber wenn sie aus dem Film rauskommen und denken: „Ich kann den nächsten Krieg gar nicht erwarten, dann können wir noch mehr von den Bösen erwischen", dann tut es mir Leid, Leute, aber wir werden unsere Lektion nicht lernen, bis wir gewillt sind zu sagen: „Wir waren die Bösen. Wir waren diejenigen, die hier Unrecht begangen haben." Menschen haben ihr Zuhause verteidigt, und das ist der Grund, warum sie uns getötet haben. Genau wie wir sie töten würden! Wenn eine Gruppe Iraner oder Iraker oder Kanadier die Hauptstraße in deiner Stadt entlangkämen, kannst du mir nicht erzählen, dass du dich anders verhalten würdest.

Es ist sogar noch komplizierter, denn sie haben nicht nur amerikanische Soldaten sondern auch einander getötet. Und ehrlich gesagt, irgendwie ist es vielleicht auch perfekt, dass der Film genau jetzt erscheint, zu einer Zeit als ISIS den Irakkrieg zurück ins öffentliche Bewusstsein gerückt hat und die Komplexität deutlich gemacht hat, von der niemand wirklich wusste, als wir in den Irak gingen, weil sie nicht aufgepasst oder etwas darüber gelernt hatten. Es ist interessant, dass der Film jetzt erscheint, wo alles wieder losgeht, denn wir haben dieses Ding auseinandergerissen. Der Schlamassel ist jetzt, und er kommt noch.
Wir haben es wirklich auseinandergerissen, und ich sage nicht, dass Saddam Hussein einer von den Guten war, aber er verstand offensichtlich, dass der einzige Weg, den Irak vor dem Zerfall zu bewahren, eine säkulare und keine religiöse Gesellschaft ist. Wenn Religion eingeführt worden wäre, hätte es Bürgerkrieg gegeben. Und er hatte Recht. Das ist es, was jetzt gerade passiert.

Bevor wir zum Ende kommen muss ich sagen, dass die Darstellung von Irakern, Arabern und muslimischen Menschen in diesem Film wirklich anstößig ist. Clint Eastwood musste diesen Punkt wirklich kristallklar machen. Er musste es in der Handlung kristallklar machen, dass die andere Seite die Wilden sind, dass sie einem Jungen mit dem Bohrer in den Kopf bohren würden. Das hat er wirklich gebraucht.

Das Erste, das ich über seine Gleichsetzung von Vietnam mit Irak schrieb, war, dass diese ganze Sache, dass sie Kinder mit den Granaten losschicken, oder Frauen oder was auch immer, ein Teil der Vietnam-Mythologie ist. Und es ist in Vietnam ein paar Mal passiert, aber es hat allen Angst gemacht, hat sie überzeugt, die Vietnamesen seien Tiere. Nun, das ist beim Irakkrieg nicht wirklich passiert. Die Kinder waren nicht mit Sprengsätzen ausgestattet; die Kinder hatten keine Granaten und all das. In Palästina gab es Selbstmordattentäterinnen. Aber das war nicht der Irakkrieg; so eine Sache war das da nicht.

Wir haben so viele Leute und so viele Gliedmaßen verloren wegen Handys und improvisierten Sprengsätzen, die sie auf der Straße platzieren und zünden konnten. Und dann weigerte Rumsfeld sich, die Humvees von General Motors nachzurüsten, also bestanden deren Unterböden während der ersten paar Jahre einfach aus Alufolie. Die Leute dort fingen an, die Humvees selbst aufzurüsten. Sie holten sich einfach Schrott und nieteten die Scheiße damit zu, damit sie überleben konnten, weil das Pentagon ihnen keine Fahrzeuge gab, in denen sie überleben würden. Es war also anstößig, dieses Wort durchweg von—nicht von bösen, sondern von guten Leuten zu hören, wodurch es so schien als sei es in Ordnung, solche Dinge über die irakischen „Wilden" zu sagen.

Es hat auch eine Einstellung gegenüber Arabern und Moslems bestärkt, die ich als sehr unangenehm empfinde. Aber na ja, ich sage nicht, wir sollen versuchen, das Ganze zu übertünchen; es gibt ernsthafte Probleme. Selbst der Typ mit der Düngerbombe, ich kann dir in zehn Jahren ein solches Beispiel zu mir nennen. Wenn ich in anderen Ländern leben würde, dann wäre es ein wenig häufiger. Ich will das Eine also nicht mit dem Anderen vergleichen, aber ich habe erst heute Abend etwas auf Facebook gepostet weil man mich in den letzten paar Tagen in Bezug auf Clint Eastwood gefragt hat—hat er gedroht, mich umzubringen? Ja, es ist wahr, es geschah 2005 im [New Yorker Restaurant] Tavern on the Green. Ich glaube, alle haben es als Witz oder als halben Witz aufgefasst, aber es war eine von diesen seltsamen Situationen, wo er keine Lacher erwartet, und dann als die Leute lachten, gefiel ihm das nicht, also sagte er: „Hey, ich meine das Ernst. Ich knall' dich ab." Dann wurde es wirklich still, so: „Was zur Hölle stimmt mit dem denn nicht?" Es gibt Dinge, über die macht man keine Witze. Du sagst nicht zu einer Frau: „Hey, ich werde dich vergewaltigen", und dann nervöses Gelächter und dann so: „Nein, das ist mein Ernst, ich werd' dich vergewaltigen!" Sagt das bitte nicht. Das ist nicht OK.

Erzählt irgendjemand die Geschichte des psychisch zerstörten Irakveteranen, der heimkehrt?
Nein, die wird nicht erzählt. Niemand denkt an ihr tägliches Leben. Die Leute wollen nicht darüber nachdenken, wie ernst dieses Problem sein kann. Wir werden die Quittung dafür bekommen, wenn wir uns nicht damit auseinandersetzen. Wir bekommen sie jetzt schon. Es ist ein riesiges Problem und sollte absolut eine oberste Priorität sein.

Wo kann man mehr erfahren? Willst du uns auf irgendwas verweisen?
Die Veteranenhotlines, die von Veteranengruppen eingerichtet worden sind. Es gibt eine Kurzdokumentation, die dieses Jahr bei den Oscars nominiert ist, namens Crisis Hotline: Veterans Press 1. Sie ist so beeindruckend. Sie handelt von einer Veteranenhotline nur ein kleines Stück flussaufwärts von hier. Es gibt das Problem in unserem Gesundheitssystem, dass wir die geistige Gesundheit nicht als einen gleichwertigen Teil des Ganzen behandeln. Wir sollten genauso darauf bedacht sein, für geistige Gesundheit zu kämpfen wie für körperliche.

Wie viele Veteranen begehen täglich Selbstmord?
Es sind 22 am Tag.

Das ist unfassbar.
Der Anteil Obdachloser, die Veteranen sind, ist unfassbar. Wenn wir Jungs im High-School-Alter zeigen könnten: „So dankt dir dein Land deinen Dienst …" Ich schrieb letztes Jahr einen Blog, in dem stand, dass ich möchte, dass die Leute aufhören, immer zu Veteranen zu sagen: „Danke für deinen Dienst für unser Land." Das wollen die nicht hören, die wollen, dass du die Fresse hält und etwas unternimmst. Stell sicher, dass sie Zugang zu psychiatrischer Hilfe haben. Bring Politiker an die Macht, die sie nicht grundlos in Kriege schicken. Das kannst du machen, wenn du ihnen danken willst.

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